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Ur-Symbiose: Pilze, die Vorhut der ersten Landpflanzen

Um sich auf festen Boden anzusiedeln, legten sich die ersten Landpflanzen Schützenhilfe zu. Sie holten Pilze herbei und machten ihnen ein verlockendes Angebot.
Filziges Haarkelchmoos

Als die ersten Pflanzen vor rund 450 Millionen Jahren festen Boden eroberten, mussten sie sich auch das nötige Rüstzeug für den Landgang zulegen. Dazu gehörte offenbar auch die Eigenschaft, mit Pilzen eine Symbiose einzugehen, um an ausreichend Wasser und Nährstoffe heranzukommen. Wie eine Forschergruppe um Mélanie K. Rich und Pierre-Marc Delaux von der Université de Toulouse herausfand, stellen urtümliche Pflanzen – etwa Marchantia paleacea, die zu den ältesten Landpflanzengruppen gehören – dafür Lipide bereit, auf die ihre Pilzpartner nicht verzichten wollen. Da sich diese Form der Symbiose bei Algen nicht nachweisen lässt, geht das Wissenschaftsteam davon aus, dass der Mechanismus entstand, als die Pflanzen das Land eroberten. Die Studie ist im Fachmagazin »Science« erschienen.

Die Symbiose von Pflanzen mit Pilzen ist sehr verbreitet: Die Pilze schaffen Wasser, Phosphat und Stickstoff heran, im Gegenzug versorgt sie die Pflanze mit Kohlenhydraten und Lipiden. Wie Harro J. Bouwmeester von der Universität Amsterdam in einem begleitenden Kommentar in »Science« schreibt, gehen 80 Prozent der Landpflanzen diese Nutzgemeinschaft mit arbuskulären Mykorrhiza (AM) ein. »Die Pflanze erlaubt den AM-Pilzen in ihre Wurzeln einzudringen und in ihren Zellen Strukturen zum Nährstoffaustausch auszubilden, die Arbuskel genannt werden«, erklärt Bouwmeester. Bei den Arbuskeln handelt es sich um stark verzweigte Pilzhyphen.

Schon in den 1980er Jahren nahmen Forscherinnen und Forscher beruhend auf Fossilien an, dass diese Pilz-Pflanzen-Symbiose bis zu den Anfängen der Landpflanzen zurückreicht und entscheidend für die Entstehung der Vegetation war. Rich und Delaux prüften diese These nun durch Genanalysen an heute existierenden Pflanzen. Dazu verglich das Forscherteam die genetischen Details des Symbiosemechanismus der arbuskulären Mykorrhiza, wie er bei höheren Gefäßpflanzen nachgewiesen ist, mit dem des lebenden Pflanzenfossils Marchantia paleacea, das zu den Lebermoosen gehört – eine der drei Abteilungen der Moose. Eine erhöhte Bereitstellung von Lipiden bei der AM zeigt sich durch eine spezifische Genexpression. Denselben Vorgang konnte das Forscherteam auch für M. paleacea nachweisen. Zudem machte das Team eine Gegenprobe und schaltete mit Hilfe der Genschere CRISPR die beteiligten Gene aus: Dies brachte die Genaktivität und damit die Lipidweitergabe zum Erliegen und stoppte die Symbiose.

Sicher ist, dass Algen keine Symbiose in der Form der arbuskulären Mykorrhiza eingehen; aber die frühesten Formen von Landpflanzen wie M. paleacea. Daraus schließen Rich, Delaux und ihr Team, dass die prompte Bereitstellung von Lipiden die Symbiose mit Pilzen ermöglichten. Und erst mit Hilfe der Pilze waren die Pflanzen ausreichend mit Wasser und Nährstoffen versorgt, um, beginnend vor 450 Millionen Jahren, an Land existieren zu können.

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