News: Uralte Ameisen
Bei den Fossilien konnte eine „metapleurale Drüse“ gefunden werden. Dies ist ein charakteristisches anatomisches Merkmal von Ameisen und ein Schlüssel für ihre Fähigkeit, in Kolonien unter der Erde oder in modernden Bäumen zu leben. Die Drüse, die man über den Hinterbeinen findet, scheidet eine Substanz ab, die als Antibiotikum wirkt. Sie hindert Bakterien und Pilze daran, in Ameisenhaufen einzudringen und die Mitglieder der Kolonie zu infizieren. Man glaubt, daß die Entwicklung dieser Drüse mit der Evolution des Sozialsystems der Ameisen zusammenhängt, einem Schlüsselfaktor für ihre ungeheure ökologische Dominanz. Ameisen sind so erfolgreich, daß sie bis zu 25% der gesamten tierischen Biomasse im Amazonasgebiet repräsentieren. Sogar im Central Park in New York City sind sie nach Gewicht die Geschöpfe, die am häufigsten vorkommen.
Die jetzt gefundenen Fossilien bestehen aus drei Arbeiterinnen und vier männlichen Ameisen. Eine der Arbeiterinnen ist ein komplettes, gut erhaltenes Exemplar der Sphecomyrma freyi, einer primitiven Art von Ameise. Dieses Insekt wurde zum ersten Mal 1967 vom Entomologen E. O. Wilson und seinen Kollegen beschrieben. Weil keine metapleurale Drüse eindeutig zu erkennen war, waren die Wissenschaftler damals allerdings unsicher, ob es sich wirklich um eine Ameise handelte. Die neue Fossilameise in Bernstein beendet die Debatte über die Identität dieses uralten Insekts.
Von den restlichen Ameisen gehören zwei der Männchen zu einer neuen Spezies von Baikuris. Diese Gattung ist bereits viel weiter entwickelt als Sphecomyrma und mit der Unterfamilie der Ponerinae verwandt, die heute in tropischen und subtropischen Gebieten weit verbreitet ist. Die dritte männliche Ameise gehört zu einer unbestimmten Gattung, und die vierte männliche Ameise könnte den Sphecomyrma freyi zugeordnet werden. In diesem Fall wäre sie die erste bekannte männliche Ameise dieser Gruppe.
Die Entdeckung sowohl primitiver als auch höher entwickelter fossilen Ameisen in 92 Millionen Jahre altem Bernstein zeigt, daß die bedeutendsten Formenkreise der Ameisen schon aus einer Zeit vor dem Ende der Kreidezeit vor 65 Millionen Jahren stammen. Eine vernünftige Schätzung würde den Ursprung der Ameisen in der Jüngeren Kreidezeit vor ungefähr 130 Millionen Jahren datieren.
Ameisenfossilien aus der Kreidezeit sind extrem selten. Aus dem nachfolgenden Tertiär gibt es dagegen eine Menge Funde, was darauf hindeutet, daß die große Ausbreitung der Ameisen nicht vor dem Ende der Kreidezeit begann – einer Zeit, die auch das Ende des Zeitalters der Dinosaurier markiert. Die Frage, was neben ihrem Sozialwesen zu dem beispiellosen Erfolg der Ameisen nach dieser Periode führte, ist noch immer offen.
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