Evolutions-Rätsel: »Urpilze« krempeln Geschichte des Lebens um
Sie sehen aus wie Pilzgeflecht, das man in fast jedem Kühlschrank findet – doch es stammt von einem ungewöhnlichen Ort. Die fädigen Strukturen, die eine Arbeitsgruppe im April 2017 in »Nature Ecology & Evolution« beschrieb, stammen aus einer Pore in Basalt, der sich vor etwa zweieinhalb Milliarden Jahren am Meeresboden bildete, fast zur Hälfte des Erdalters. Damit wären die Strukturen zwei- bis dreimal so alt, wie man den Pilzen insgesamt bisher zugetraut hätte. Das Team um Stefan Bengtson hält es dennoch für gut möglich, dass es sich bei den Fossilien tatsächlich um Pilze handelt, denn sie unterscheiden sich nicht von weit jüngeren Pilzfossilien in ähnlichen Lebensräumen. In diesem Fall würde der Fund die bisherige Vorstellung von der Geschichte des Lebens in wesentlichen Punkten umwerfen.
Bisher geht man davon aus, dass die Pilze vor einigen hundert Millionen Jahren an Land entstanden – und damit mit dem Ursprung der Vielzeller nichts zu tun haben. Zu Lebzeiten müssen die Fossilien bereits einige hundert Meter unter dem Meeresboden gelebt haben und gehörten so zur tiefen Biosphäre. Ihre Existenz fällt in eine spannende Epoche der Erdgeschichte, als sich erstmals Sauerstoff in der Erdatmosphäre anzureichern begann. Auch wenn das seltsame Geflecht im Gestein kein Pilzmyzel ist – nach Ansicht der Fachleute kann ein solches Geflecht nur von einem vielzelligen eukaryotischen Organismus stammen: Weder Bakterien noch Archaeen erzeugen so komplexe Fadenstrukturen. Damit könnte die tiefe Biosphäre, der weitgehend unerforschte Lebensraum im Gestein unter dem Ozeanboden, ins Zentrum der Fragen nach der frühen Geschichte des Lebens rücken.
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