Botswana: Ursache des Elefantensterbens wohl gefunden
Das weltweite Interesse an den Pressekonferenzen, in denen das Umweltministerium von Botswana über das Elefantensterben informierte, hatte bereits stark abgenommen. Zu vage waren die Auskünfte, zu oft wurde darauf verwiesen, dass die internationalen Labortests erst genau ausgewertet und von weiteren Tests bestätigt werden müssten. Doch an diesem Montagmorgen in Gaborone konnten die Regierungsvertreter endlich Konkretes präsentieren: »Unsere Diagnose lautet, dass von Zyanobakterien verursachte Nervengifte die Ursache für die Sterblichkeit der Elefanten in der Seronga-Region sind«, sagt Botswanas Chefveterinär Mmadi Reuben.
Nachdem internationale Labortests keine Hinweise auf bakterielle oder virale Infektionskrankheiten liefern konnten, verlagerte sich die Ursachenforschung laut Reuben auf natürlich vorkommende Toxine. In den Wasserproben, die aus Tümpeln und Löchern entnommen wurden, um die herum tote Elefanten gefunden wurden, entdeckten die Labors schließlich Zyanobakterien.
Auf der Pressekonferenz am Montag wurde die offizielle Zahl der toten Elefanten zudem nun leicht nach oben korrigiert. Demnach sind im so genannten Okawango-Panhandle in Botswana seit März dieses Jahres insgesamt 330 Elefanten durch bislang rätselhafter Ursache zu Tode gekommen. Die Tiere starben dabei sehr schnell und zeigten Zeichen von neurologischen Schäden. Die Regierung des Landes hatte zahlreiche internationale Labors mit der Analyse von Blut- und Gewebeproben der toten Tiere sowie von Wasser- und Bodenproben beauftragt. Dass die Öffentlichkeit so lange auf die Testergebnisse warten musste, hatte jede Menge Spekulationen über die möglichen Ursachen aufkommen lassen. Die Erklärungen reichten von einer unerkannten Seuche, missglückter Wilderei bis hin zu Verschwörungstheoretischem, wie einer vertuschten Tötungsmaßname der Regierung.
Sehr schnell sehr tödlich
Schon vor der Bekanntgabe am Montag hatten Experten auch Zyanobakterien, die oft noch unter ihrem alten Namen als Blaualgen bekannt sind, als mögliche Erklärung ins Spiel gebracht. »Das ist ein typisches Problem bei niedrigem Wasserstand und Wärme«, sagt Fabian Leendertz, Epidemiologe und Experte für Zoonosen am Berliner Robert Koch-Institut. Die klimatischen Bedingungen zu dieser Jahreszeit in Botswana könnten dazu führen, dass sich Zyanobakterien besonders stark vermehrt hätten. »Da gab es vielleicht nur noch ein paar Wasserlöcher mit niedrigem Pegel, die dann voll mit Blaualgen waren. Das kann sehr schnell für viele Tiere sehr tödlich sein«, erklärt Leendertz.
Als die Wasserlöcher ausgetrocknet waren, hörte auch das Sterben auf
Zyanobakterien ist ein Sammelbegriff für eine Reihe von Ordnungen und Familien von Bakterien, die in Gewässern auftreten. Sie können verschiedene Giftstoffe produzieren. Einige dieser Toxine gehören zu den stärksten natürlichen Giften. Früher galten sie als Algen und wurden in der Klasse Blaualgen geführt. Zyanobakterien besitzen im Gegensatz zu Algen aber keinen echten Zellkern und sind daher nicht näher mit den Algen verwandt. Dennoch hält sich der Begriff Blaualgen nach wie vor. Auch in Deutschland werden Seen immer wieder wegen einer zu hohen »Blaualgen«-Belastung gesperrt, und es kommt zu Todesfällen unter Tieren, zum Beispiel Hunden, die in den Seen schwimmen.
Laut Chefveterinär Reuben stützen weitere Untersuchungen des botswanischen Umweltministeriums den toxikologischen Befund: »Wir haben per Datenanalyse die Epizentren der Tode ermittelt und festgestellt, dass sie sich um Teichbetten und Wasserlöcher konzentrieren.« Allein schon dieser Umstand machte es wahrscheinlich, dass die Tode von dort ausgingen. »Außerdem stoppte das Sterben, nachdem solche Betten schließlich ausgetrocknet waren«, sagt der Regierungsvertreter.
Warum waren ausschließlich Elefanten betroffen?
Reuben räumt ein, dass damit längst noch nicht alle Fragen zu den Toden beantwortet seien: »Warum nur Elefanten als eine einzige Art? Warum nur in dieser Gegend?« Chris Thouless, Forschungsleiter bei der kenianischen Artenschutz- und Forschungsorganisation Save The Elephants, wundert sich ebenfalls darüber: »Dass natürliche Toxine die Ursache sein sollen, verblüfft mich schon, weil wir dann einfach erwarten müssten, dass andere Tiere in der Gegend, welche dieselben Wasserquellen nutzen, auch sterben müssten.«
Zwischen 2005 und 2008 kam es im südafrikanischen Krüger Nationalpark gleichfalls zu einem erhöhten Tiersterben, das durch die Toxine der Zyanobakterien verursacht wurde. Allerdings bezog es sich dort auf zahlreiche Arten. Ein Team um den damaligen Chefveterinär des Krügerparks, Roy Bengis, stellte in einer Untersuchung fest, dass »Gnus, Zebras, Nashörner und Raubtiere im Vergleich zu ihrer Populationsdichte in den Gebieten überdurchschnittlich stark betroffen waren«. Die Experten mutmaßten, dass das Trinkverhalten der Tiere eine Rolle spielte: Die Zyanobakterien würden vom Wind häufig an eine Uferseite getrieben, und da sich die meisten Tiere gegen den Wind einem Wasserloch näherten, kommen sie bevorzugt auf der belasteten Seite des Gewässers an. Auch die Tageszeit spielt demnach eine Rolle. Am Nachmittag, wenn die Mehrzahl der Tiere zum Trinken komme, seien die Bakterien besonders rege.
Verblüffend aber: Tote Elefanten konnten die Wildhüter seinerzeit im Krügerpark nicht entdecken. Als Erklärung boten die Forscher die Tatsache an, dass sich die Dickhäuter dem Wasser aus jeder Richtung näherten und im Gegensatz zu anderen Tieren über die Verunreinigungen am Ufer hinaus in klareres Wasser wateten.
Elefanten verhalten sich anders im Wasser
Den Chefautor des Reports, Roy Bengis, der über 35 Jahre Chefveterinär des Krügerparks war, überrascht dieser vermeintliche Widerspruch jedoch nicht. »Es gibt viele verschiedene Arten von Zyanobakterien, die auch ganz andere Toxine produzieren. Wir hatten es damals im Krüger mit Lebertoxinen zu tun, bei denen die Tiere über mehrere Tage hinweg starben. In Botswana geht es hingegen um Neurotoxine«, sagt Bengis. Hinzu komme, dass nicht alle Zyanobakterien die typischen »Algenblüten« bilden und so wie im Krügerpark an der Oberfläche treiben. Manche heften sich zum Beispiel auch an Unterwasserpflanzen an.
Roy Bengis sieht drei mögliche Erklärungen, warum in Botswana nur Elefanten betroffen waren: »Erstens, die Elefanten könnten auf dieses Neurotoxin empfindlicher reagieren als andere Tierarten.« Zweitens tränken die Tiere deutlich mehr Wasser als andere Arten und nähmen dadurch zwangsläufig erheblich mehr Toxine auf. »Und drittens verbringen die Elefanten mehr Zeit im Wasser als andere Tiere – sie spielen und schwimmen – und in dieser Zeit könnten sie die Giftstoffe auch über ihre Haut aufnehmen«, erläutert der Veterinär.
Chris Thouless verweist unterdessen auf die relativ niedrige Dichte von anderen Tierarten in der betroffenen Region. Es gebe dort eben in erster Linie Elefanten. »Zum Beispiel kamen dort in einer Erhebung im Jahr 2014 auf 153 Zebras 9005 Elefanten«, sagt Thouless. Allerdings könne er sich dennoch nicht erklären, warum keine Rinder starben. »Denn davon gibt es dort sicher genug«, sagt der Wissenschaftler.
Auch die Experten in Botswana selbst entwickeln nun solche Theorien. »Wir haben in Bezug auf die offenen Fragen Hypothesen, an denen wir im Moment arbeiten. Diese basieren auf der Verhaltensökologie der Elefanten und anderer Tierarten in dieser Gegend«, sagt Mmadi Reuben. So verweist der Veterinär darauf, dass der Elefant das einzige Tier sei, das unter der Wasseroberfläche trinke. »Der Elefant kann auch am Schwemmsand saugen. Dort vermehren sich Zyanobakterien besonders stark«, erläutert Reuben.
Wurde den Elefanten in Botswana also die besonderen Fähigkeiten ihrer Rüssel zum Verhängnis? Noch ist das nur eine Hypothese. »Wir müssen diese Ideen jetzt analysieren und dann Strategien entwickeln, wie solche Vorfälle in Zukunft verhindert werden können«, sagt Reuben.
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