News: Urteil: Nicht ganz unschuldig
Trotz aller Konkurrenz an schlechten Nachrichten: Aus den Schlagzeilen lassen sich BSE und Co offenbar nur schlecht verdrängen, siehe die jüngsten Fälle in den USA. Neue Erkenntnisse über den Krankheitsauslöser sollten da beruhigen - oder doch nicht?
Fast wie ein TV-taugliches kriminalistisches Rätsel wirkte lange Zeit die Suche nach den Schuldigen – jenen Auslöser der todbringenden BSE-Erkrankung bei Rindern, der Traberkrankheit oder Scrapie bei Schafen und der neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJK) beim Menschen. Gefunden ist der Täter offenbar, wirklich überführt noch längst nicht.
Als Hauptmerkmal aller Prionen-Erkrankungen entlarvte man miteinander vernetzte Klumpen des Proteins PrPSc im kranken Nervengewebe. Das Eiweiß ist eine veränderte Form des körpereigenen Prionproteins PrPC, das von allen Wirbeltieren gebildet wird und üblicherweise vor allem an der Oberfläche von Nervenzellen eingelagert. Der Erreger der Prionen-Erkrankungen, das abnormale Prionprotein PrPSc, bildet und vermehrt sich offenbar, indem es nach seinem eigenen Vorbild das zelleigene, normale Protein PrPC umformt.
Gut, dachten sich wissenschaftliche Prionenjäger: Warum nehmen wir das körpereigene PrPC nicht in Schutzhaft – umgeben es also beispielsweise mit einem für PrPSc undurchdringlichen Wall von Antikörpern, sodass die krankmachende Umwandlung der normalen in die abgewandelte Form des Prions nicht mehr stattfinden kann? Ein Ansatz, den auch Wissenschaftler um Anthony Williamson vom Scripps Research Institutes andachten – und ein Ansatz, vor dem sie nach ihren neuesten Untersuchungen nun ernsthaft warnen.
In ihren Untersuchungen hatten die Forscher zunächst die eigentliche Funktion des körpereigenen PrPC unter die Lupe genommen. Es galt ursprünglich eher als Opfer denn als Teil des Problems, dient es doch den bösartigen Sc-Formen eben nur als Substrat für die fatale Umformung. Eigentlich wenig überraschend daher, dass sich im Experiment in PrPC-freien Geweben auch nach der Injektion von PrPSc keine der üblichen neurodegenerativen Schäden entwickelten.
Nur: Dies gilt eben auch, wenn enorme Mengen der krankhaften Form gegeben werden – Mengen, die normalerweise längst alleine den typischen Gewebeschaden auslösen sollten, auch ohne zusätzlich umgewandeltes PrPC. Andere kürzlich veröffentliche Studien zeigen sogar, dass genetisch veränderte Mäuse, deren eigene PrPC-Prionen früh abgebaut werden, nicht durch PrPSc zu infizieren sind.
An dieser Stelle kommt in Krimis oft die überraschende Wendung der Geschichte. So auch in diesem Fall, nachdem die Forscher um Williamson in Nervenzellen lebender Mäuse Antikörper injizierten, welche an die normalen PrPC-Prionen banden und diese miteinander verknüpften. Die entstehenden PrPC-Netze bewirkten daraufhin genau denselben Effekt wie die für Prionenerkrankungen typischen PrPSc-Verklumpungen: Die Zellen starben ab, die Nervengewebe degenerierten.
Die Forscher schlussfolgern daraus, dass nicht die Umwandlung von PrPC, sondern vielmehr seine Vernetzung die pathogenen Effekte auszulösen scheint. Im Normalfall einer klassischen Prionenerkrankung würde diese Vernetzung unter mithilfe des PrPSc erfolgen – das müsse aber nicht notwendigerweise so sein. Ein kleiner, aber eben entscheidender Unterschied, den man auch bei geplanten Therapien für Prionenerkrankungs unbedingt berücksichtigen sollte: Würde man zur Abschirmung des PrPC gedachte Antikörper einsetzen, die dabei aber fatalerweise die eigentlich normalen Prionen quervernetzten, so hätte man den Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben. Auch ganz ohne Zutun des krank machenden PrPSc resultierten als Nebeneffekt dann typische spongiforme Gewebeschädigungen.
Die Akte kann also längst nicht geschlossen werden. Und vielleicht, so die Forscher, ist alles noch ganz anders. Denn alle Beobachtungen könnten auch dadurch erklärt werden, dass PrPC-Prionen normalerweise als Glieder eine Nachrichtenkette dienen, die etwa für die rechtzeitige Einleitung des zellulären Selbstmordes verantwortlich sein könnte. Krankhaft veränderte Prionen würden dann ein bislang unerkannt gebliebenes, weiterleitendes Signalmolekül vielleicht nicht mehr aktivieren können – und so die rechtzeitige Selektion kranker Zellen verhindern, mit der die Prionenkrise vom Körper in den Griff zu bekommen wäre. Ein Signalmolekül fast wie der krimitypische "große Unbekannte", den alle Angeklagten irgendwann aus dem Hut zaubern. Fortsetzung folgt.
Als Hauptmerkmal aller Prionen-Erkrankungen entlarvte man miteinander vernetzte Klumpen des Proteins PrPSc im kranken Nervengewebe. Das Eiweiß ist eine veränderte Form des körpereigenen Prionproteins PrPC, das von allen Wirbeltieren gebildet wird und üblicherweise vor allem an der Oberfläche von Nervenzellen eingelagert. Der Erreger der Prionen-Erkrankungen, das abnormale Prionprotein PrPSc, bildet und vermehrt sich offenbar, indem es nach seinem eigenen Vorbild das zelleigene, normale Protein PrPC umformt.
Gut, dachten sich wissenschaftliche Prionenjäger: Warum nehmen wir das körpereigene PrPC nicht in Schutzhaft – umgeben es also beispielsweise mit einem für PrPSc undurchdringlichen Wall von Antikörpern, sodass die krankmachende Umwandlung der normalen in die abgewandelte Form des Prions nicht mehr stattfinden kann? Ein Ansatz, den auch Wissenschaftler um Anthony Williamson vom Scripps Research Institutes andachten – und ein Ansatz, vor dem sie nach ihren neuesten Untersuchungen nun ernsthaft warnen.
In ihren Untersuchungen hatten die Forscher zunächst die eigentliche Funktion des körpereigenen PrPC unter die Lupe genommen. Es galt ursprünglich eher als Opfer denn als Teil des Problems, dient es doch den bösartigen Sc-Formen eben nur als Substrat für die fatale Umformung. Eigentlich wenig überraschend daher, dass sich im Experiment in PrPC-freien Geweben auch nach der Injektion von PrPSc keine der üblichen neurodegenerativen Schäden entwickelten.
Nur: Dies gilt eben auch, wenn enorme Mengen der krankhaften Form gegeben werden – Mengen, die normalerweise längst alleine den typischen Gewebeschaden auslösen sollten, auch ohne zusätzlich umgewandeltes PrPC. Andere kürzlich veröffentliche Studien zeigen sogar, dass genetisch veränderte Mäuse, deren eigene PrPC-Prionen früh abgebaut werden, nicht durch PrPSc zu infizieren sind.
An dieser Stelle kommt in Krimis oft die überraschende Wendung der Geschichte. So auch in diesem Fall, nachdem die Forscher um Williamson in Nervenzellen lebender Mäuse Antikörper injizierten, welche an die normalen PrPC-Prionen banden und diese miteinander verknüpften. Die entstehenden PrPC-Netze bewirkten daraufhin genau denselben Effekt wie die für Prionenerkrankungen typischen PrPSc-Verklumpungen: Die Zellen starben ab, die Nervengewebe degenerierten.
Die Forscher schlussfolgern daraus, dass nicht die Umwandlung von PrPC, sondern vielmehr seine Vernetzung die pathogenen Effekte auszulösen scheint. Im Normalfall einer klassischen Prionenerkrankung würde diese Vernetzung unter mithilfe des PrPSc erfolgen – das müsse aber nicht notwendigerweise so sein. Ein kleiner, aber eben entscheidender Unterschied, den man auch bei geplanten Therapien für Prionenerkrankungs unbedingt berücksichtigen sollte: Würde man zur Abschirmung des PrPC gedachte Antikörper einsetzen, die dabei aber fatalerweise die eigentlich normalen Prionen quervernetzten, so hätte man den Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben. Auch ganz ohne Zutun des krank machenden PrPSc resultierten als Nebeneffekt dann typische spongiforme Gewebeschädigungen.
Die Akte kann also längst nicht geschlossen werden. Und vielleicht, so die Forscher, ist alles noch ganz anders. Denn alle Beobachtungen könnten auch dadurch erklärt werden, dass PrPC-Prionen normalerweise als Glieder eine Nachrichtenkette dienen, die etwa für die rechtzeitige Einleitung des zellulären Selbstmordes verantwortlich sein könnte. Krankhaft veränderte Prionen würden dann ein bislang unerkannt gebliebenes, weiterleitendes Signalmolekül vielleicht nicht mehr aktivieren können – und so die rechtzeitige Selektion kranker Zellen verhindern, mit der die Prionenkrise vom Körper in den Griff zu bekommen wäre. Ein Signalmolekül fast wie der krimitypische "große Unbekannte", den alle Angeklagten irgendwann aus dem Hut zaubern. Fortsetzung folgt.
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