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Donald Trump: Klima geschädigt, Virus gestärkt, Volk geschwächt

US-Präsident Donald Trump unterschätzt das Coronavirus. Er hat Umweltvorschriften zurückgenommen und Experten entlassen. Damit schadet er der Forschung. Nachhaltig. Denn selbst Joe Biden als Amtsträger würde nur wenig wieder gut machen können.
US-Präsident Donald Trump schadet der Wissenschaft nachhaltig.

Tausende von Menschen drängen sich zusammen, viele davon in Rot, Weiß und Blau gekleidet und mit Schildern mit der Aufschrift »Vier weitere Jahre« und »Make America Great Again«. Sie sind hier, um ein Statement abzugeben während der Pandemie. Das tun sie schon allein mit ihrem Auftreten: Schulter an Schulter ohne Masken in einem fensterlosen Lagerhaus, als gäbe es das Coronavirus nicht.

Die Kundgebung von US-Präsident Donald Trump in Henderson, Nevada, am 13. September war ein ideales Umfeld für die Ausbreitung des Coronavirus. Sie verstieß auch gegen die staatlichen Gesundheitsvorschriften, die öffentliche Versammlungen auf 50 Personen beschränken und einen angemessenen Abstand zwischen Personen erfordern. Trump wusste das und brüstete sich später damit, dass die staatlichen Behörden ihn nicht aufhalten konnten. Seit Beginn der Pandemie hat sich der Präsident durchweg ähnlich verhalten und sich geweigert, den grundlegenden Gesundheitsrichtlinien des Weißen Hauses zu folgen, das nun selbst im Zentrum eines großen Ausbruchs steht. Der Präsident verbrachte drei Tage in einem Krankenhaus, nachdem er positiv auf Covid-19 getestet worden war, und wurde am 5. Oktober entlassen.

Trumps Aktionen – und die seiner Mitarbeiter und Unterstützer – sollten niemanden überraschen. Seit März 2020 hat der Präsident der Vereinigten Staaten die Gefahren des neuartigen Coronavirus verharmlost und die Bemühungen für seine Eindämmung untergraben. In einem Interview räumte er gar ein, die virale Bedrohung zu Beginn der Pandemie absichtlich falsch dargestellt zu haben. Trump hat Masken und Regelungen zum Social Distancing öffentlich nicht ernst genommen und gleichzeitig die Menschen dazu ermutigt, gegen die Lockdowns zu protestieren.

»Das ist nicht nur Unfähigkeit, sondern auch Sabotage«
Epidemiologe Jeffrey Shaman

Seine Regierung hat Wissenschaftler, die das Virus und Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie erforschen, unterdrückt und zensiert. Regierungsverantwortliche haben die amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC) und die Food and Drug Administration (FDA) zu politischen Instrumenten gemacht, indem sie die Behörden angewiesen haben, ungenaue Informationen bis hin zu falschen Gesundheitsempfehlungen herauszugeben und unerforschte, potenziell schädliche Behandlungen für Covid-19 zu propagieren.

»Das ist nicht nur Unfähigkeit, sondern auch Sabotage«, sagt Jeffrey Shaman, ein Epidemiologe an der Columbia University in New York City, der die Entwicklung der Pandemie per Computer simuliert und gezeigt hat, wie frühzeitige Interventionen in den Vereinigten Staaten Leben hätten retten können. »Er hat die Bemühungen für die Sicherheit der Menschen sabotiert.«

Mehr als 200 000 Tote

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. In den Vereinigten Staaten, einer der international führenden Nationen, wenn es um Ressourcen für Wissenschaft und Wirtschaft geht, sind mehr als sieben Millionen Menschen an Covid-19 erkrankt und mehr als 200 000 gestorben – mehr als in jedem anderen Land; hier verzeichnet man auch mehr als ein Fünftel der weltweiten Todesopfer. Und das, obwohl in den Vereinigten Staaten nur 4 Prozent der Weltbevölkerung leben.

Wie entwickelt sich die Pandemie? Welche Varianten sind warum Besorgnis erregend? Und wie wirksam sind die verfügbaren Impfstoffe? Mehr zum Thema »Wie das Coronavirus die Welt verändert« finden Sie auf unserer Schwerpunktseite. Die weltweite Berichterstattung von »Scientific American«, »Spektrum der Wissenschaft« und anderen internationalen Ausgaben haben wir zudem auf einer Seite zusammengefasst.

Die Verantwortung von Präsident Trump für die Todesfälle und Ausbreitung der Pandemie im ganzen Land zu quantifizieren, ist schwierig. Auch andere wohlhabende Länder hatten Mühe, die Verbreitung des Virus einzudämmen: Großbritannien beipielsweise weist eine ähnliche Zahl von Todesfällen auf wie die Vereinigten Staaten im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung.

Shaman betont, dass die Mehrheit der US-Todesfälle hätte verhindert werden können, wenn die Verantwortlichen früher gehandelt hätten. Viele Experten machen Trump dafür verantwortlich – auch Olivia Troye, die Mitglied der Coronavirus-Task Force des Weißen Hauses war. Sie sagte im September, dass der Präsident wiederholt die Bemühungen zur Eindämmung des Virus zunichtegemacht und sich stattdessen auf seine eigene politische Kampagne konzentriert habe.

»Ich habe noch nie einen so orchestrierten Krieg gegen die Umwelt oder die Wissenschaft gesehen«
Christine Todd Whitman, ehemalige EPA-Leiterin

Trumps Reaktionen auf Covid-19 sind nur ein Beispiel von vielen, die zeigen, wie er der Wissenschaft in den vergangenen vier Jahren geschadet hat, mit Auswirkungen auf das Leben der Bürger. Der Präsident und seine Beauftragten haben auch die Bemühungen zur Eindämmung der Treibhausgasemissionen untergraben, die Vorschriften zur Begrenzung der Umweltverschmutzung abgeschwächt und die Rolle der Wissenschaft bei der US-Umweltschutzbehörde EPA geschwächt.

In vielen Behörden hat seine Regierung die wissenschaftliche Integrität untergraben, indem sie zur Unterstützung politischer Entscheidungen Beweise unterdrückt oder verzerrt hat. »Ich habe noch nie einen so orchestrierten Krieg gegen die Umwelt oder die Wissenschaft gesehen«, sagt Christine Todd Whitman, die unter dem ehemaligen republikanischen Präsidenten George W. Bush die EPA leitete.

Trump hat auch die Position Amerikas auf der Weltbühne durch isolationistische Politik und Rhetorik untergraben. Durch seine abweisende Immigrationspolitik hat er die Vereinigten Staaten weniger einladend für ausländische Studenten und Forscher gemacht. Und indem er sich mit internationalen Vereinigungen wie der Weltgesundheitsorganisation schlecht gestellt hat, hat Trump Amerikas Fähigkeit geschwächt, auf globale Krisen zu reagieren.

Vertrauen der Bevölkerung erschüttert

Während seiner gesamten Regierungszeit hat der Präsident Chaos verbreitet und Ängste instrumentalisiert, um seine politische Agenda voranzutreiben und seine Gegner zu diskreditieren. In Dutzenden von Interviews des Magazins »Nature« haben Forscher diesen Punkt als besonders beunruhigend hervorgehoben, weil er das Vertrauen der Öffentlichkeit in Fakten entwertet, die sowohl der Wissenschaft als auch der Demokratie zu Grunde liegen.

»Das ist in vielerlei Hinsicht erschreckend«, sagt Susan Hyde, Politikwissenschaftlerin an der University of California in Berkeley, die den Aufstieg und Fall von Demokratien untersucht. »Es ist sehr beunruhigend, wenn die grundlegende Funktionsweise der Regierung angegriffen wird, besonders wenn einige dieser Funktionen für unsere Überlebensfähigkeit entscheidend sind.«

Trump kann auch einige positive Entwicklungen in Wissenschaft und Technologie vorweisen. Obwohl er beides nicht zur Priorität gemacht hat (es dauerte 19 Monate, bis er einen wissenschaftlichen Berater ernannte), hat seine Regierung darauf gedrängt, Astronauten auf den Mond zurückzubringen; und sie hat der Entwicklung in Bereichen wie künstliche Intelligenz und Quantencomputer Vorrang gegeben. Im August kündigte das Weiße Haus neue Mittel in Höhe von über einer Milliarde US-Dollar für diese und andere Innovationen an.

Was lässt sich wieder reparieren, wenn Trump verliert?

Aber viele Wissenschaftler und auch ehemalige Regierungsbeamte sehen diese Beispiele als Ausreißer in einer Präsidentschaft, die die Wissenschaft abgewertet hat. Ein großer Teil des Schadens für die Wissenschaft – einschließlich der Änderungen wichtiger Vorschriften sowie abgebrochener internationaler Partnerschaften – kann und wird wahrscheinlich repariert werden, wenn Trump im November die Wahl verliert. In diesem Fall werden die USA und die Welt wertvolle Zeit verloren haben, um unter anderem den Klimawandel und die Ausbreitung des Virus zu begrenzen. Aber der Schaden für die wissenschaftliche Integrität, das öffentliche Vertrauen und das Ansehen der Vereinigten Staaten könnte weit über Trumps Amtszeit hinaus andauern, sagen Wissenschaftler und Politikexperten.

Während sich die Wahl nähert, hat »Nature« einige der Schlüsselmomente protokolliert, in denen der Präsident der amerikanischen Wissenschaft am meisten geschadet hat. Zudem beantworten wir die Frage, wie dies die Vereinigten Staaten – und die Welt – in den kommenden Jahren schwächen könnte, unabhängig davon, ob Trump gegen seinen Gegner Joe Biden gewinnt oder verliert.

Klima geschädigt

Trumps Angriff auf die Wissenschaft begann schon vor seinem Amtsantritt. In seinem Präsidentschaftswahlkampf 2016 nannte er den Klimawandel einen Schwindel und schwor, die Nation aus dem Pariser Klimaabkommen von 2015 herauszunehmen, das von mehr als 190 Ländern unterzeichnet wurde. Weniger als fünf Monate nach seinem Einzug ins Weiße Haus kündigte er an, dass er dieses Versprechen einlösen werde.

»Ich wurde gewählt, um die Bürger von Pittsburgh und nicht von Paris zu vertreten«, sagte Trump und argumentierte, dass das Abkommen Arbeitsplätze koste und die Wirtschaft behindere, um »Lob« von ausländischen Führern und globalen Aktivisten zu gewinnen. Durch den Rückzug der Vereinigten Staaten aus dem Abkommen und den Rückzug bei den Klimaverpflichtungen hat Trump auch den Handlungsdruck auf andere Länder verringert, sagt David Victor, Politikwissenschaftler an der University of California, San Diego. »Länder, die sich am Pariser Prozess beteiligen mussten – denn das gehörte dazu, um ein angesehenes Mitglied der Weltgemeinschaft zu sein – spüren diesen Druck nicht mehr.

Nachdem Trump seine Entscheidung über das Pariser Abkommen bekannt gegeben hatte, machten sich seine Beauftragten bei der EPA daran, die unter dem ehemaligen Präsidenten Barack Obama eingeführte Klimapolitik abzubauen. Ganz oben auf der Liste standen zwei Verordnungen, die auf die Treibhausgasemissionen von Kraftwerken und Autos abzielten. In den vergangenen 15 Monaten hat die Trump-Administration beide Regelungen ausgedünnt und durch schwächere Standards ersetzt, die der Industrie Geld sparen – und wenig zur Reduzierung der Emissionen beitragen.

Sogar Autohersteller wehren sich

In einigen Fällen erhob sogar die Industrie Einwände: Die Bemühungen der Regierung führten zu Einwänden von mehreren Autoherstellern, wie Ford und Honda, die im vergangenen Jahr eine separate Vereinbarung unterzeichneten, um einen Standard beizubehalten. In jüngerer Zeit widersetzten sich Energieriesen wie Exxon Mobil und BP dem Versuch der Regierung, die Vorschriften abzuschwächen, die Öl- und Gasunternehmen verpflichten, den Ausstoß von Methan zu begrenzen.

Nach einer Schätzung der Rhodium Group, einem Beratungsunternehmen mit Sitz in New York City, könnten die Rollbacks der Regierung die Emissionen bis 2035 um umgerechnet 1,8 Milliarden Tonnen Kohlendioxid steigern – etwa das Fünffache der jährlichen Emissionen des Vereinigten Königreichs. Obwohl diese Maßnahmen von den Gerichten oder einer neuen Regierung aufgehoben werden könnten, hat Trump dem Land und dem Planeten wertvolle Zeit geraubt.»Die Trump-Ära war wirklich eine schreckliche, schreckliche Zeit für diesen Planeten«, sagt Leah Stokes, eine klimapolitische Forscherin an der University of California, Santa Barbara.

»Die Trump-Ära war wirklich eine schreckliche, schreckliche Zeit für diesen Planeten«
Leah Stokes, klimapolitische Forscherin

Die Trump-Administration hat die Papiere für den Ausstieg aus dem Pariser Abkommen 2019 formell eingereicht, und der Rückzug der USA wird am 4. November, einen Tag nach den Präsidentschaftswahlen, offiziell werden. Die meisten Nationen haben angekündigt, auch ohne die Vereinigten Staaten dabei zu bleiben. Die Europäische Union hat bereits dazu beigetragen, die Führungslücke zu füllen, indem sie die Nationen drängte, ihre Bemühungen zu verstärken. Das tat China am 22. September 2020, als es ankündigte, bis 2060 kohlenstoffneutral zu werden. Biden hat versprochen, dem Abkommen wieder beizutreten, wenn er gewinnt, aber es könnte für die Vereinigten Staaten schwierig sein, den internationalen Einfluss wiederzuerlangen, den sie unter Obama hatten.

»Der Wiedereintritt in das Abkommen von Paris ist einfach«, sagt Victor. »Die eigentliche Frage ist die Glaubwürdigkeit: Wird der Rest der Welt glauben, was wir sagen?«

Krieg gegen die Umwelt

Trump hat nicht nur Regeln und Gesetze geändert. Bei der EPA hat seine Regierung zudem versucht, Wissenschaftler daran zu hindern, weiterhin bei Entscheidungen im Bereich der öffentlichen Gesundheit zu beraten. Das Ausmaß der Bedrohung wurde am 31. Oktober 2017 – an Halloween – deutlich, als der damalige EPA-Administrator Scott Pruitt eine Verfügung unterzeichnete, die es Wissenschaftlern mit aktiven EPA-Forschungsstipendien verbot, in den wissenschaftlichen Beratungsgremien der Agentur mitzuarbeiten. Dadurch wurde es für die Personen mit der größten Fachkompetenz schwieriger, der Agentur bei der Bewertung der Vorschriften für Wissenschaft und Handwerk zu helfen. Die Anordnung erleichterte es den Wissenschaftlern aus der Industrie, die akademischen Forscher zu ersetzen, die gezwungen wären, entweder ihre Stipendien aufzugeben oder zurückzutreten.

»Das war, als ich sagte: Oh mein Gott, so sieht deren Lösung aus«, sagt John Bachmann, der mehr als drei Jahrzehnte im Luftqualitätsprogramm der EPA verbrachte und jetzt in einer Gruppe pensionierter EPA-Mitarbeiter aktiv ist, die sich formiert hat, um für Wissenschaftler und wissenschaftliche Integrität in der Behörde einzutreten. »Es geht nicht nur darum, dass sie ihre eigenen Ansichten haben, sondern auch darum, dass sie dafür sorgen werden, dass ihre Ansichten im Prozess mehr Gewicht erhalten«.

Die Anordnung von Pruitt, die schließlich von einem Bundesrichter aufgehoben werden sollte, war Teil eines umfassenderen Bestrebens, die Fluktuation zu beschleunigen und neue Personen in die Gremien zu berufen. Und das war erst der Anfang. Im April 2018 legte Pruitt eine Vorschrift auf zur »Transparenz der Wissenschaft«, um die Möglichkeit der Agentur einzuschränken, nicht öffentlich zugängliche Daten und Modelle Forschern zur Verfügung zu stellen. Diese Regel könnte einige der wichtigsten epidemiologischen Forschungen behindern; etwa zu der Frage, inwiefern Feinstaub tödliche Auswirkungen hat, da ein Großteil der zu Grunde liegenden Patientendaten durch Datenschutzvorschriften geschützt sind. Kritiker sagen, dass diese Politik darauf abzielte, Zweifel an der Wissenschaft zu wecken und es einfacher zu machen, schwache Luftverschmutzungsstandards zu verfolgen.

»Nicht auf die Wissenschaft zu hören und Umweltvorschriften zurückzunehmen, kostet die Amerikaner das Leben«
Francesca Dominici, Epidemiologin

Pruitt trat im Juli 2018 zurück, aber der Trend bei der EPA hält an. Unter ihrem neuen Verwalter, Andrew Wheeler, hat die Behörde ihre Bemühungen um eine Schwächung der Vorschriften für Chemikalien in der Wasser- und Luftverschmutzung beschleunigt. Whitman, der frühere EPA-Chef, sagt, es sei nichts Falsches daran, Regulierungsentscheidungen früherer Verwaltungen zu überdenken und den Kurs zu ändern. Aber Entscheidungen sollten auf einer soliden wissenschaftlichen Analyse beruhen, sagt er. »Das sehen wir bei dieser Administration nicht so.«

Eine der größten Entscheidungen, die in letzter Zeit bei der EPA getroffen wurden, betraf das Luftqualitätsprogramm. Am 14. April 2020, mitten in der Covid-19-Pandemie, schlug die EPA vor, die derzeitigen Standards für Feinstaubverschmutzung beizubehalten, trotz der Ratschläge von Wissenschaftlern, die sich mit überwältigender Mehrheit für strengere Vorschriften ausgesprochen haben.

»Es ist verheerend, völlig verheerend«, sagt Francesca Dominici, Epidemiologin an der Harvard University in Boston, Massachusetts, deren Gruppe feststellte, dass eine Verschärfung der Standards jedes Jahr Zehntausende von Leben retten könnte. »Nicht auf die Wissenschaft zu hören und Umweltvorschriften zurückzunehmen, kostet die Amerikaner das Leben«.

Pandemie-Probleme

Die Coronavirus-Pandemie hat die Gefahren des Ignorierens von Wissenschaft und Beweisen ins Blickfeld gerückt, und eines ist jetzt klar: Der Präsident der Vereinigten Staaten hat verstanden, dass das Virus eine große Bedrohung für das Land zu Beginn des Ausbruchs darstellte, und sich entschieden, das zu leugnen.

In einem Gespräch mit dem Journalisten der »Washington Post«, Bob Woodward, am 7. Februar, als nur zwölf Personen in den Vereinigten Staaten positiv auf das Coronavirus getestet worden waren, beschrieb Trump ein Virus, das fünfmal tödlicher ist als selbst die »anstrengendste Grippe«. »Das ist tödliches Zeug«, sagte Trump in dem aufgezeichneten Interview, das erst im September veröffentlicht wurde.

In der Öffentlichkeit präsentierte der Präsident jedoch eine ganz andere Botschaft. Am 10. Februar sagte Trump seinen Anhängern bei einer Kundgebung, sie sollten sich keine Sorgen machen. Das Virus werde im April, wenn die Temperaturen sich erwärmen, »auf wundersame Weise verschwinden«. »Das ist wie eine Grippe«, sagte er auf einer Pressekonferenz am 26. Februar. In einem Fernsehinterview eine Woche später: »Es ist sehr mild.«

In einem weiteren aufgezeichneten Interview mit Woodward am 19. März sagte Trump, er habe das Risiko von Anfang an heruntergespielt. »Ich spiele es immer noch gerne herunter, weil ich keine Panik auslösen möchte«, sagte Trump.

Kapitol in Washington | Vom Weißen Haus geht derzeit eine wissenschaftsfeindliche Politik aus.

Nachdem die Bänder veröffentlicht worden waren, verteidigte Trump sich und argumentierte, dass er das von dem Virus ausgehende Risiko, wenn überhaupt, »hochgespielt« habe. Gesundheitsexperten sagen jedoch, dass der Präsident die Öffentlichkeit gefährdete, indem er die vom Virus ausgehende Gefahr falsch darstellte.

Die ganze Zeit über habe die Virusübertragung im ganzen Land zugenommen. Anstatt die Macht und die Ressourcen der Bundesregierung zur Eindämmung des Virus durch ein umfassendes Test- und Kontaktverfolgungsprogramm zu bündeln, schob die Trump-Regierung das Problem auf Städte und Bundesstaaten ab, in denen es auf Grund der Politik und fehlender Ressourcen unmöglich war, Ansteckungen zu verfolgen oder den Bürgern genaue Informationen zur Verfügung zu stellen. Und als Beamte Anfang März damit begannen, Geschäfte und Schulen zu schließen, kritisierte Trump sie für ihr Handeln.

»Letztes Jahr starben 37 000 Amerikaner an der gewöhnlichen Grippe«, twitterte er am 9. März. »Nichts wurde geschlossen, das Leben und die Wirtschaft liefen normal weiter.« Innerhalb eines Monats hatte die Zahl der Coronavirus-Toten in den USA 21 000 überschritten, und die Pandemie war in vollem Gange und tötete täglich etwa 2000 Amerikaner.

Shaman und seine Kollegen in Kolumbien haben untersucht, wie die Pandemie verlaufen wäre, wenn das Land früher gehandelt hätte. Sie entwickelten ein Modell, mit dem sie nachvollziehen konnten, was in den Vereinigten Staaten von Februar bis Anfang Mai geschah, als staatliche und lokale Regierungen in dem Bemühen, die Ansteckung einzudämmen, Unternehmen und Schulen schlossen. Dann stellten sie die Frage: Was wäre passiert, wenn alle eine Woche zuvor genau dasselbe getan hätten?

35 000 Leben hätten gerettet werden können

Ihre vorläufigen Ergebnisse, die am 21. Mai 2020 als Vorabdruck veröffentlicht wurden, legen nahe, dass rund 35 000 Leben hätten gerettet werden können, was mehr als die Hälfte der Todesopfer seit dem 3. Mai bedeutet hätte. Wäre die gleiche Maßnahme zwei Wochen früher ergriffen worden, hätte diese Zahl der Todesopfer um fast 90 Prozent gesenkt werden können. Eine Reduzierung der anfänglichen exponentiellen Explosion in den Fällen hätte mehr Zeit für die Einführung von Tests und die Bewältigung der unvermeidlichen Ausbrüche mit gezielten Programmen zur Kontaktverfolgung gewonnen. »Es gibt keinen Grund auf der Erde, dass dies geschehen musste«, sagt Shaman. »Wenn wir uns früher zusammengerauft hätten, hätten wir es viel besser machen können.

Gerardo Chowell, ein Computerepidemiologe an der Georgia State University in Atlanta, sagt, dass die Studie von Shaman eine grobe Annäherung liefert, wie ein früheres Handeln den Verlauf der Pandemie verändert hätte: auch wenn es schwierig ist, genaue Zahlen zu nennen, da es an Daten vom Beginn der Pandemie mangelt; und weil es nicht einfach ist, eine Krankheit zu modellieren, die die Wissenschaftler noch zu verstehen versuchen. Trump reagierte öffentlich auf die Columbia-Studie, indem er sie als »politische« Studie einer »sehr liberalen Institution« abtat.

Die Botschaft kontrollieren, nicht das Virus

Angesichts der im freien Fall befindlichen Wirtschaft und der steigenden Zahl der Todesopfer richtete Trump seine Kritik zunehmend auf China. Der Präsident unterstützte eine unbegründete Theorie, nach der das Virus aus einem Labor in Wuhan stammen könnte, und argumentierte, dass internationale Gesundheitsbehörden China geholfen hätten, den Ausbruch in den frühesten Tagen der Pandemie zu vertuschen. Am 29. Mai machte er seine Drohungen wahr und kündigte an, dass er die Vereinigten Staaten aus der Weltgesundheitsorganisation herausziehen werde – ein Schritt, der nach Ansicht vieler die Fähigkeit des Landes schwächte, auf globale Krisen zu reagieren, und seine Wissenschaft isolierte.

Für viele Experten war dies ein weiteres kontraproduktives politisches Manöver eines Präsidenten, der mehr an der Kontrolle der Botschaft als am Virus interessiert war. Und am Ende scheiterte er in beiden Punkten. Die Kritik nahm zu, als sich Covid-19 immer weiter verbreitete. »Das Virus reagiert nicht auf Meinungen«, sagt Tom Frieden, der unter Obama die CDC leitete. »Das Virus reagiert auf wissenschaftsgetriebene Politik und Programme.«

Während die Pandemie voranschritt, widersprach der Präsident weiterhin den Warnungen und Ratschlägen von Regierungswissenschaftlern und forderte die Wiedereröffnung von Schulen. Im Juli erteilten Frieden und drei weitere ehemalige CDC-Direktoren in einem Gastbeitrag in der »Washington Post« eine scharfe Rüge, wobei sie sich auf beispiellose Versuche von Trump und seiner Regierung beriefen, den Rat von Beamten des öffentlichen Gesundheitswesens zu untergraben.

»Jeder fragt sich: ›Werde ich der Entscheidung der Food and Drug Administration über den Impfstoff vertrauen können‹. Die Tatsache, dass die Leute diese Frage überhaupt stellen, ist ein Beweis dafür, dass Trump die Behörde bereits untergraben hat«
Ezekiel Emanuel, Bioethiker

Ähnliche Bedenken sind bei der FDA aufgekommen, die einen eventuellen Impfstoff genehmigen muss. Am 29. September 2020 verfassten sieben ehemalige FDA-Beauftragte einen weiteren Leitartikel in der »Washington Post«; darin äußern sie Bedenken über die Interventionen von Trump und dem Sekretär des Gesundheitsministeriums (Department of Health and Human Services, HHS), Alex Azar, über eine Entscheidung, die von Regierungswissenschaftlern unterstützt werden soll.

Diese Art der politischen Einmischung untergräbt nicht nur die Reaktion des öffentlichen Gesundheitswesens, sondern könnte letztlich auch das Vertrauen der Öffentlichkeit in einen möglichen Impfstoff beschädigen, sagt Ezekiel Emanuel, Bioethiker und Vizeprofessor für globale Initiativen an der Universität von Pennsylvania in Philadelphia. »Jeder fragt sich: ›Werde ich der Entscheidung der Food and Drug Administration über den Impfstoff vertrauen können‹«, sagt Emanuel. »Die Tatsache, dass die Leute diese Frage überhaupt stellen, ist ein Beweis dafür, dass Trump die Behörde bereits untergraben hat«.

Elias Zerhouni, der unter dem früheren Präsidenten Bush von 2002 bis 2008 die National Institutes of Health der USA leitete, sagt, die Trump-Administration habe es versäumt, das Coronavirus zu kontrollieren, und versuche nun, die Regierungsbehörden zu zwingen, ihr Prestige zu nutzen und die Wissenschaft zu manipulieren, um Trumps Kampagne zu unterstützen. »Sie verstehen die Wissenschaft nicht wirklich«, sagt Zerhouni über Trump und seinen Mitarbeiter. »Das ist die Ablehnung jeder Wissenschaft, die nicht zu ihren politischen Ansichten passt.«

Das Weiße Haus und die EPA reagierten nicht auf Nachfragen für diesen Artikel. Das amerikanische Gesundheitsministerium HHS gab eine Erklärung ab, in der es hieß: »Das HHS hat stets Informationen zur öffentlichen Gesundheit auf der Grundlage solider wissenschaftlicher Erkenntnisse bereitgestellt. Während der gesamten Reaktion auf Covid-19 haben Wissenschaft und Daten die Entscheidungen bei HHS bestimmt.«

Isolationistische Wissenschaft

Am 24. September gab das US-Heimatschutzministerium eine neue Regel bekannt, um die Aufenthaltsdauer internationaler Studenten in den Vereinigten Staaten zu beschränken. Die Regel würde das Visum für die meisten Studenten auf vier Jahre begrenzen und danach eine Verlängerung erfordern. Für Studenten aus Dutzenden von Ländern, die als risikoreich gelten, sollte ein Zwei-Jahre-Limit gelten, einschließlich der Länder, denen die USA eine staatliche Förderung von Terrorismus vorwirft: Irak, Iran, Syrien und die Demokratische Volksrepublik Korea.

Obwohl noch nicht klar ist, welche Auswirkungen diese Regelung haben könnte, befürchten viele Wissenschaftler und Politikexperten, dass eine solche Einwanderungspolitik einen nachhaltigen negativen Einfluss auf die amerikanische Wissenschaft haben könnte. »Sie könnte die USA in einen enormen, enormen Wettbewerbsnachteil bringen«, sagt Lizbet Boroughs, stellvertretende Vizepräsidentin der Association of American Universities in Washington, D. C., einer Gruppe, die 65 Institutionen vertritt.

Es passt zu früher eingeführten Reisebeschränkungen, die es Ausländern aus bestimmten Ländern – darunter auch Wissenschaftlern – erschwert haben, die Vereinigten Staaten zu besuchen, dort zu studieren und zu arbeiten. Diese Politik stellt eine deutliche Abkehr zum Verhalten früherer Regierungen dar, die sich aktiv um Talente aus anderen Ländern bemüht haben, um Labors zu füllen und wissenschaftliche Innovationen voranzutreiben.

Forscher befürchten, dass der jüngste Vorschlag die Vereinigten Staaten für ausländische Wissenschaftler noch unattraktiver machen wird. Wenn die besten und klügsten Studenten in andere Länder gehen, wird die Wissenschaft in den USA darunter leiden, sagt Emanuel. »Ich fürchte um das Land.«

Hätte Biden die Chance, den Ruf der USA zu retten?

Die Regel gibt einen Vorgeschmack darauf, wie eine zweite Regierungszeit mit Trump aussehen könnte, und zeigt die nicht greifbaren Auswirkungen auf die US-Wissenschaft auf, die selbst dann andauern könnten, wenn Biden im November gewinnen sollte. Biden könnte einige der Regulierungsentscheidungen der Trump-Administration rückgängig machen und sich wieder internationalen Organisationen anschließen, aber es könnte einige Zeit dauern, bis der Schaden für den Ruf der Vereinigten Staaten behoben ist.

James Wilsdon, ein wissenschaftspolitischer Forscher an der University of Sheffield, Großbritannien, vergleicht die Situation der USA unter Trump mit dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union und meint, dass beide Länder Gefahr laufen, international an Einfluss zu verlieren. »Soft Power wird in hohem Maße von der Wahrnehmung und dem Ruf bestimmt«, sagt Wilsdon. »Dies sind im Grunde die immateriellen Vermögenswerte des Wissenschaftssystems in der internationalen Arena«, so Wilsdon. Ob oder wie schnell sich das in einem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit bei der Anwerbung internationaler Wissenschaftler und Studenten niederschlägt, sei unklar.

An der innenpolitischen Front befürchten viele Wissenschaftler, dass die zunehmende Polarisierung und der Zynismus noch jahrelang anhalten könnten. Das würde es den Regierungsbehörden erschweren, eine wissenschaftsbasierte Politik voranzubringen und eine neue Generation heranzuziehen, die viele der leitenden Wissenschaftler und Beamten ersetzt, welche sich entschieden haben, unter Trump in den Ruhestand zu gehen.

»Unter Trump haben die politisch Ernannten die Autorität, die Wissenschaft jederzeit außer Kraft zu setzen, wenn sie nicht mit ihrer politischen Agenda übereinstimmt«
Andrew Rosenberg, Leiter des Zentrums für Wissenschaft und Demokratie bei der Union of Concerned Scientists

Es wird nicht einfach sein, die wissenschaftliche Integrität in Behörden wiederherzustellen, in denen Regierungswissenschaftler an den Rand gedrängt und zensiert wurden, sagt Andrew Rosenberg. Er leitet das Zentrum für Wissenschaft und Demokratie bei der Union of Concerned Scientists, einer Interessenvertretung mit Sitz in Cambridge, Massachusetts, die unter Trumps Amtszeit mehr als 150 Angriffe auf die Wissenschaft dokumentiert hat. »Unter Trump haben die politisch Ernannten die Autorität, die Wissenschaft jederzeit außer Kraft zu setzen, wenn sie nicht mit ihrer politischen Agenda übereinstimmt«, sagt Rosenberg. »Man kann das rückgängig machen, aber man muss es sehr vehement tun.«

Bei der EPA würde es zum Beispiel bedeuten, den gesamten Forschungszweig der Agentur neu aufzubauen und ihr wirkliche Macht zu geben, damit sie den Regulierungsbehörden, die politische Entscheidungen treffen, die Stirn bieten könne. Das sagt ein hochrangiger EPA-Beamter, der nicht genannt werden will, weil er nicht befugt ist, mit der Presse zu sprechen. Das Problem sei älter als Trump, es habe sich aber unter seiner Führung beschleunigt. Ohne energische Maßnahmen, so der Beamte, könnte das Büro für Forschung und Entwicklung der EPA, das Forschungsarbeiten durchführt und bewertet, welche in Regulierungsentscheidungen einfließen, seinen »langen Niedergang in die Bedeutungslosigkeit« fortsetzen.

Wenn Trump im November gewinnt, befürchten die Forscher das Schlimmste. »Die Gesellschaft könnte einige dieser Dinge nach einer Amtszeit verändern«, sagt Victor, »aber ihn erneut zu wählen, das wäre unerhört angesichts all dessen, was er getan hat. Und der Schaden wäre noch viel größer.«

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