US-Wahl: Das Trump-Experiment
Der lange Wahlkampf ums Weiße Haus ist beendet – doch für den zukünftigen US-Präsidenten Donald Trump beginnt nun erst die eigentliche Arbeit. Zwei Monate vor seiner offiziellen Amtseinführung am 20. Januar sind er und sein Team eifrig dabei, Kandidaten für die höchsten Regierungsposten zu sichten und eine Agenda für die Amtszeit zusammenzustellen. Einige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben bereits ihre Sorge über die möglichen Folgen der Trump-Präsidentschaft für die US-amerikanische Forschung geäußert.
Der designierte Präsident hat mehrfach die Glaubwürdigkeit der Klimaforschung in Frage gestellt und Impfungen mit Autismus in Verbindung gebracht. Der zukünftige Vizepräsident Mike Pence glaubt nicht an Evolution oder an den von Menschen verursachten Klimawandel. Trotzdem warnen einige Fachleute vor überstürzten Urteilen über den Umgang der neuen Regierung mit Wissenschaft und Forschung.
"Das Ergebnis ist völlig offen", sagt Tobin Smith, Vizepräsident für Wissenschaftspolitik beim Verband der Amerikanischen Universitäten in der Bundeshauptstadt Washington. "In der Vergangenheit haben schon einige Leute Wissenschaft tatkräftig unterstützt, von denen man es nicht erwartet hätte." Ein wichtiges Beispiel sei Newt Gingrich, der frühere republikanische Kongressabgeordnete des Bundesstaats Georgia, der Gerüchten zufolge eine hohe Position in der Regierung Trump in Aussicht hat.
Als Sprecher des Repräsentantenhauses in den 1990er Jahren unterstützte Gingrich den Plan, das Budget der National Institutes of Health (NIH), die einen erheblichen Teil der medizinischen Forschung in den USA finanzieren, binnen zehn Jahren zu verdoppeln. Auch seit er den Kongress verließ, sprach er sich immer wieder für Finanzspritzen an die National Science Foundation und andere US-Forschungsfinanzierer aus.
Es sei allerdings schwer, zuverlässige Schlussfolgerungen über Trumps Ansichten über Wissenschaft zu ziehen, warnen andere Fachleute. "Er äußert sich positiv über Innovation", sagt Kevin Wilson von der Amerikanischen Gesellschaft für Zellbiologie, "Aber 'Innovation' ist ein so dehnbares Wort, da passt ein ganzer Lastwagen durch. Wir wissen nicht, was das bedeutet."
Biomedizin
Trump hat bereits angekündigt, mit hoher Dringlichkeit die präsidialen Dekrete des aktuellen Präsidenten Barack Obama rückgängig zu machen. Diese betreffen eine große Bandbreite von Themen und reichen von Einwanderung bis Klimawandel. Einige biomedizinische Forscher fürchten nun, Trump könnte Obamas Erlaubnis für Experimente an menschlichen embryonalen Stammzellen rückgängig machen. "Das ist ein sehr greifbares Thema", so Wilson, "Trump könnte es an seinem ersten Amtstag kippen."
Dafür gibt es Präzedenzfälle. Mit einem eigenen Dekret über Stammzellen hob Obama im März 2009 die vom vorherigen Präsidenten erlassenen Einschränkungen dieser Forschungen auf. Der designierte Vizepräsident Pence war strikt gegen Obamas Erlass: "Es ist moralisch falsch, menschliches Leben zu erschaffen, um es für die Forschung zu zerstören", schrieb er damals in einem Zeitungsartikel.
Insgesamt hat Trump bisher allerdings kaum etwas über biomedizinische Forschung gesagt, abgesehen davon, dass er 2015 in einem Radiointerview die NIH als schrecklich bezeichnete. Mary Wooley, Präsidentin der Lobbygruppe Research!America in Arlington, Virginia, fürchtet jedenfalls, dass biomedizinische Forschung nicht zu Trumps wichtigsten Zielen gehören wird. "Vieles davon ist nicht mal besonders kontrovers", sagt sie. "Wir tendieren in diesem Land dazu, den Fortschritt für selbstverständlich zu halten."
Klimawandel
Wenn Trump seine Wahlversprechen hält, werden die Vereinigten Staaten beim Klimaschutz eine Kehrtwende machen. Der zukünftige Präsident hat die Umweltschutzbehörde EPA scharf angegriffen und will Obamas Klimaregulierungen kippen. Myron Ebell, ein bekannter "Klimaskeptiker", führt Trumps Übergangsteam für die EPA an. "Ich nehme Trump beim Wort", sagt Jeffrey Holmstead, Jurist beim Unternehmen Bracewell, das unter Präsident George W. Bush bei der EPA arbeitete, "und ich glaube nicht, dass er damit auf größere Probleme stoßen wird."
Trumps erstes Ziel ist wahrscheinlich der Clean Power Plan, mit dem Präsident Obama die Treibhausgasemissionen von Kraftwerken senken wollte und den bereits zwei Dutzend Bundesstaaten vor Gericht angefochten haben. Der Fall wird möglicherweise schon nächstes Jahr den Obersten Gerichtshof erreichen – wo Trump dann wohl die frei gewordene Position mit einem konservativen Richter besetzen wird. Das könnte das gesamte Gesetz zu Fall bringen. Es würde Trump aber ohnehin leicht fallen, die Regulierung selbst zu kippen, erklärt Holmstead.
Trumps Ankündigung, aus der Klimavereinbarung von Paris auszusteigen – was vier Jahre dauern könnte –, hinterlässt Eindruck bei den UN-Klimagesprächen in Marrakesch. Die Delegierten dort arbeiten derzeit an einem Plan zur Umsetzung der Pariser Vereinbarung. "In einer gewissen Weise sind wir noch auf der Stufe des Nicht-Wahrhaben-Wollens", erklärt Jake Schmidt, Direktor für Internationale Programme beim Natural Resources Defense Council in New York City. "Ich vermute, in den nächsten Tagen werden sich Enttäuschung und Wut einen Weg bahnen."
Schon jetzt blicken viele Staaten auf China, das die Führungsrolle übernehmen könnte. Das Land investiert zurzeit weltweit am meisten in erneuerbare Energien, weil die chinesische Regierung das gleichzeitig als Notwendigkeit und große Chance sehe, erklärt Andrew Steer vom Umwelt-Thinktank World Resources Institute in Washington. Er hofft, dass Trump irgendwann eine strikte Klimapolitik als Mittel sieht, durch das die Vereinigten Staaten im Energiebereich international wettbewerbsfähig bleiben.
Weltraum
Trump selbst hat bisher sehr wenig über Raumfahrt gesagt, aber beim Parteitag der Republikaner im Juli stand die Astronautin Eileen Collins auf der Bühne, die erste Frau, die eine Mission des Spaceshuttle kommandierte. Sie forderte die USA auf, ihren Führungsanspruch bei der Erforschung des Weltraums zu bekräftigen.
Im Oktober schrieben zwei Kampagnenberater Trumps einen Doppelkommentar in "SpaceNews", in denen sie mögliche neue Richtungen der Raumfahrtpolitik unter einem neuen Präsidenten darlegten. Beide Artikel sprachen sich dafür aus, mehr den fernen Weltraum zu erforschen und dafür weniger "politisch korrekte Umweltüberwachung" zu betreiben, wie es dort heißt. Die Erdbeobachtungsmissionen der NASA machen mehr als ein Drittel des Budgets aus; ein Posten, der in den letzten Jahren von den Republikanern im Kongress angegriffen wird. "Es ist vorstellbar, dass Trump die Erdbeobachtung der NASA aufs Korn nehmen könnte", sagt John Logsdon, ehemaliger Direktor des Space Policy Institute an der George Washington University in Washington, D. C.
Die Berater empfahlen außerdem mehr Partnerschaften mit privaten Unternehmen in der Raumfahrt. Solche Public Private Partnerships existieren bereits beim Frachttransport zur ISS, bald sollen kommerzielle Unternehmen auch Astronauten ins All bringen. Casey Dreier von der Planetary Society in Pasadena vermutet, dass die Raumfahrt während der ersten hundert Tage von Trumps Präsidentschaft keine hohe Priorität genießen wird. Dreier wird genau beobachten, ob der Kongress die Ausgaben der US-Regierung senkt. "Wenn das der Fall ist, wird das auch die NASA betreffen."
Einwanderung
Mit seinen Ankündigungen, eine Mauer an der Grenze zu Mexiko zu bauen und Moslems zeitweilig nicht in die USA einreisen zu lassen, hat Trump die nationale Einwanderungsdebatte wiederbelebt. "Wir hoffen, dass derartige Rhetorik nur Fassade war und sich dahinter etwas Hoffnungsvolles verbirgt, das pragmatischer ist und auf die betroffenen Gemeinschaften zugeht", sagt der Neurowissenschaftler Carl Saab, scheidender Vorsitzender der Gesellschaft Arabischer Neurowissenschaftler.
Trump hatte zu verschiedenen Anlässen erklärt, das Einreiseverbot solle für alle Muslime gelten und für alle Personen aus Ländern mit "Verbindungen zum islamischen Terror" – und damit scharfe Kritik von Bürgerrechtsgruppen geerntet, laut denen eine solche Regelung möglicherweise die Verfassung verletzen könne. Er hat außerdem angekündigt, mehr Menschen zu deportieren, die sich illegal im Land aufhalten, einschließlich solche, die als Kinder in die USA gekommen waren.
Einige Wissenschaftler fürchten, eine solche Maßnahme könnte die Führungsposition der USA in der Wissenschaft gefährden. Etwa fünf Prozent aller Studenten in den USA kommen aus dem Ausland, darunter mehr als 380 000 Studentinnen und Studenten der Naturwissenschaften, Ingenieurwissenschaften und Mathematik.
"Trumps Rhetorik hat vielen Einwanderern Angst eingejagt", sagt Benjamin Corb, Direktor für Öffentlichkeitsarbeit bei der Amerikanischen Gesellschaft für Biochemie und Molekularbiologie. "Ich hoffe jedenfalls, dass uns jetzt keine brillanten Geister durch eine kurzsichtige Politik verloren gehen."
Dieser Artikel erschien unter dem Titel "The ultimate experiment: How Trump will handle science" bei "Nature".
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