US-Wissenschaft: Hinter den Kulissen von Trumps geplagter Umweltbehörde
Als Donald Trump sein Amt als US-Präsident antrat, herrschte ziemlich gedrückte Stimmung auf dem größten Forschungscampus der Environmental Protection Agency (EPA), der amerikanischen Umweltschutzbehörde in Durham in North Carolina. Gleich am ersten Morgen wurden die Bilder des ehemaligen Präsidenten Barack Obama und der früheren EPA-Administratorin Gina McCarthy von den Wänden gehängt. Und die Forscher hatten auch wirklich allen Grund zur Sorge: Trump hatte während seiner Kampagne mehrmals gedroht, die EPA zu schließen, und bereits erste Schritte in diese Richtung unternommen. So war schon einige Wochen vor seinem Einzug ins Weiße Haus Scott Pruitt zum neuen Leiter der Behörde ernannt worden – ein Mann, der seine Karriere bisher damit verbracht hatte, Anklagen gegen eine Vielzahl von EPA-Vorschriften einzureichen, um diese zu blockieren.
Während Trump am 20. Januar 2017 den Amtseid leistete, Forschungsprogramms für Luft, Klima und Energie.
»Viele Kollegen hatten Angst und irgendwelche Vorahnungen. Ich dachte eher, wir könnten das einfach durchziehen«Dan Costa
In den nächsten 18 Monaten kamen ihm allerdings zunehmend Bedenken, weil die EPA mehr als jede andere wissenschaftliche Einrichtung den Attacken der Regierung ausgesetzt war. Der Präsident versuchte das Budget um fast ein Drittel zu kürzen, und Pruitts Team bemühte sich, den Einfluss der Wissenschaft auf Umweltvorschriften einzuschränken. Pruitt schloss so manche Spitzenforscher von den EPA-Beratungsgremien aus und ersetzte sie durch industriefreundlichere Kollegen. So steigerte er mehr und mehr die Macht der Konzerne auf Regularien zu Chemikalien und Schadstoffen.
Doch was bedeutet nun all dies für die mehr als 1000 EPA-Mitarbeiter? Um das herauszufinden, führte »Nature« in den letzten anderthalb Jahren Dutzende von Interviews mit derzeitigen und ehemaligen Beschäftigten der EPA. So schien sich die tägliche Arbeit für viele EPA-Forscher erst einmal kaum verändert zu haben: Sie setzten ihre Untersuchungen zur Ökologie und Toxikologie, zur Hydrologie und Luftqualität fort, um die wissenschaftliche Basis von Gesundheits- und Umweltvorschriften zu stärken.
Was aber die Stimmung der Forscher deutlich dämpft, sind die ständigen Unsicherheiten bezüglich ihrer Arbeit und die unterschwelligen Anfeindungen durch die Verwaltung. Nicht nur die Flut an Medienberichten über Budgetkürzungen, Personalabbau und die vermeintliche Aufweichung von Umwelt- und Gesundheitsvorschriften, sondern auch der schwelende Skandal um Pruitt sorgte für Unruhe. So kam Pruitt ins Kreuzfeuer, weil er Regierungsgelder verschwendet sowie sein Büro zur Suche eines lukrativen Jobs für seine Frau genutzt haben soll und auch anderweitig in Misskredit geraten war. Pruitt leugnete zwar jegliches Fehlverhalten, trat aber doch schließlich am 5. Juli 2018 zurück.
Regierung nutzt wissenschaftliche Daten
Am meisten stört die EPA-Wissenschaftler jedoch, dass die Trump-Regierung ganz systematisch und auf bisher nie da gewesene Weise die Nutzung wissenschaftlicher Daten durch die Behörde zu beeinflussen versucht. Dabei haben die Forscher das Gefühl, sie selbst und ihre Arbeiten werden von der EPA-Führung eigentlich nur ignoriert; und auch wenn Pruitt nun zurückgetreten ist und ein neuer Leiter von Trump ernannt wurde, erwarten nur wenige einen Strategiewechsel. Fürs Erste übernimmt der ehemalige Kohlelobbyist Andrew Wheeler das Amt. In ein paar Tweets zu Pruitts Rücktritt hatte Trump auch verkündet, dass Wheeler »mit unserer großartigen und dauerhaften EPA-Agenda fortfahren wird«.
In den Augen vieler Forscher könnten diese Entwicklungen die gesamte Wissenschaft untergraben und jährlich Zehntausende von Menschenleben gefährden, wenn die Vorschriften zu Schadstoffen und potenziell gefährlichen Chemikalien tatsächlich massiv reduziert werden. Zudem haben die Turbulenzen inzwischen jeden irgendwie getroffen. Die meisten haben bisher wenig Aufsehen gemacht, in der Hoffnung, die Wissenschaft würde letzten Endes schon die Oberhand behalten. Viele haben sich selbst einen Maulkorb verpasst und seitdem Wörter wie »Klima« und »globale Erwärmung« vermieden, um nur ja keine Aufmerksamkeit zu erregen. So mancher hat seinen Ruhestand hinausgezögert, damit der Betrieb der Behörde aufrechterhalten bleibt; andere haben schlicht aufgegeben.
»Es gibt jede Menge Bedenken, Ängste und Sorgen, und viele Mitarbeiter wissen einfach nicht, was sie tun sollen«Kyla Bennett
»Es gibt jede Menge Bedenken, Ängste und Sorgen, und viele Mitarbeiter wissen einfach nicht, was sie tun sollen«, erklärt Kyla Bennett, Direktorin für Wissenschaftspolitik bei der Umweltorganisation Public Employees for Environmental Responsibility (PEER) in North Easton in Massachusetts. »So etwas gab es noch nie«, sagt Bennett. Dan Costa hat eine Weile zugeschaut, wie sich die Lage immer weiter verschlechterte. Anfangs versuchte er noch, seine eigene Arbeit einfach fortzusetzen; doch seine Stimmung wurde immer gedrückter und zunehmend skeptischer. Schließlich wurde ihm klar, dass er gehen musste. »Sie handeln so ungestraft und ohne Rechenschaft ablegen zu müssen«, sagt er über die Verwaltung. »Das ist einfach ärgerlich und beängstigend.«
Die ersten 100 Tage
Zu Beginn von Trumps Präsidentschaft kam Costa noch zugute, dass er schon lange bei der EPA beschäftigt war. Als ausgebildeter Toxikologe trat er 1985 unter Präsident Ronald Reagan der EPA bei und beschäftigte sich mit den physiologischen Auswirkungen von Schadstoffen. Das war kurz nach der Amtszeit von Anne Gorsuch, einer Administratorin, die wie Pruitt streng konservativ war. Sie kürzte bereits zwischen 1981 und 1983 das Budget der EPA und fuhr den Umweltschutz stark zurück. Nach ihr ruderte die EPA laut Costa aber wieder etwas in die Gegenrichtung.
Dies sollte uns immer daran erinnern, dass die EPA als Institution stärker ist als einzelne Persönlichkeiten, hatte Costa Anfang März 2017 in einem vertraulichen Gespräch gegenüber »Nature« angemerkt. Damals war es ihm nicht erlaubt, mit der Presse zu sprechen; später stimmte er dann doch zu, die Interviews offiziell freizugeben.
Zu dieser Zeit wirbelten jede Menge Gerüchte über Zensur und drohende Budgetkürzungen die Medien auf. So manches davon war laut Dan Costa wahrscheinlich auch richtig; aber er gab zu bedenken, wie schnell solche Geschichten völlig überzogen würden. »Da gibt es nichts Schriftliches, das sind alles nur Gerüchte«, sagte er zum Thema Zensur. »Und sobald es nur unzureichende Informationen gibt, malen die Leute schnell den Teufel an die Wand.« Als ihn jüngere Wissenschaftler fragten, ob sie sich nun eine neue Stelle suchen sollten, war sein Rat schlicht und einfach: keine Panik.
Budgets der Abteilungen teilweise halbiert
Schon bald wurde aber klar, worum es der Trump-Administration ging: Am 16. März 2017 reichte sie einen Antrag ein, um den Haushalt der EPA um 31 Prozent zu kürzen und rund 3200 der 15 000 Stellen abzubauen. Zu den am stärksten betroffenen Abteilungen gehörte das Office of Research and Development (ORD), in der Costa und etwa 1100 weitere Wissenschaftler arbeiteten. Es war die größte Forschungsabteilung der EPA, die auch dazu beigetragen hatte, die fachlichen Grundlagen für moderne Umweltverordnungen in den Vereinigten Staaten zu schaffen. Unter Trump sollte ihr Budget nun fast halbiert werden, von 483 Millionen auf 250 Millionen Dollar (von etwa 413 Millionen auf 213 Millionen Euro). Die Wissenschaftler waren fassungslos.
»Das Management war auf allen Ebenen bemüht, die Mitarbeiter zu beruhigen; aber natürlich machten sich alle trotzdem Sorgen«, erklärte Lesley Mills damals gegenüber »Nature«. »Die Leute hatten sich ursprünglich der Öffentlichkeit verschrieben und fühlen sich nun als Feind behandelt«, erklärte die Biologin und Gewerkschaftsvertreterin Mills von der EPA in Narragansett in Rhode Island.
Ihr und anderen war klar, dass es niemals zu den geplanten Kürzungen kommen würde. In den USA entscheidet der Kongress über Budgetfragen, und dies auch oftmals gegen den Präsidenten. Und die Abgeordneten – darunter auch viele einflussreiche Republikaner – waren ungewöhnlich skeptisch gegenüber Trumps erstem Antrag. Und so billigte der von den Republikanern kontrollierte Kongress tatsächlich nur eine relativ geringe Budgetkürzung von einem Prozent für den Rest des Finanzjahres 2017, auch wenn die Regierung wesentlich deutlichere Einschränkungen gefordert hatte.
Wegducken auf dem March for Science
Für viele Wissenschaftler fühlte sich das wie ein Triumph an, aber Costa sah das bereits anders. Als er im April 2017 in Raleigh an einer Eröffnungsveranstaltung des March for Science teilnahm, duckten er und zwei weitere EPA-Wissenschaftler sich schon instinktiv und bedeckten ihre Gesichter mit den Händen, als sich ein Fotograf näherte. Die Wissenschaftler wollten keine Nachfragen der EPA-Leitung riskieren, erklärten sie ihnen.
Costa ermutigte auch einen aufstrebenden jungen Postdoc zu einer Bewerbung bei anderen Organisationen, weil er in den nächsten Jahren nur wenig neue Stellen bei der EPA sah. Er wusste auch von Abteilungsleitern, die jüngeren Wissenschaftlern rieten, das Wort »Klima« aus den Überschriften zu nehmen. »Das bringt nur Unruhe in der Organisation«, sagte er im Mai 2017.
Gleichzeitig bereitete Costa für sich selbst Änderungen vor. Er versuchte in aller Stille das Forschungsprogramm für Luft, Klima und Energie zu erweitern, um neue wissenschaftliche Ansätze voranzutreiben, sein Team zu schützen und die Aufmerksamkeit der oberen EPA-Ebenen zu vermeiden. Während er in Sitzungen saß und Berichte schrieb, äußerte er sich zunehmend über öffentliche Gesundheit oder die Rauchbelastung durch Waldbrände und weniger über industrielle Luftschadstoffe, auf die sich seine Projekte in der Vergangenheit konzentriert hatten. Costa sprach bei dieser Verlagerung des wissenschaftlichen Schwerpunkts von einem positiven Wandel, die seine Programme voranbringen würden, ohne seine wissenschaftliche Arbeit einzuschränken – nicht zuletzt, weil Klimawandel, Luftqualität und öffentliche Gesundheit miteinander zusammenhängen.
»Ich will mich nicht zurücklehnen und abwarten, bis die politische Leitung der EPA irgendwelche Schranken einrichtet«, sagte Costa damals. »Ich will den Platz schon einmal besetzen, bevor es von oben getan wird. Die haben nämlich keine Ahnung davon.«
Die Kluft wächst: Sommer 2017
Pruitt war ständig damit beschäftigt, die von Obama erlassenen Umweltvorschriften zurückzunehmen – einschließlich jener, die er damals als Generalstaatsanwalt in Oklahoma angefochten hatte. Am 28. März genehmigte ihm Trump die Aufhebung der wegweisenden Vorschriften zur Eindämmung der Emission von Treibhausgasen aus bestehenden Kraftwerken. Am nächsten Tag schon lehnte Pruitt es ab, ein starkes Pestizid namens Chlorpyrifos zu verbieten, für das die Forscher der EPA zuvor negative Auswirkungen auf die Gehirnentwicklung bei Kindern festgestellt hatten.
Dabei waren die Wissenschaftler nicht so sehr davon beunruhigt, dass Pruitt und Trump sich in eine andere politische Richtung bewegten als die Obama-Administration; die von der Regierung angestellten Forscher sind solche Wechsel schon gewohnt. Was sie eher störte, war das Gefühl, nicht geachtet zu sein – ganz anders als unter den vorherigen Regierungen egal welcher politischen Linie.
Mit Trump hat sich das völlig geändert. Pruitt und seine hochrangigen politischen Beauftragten – oft auch als »politicals« bezeichnet – beraten sich nur selten mit anerkannten Wissenschaftlern. Viele verblüfft das, weil doch klar sein sollte, dass jeglicher Mangel an Beratung letztlich auch Pruitts Behörde schaden kann. Seine eigenen Wissenschaftler und deren Ergebnisse völlig zu ignorieren, hieße doch auch, die EPA bei der Verteidigung gegen all die Klagen zu schwächen, die andere Staaten und Umweltgruppen unentwegt vorbringen.
»Der Klimawandel ist wie Voldemort bei Harry Potter – der, der nicht genannt werden darf«Ein leitender EPA-Mitarbeiter, der nicht genannt werden will
»Die politischen Beauftragten reden einfach nicht mit den Wissenschaftlern«, sagt ein leitender Forscher. Er und fast alle von »Nature« befragten derzeitigen EPA-Mitarbeiter wollen nicht genannt werden, weil sie nicht mit der Presse reden dürfen. »Die da oben machen, was sie wollen, und informieren uns dann einfach«, so dieser Forscher. Um sich irgendwie mit der neuen Situation zu arrangieren, suchten die Forscher nach Gemeinsamkeiten mit der Leitung, wobei beide Seiten das Thema Klimawandel umschifften, erklärte ein höherer Angestellter schon Mitte 2017. »Das ist wie Voldemort bei Harry Potter – der, der nicht genannt werden darf.«
»Manche Wochen plätschern einfach so dahin«, sagt ein anderer Wissenschaftler mittleren Ranges. Doch der Skandal sei unausweichlich, fuhr er fort, »und dann fühlt man sich für ein paar Tage wie benebelt«. Die Forscher arbeiten einfach weiter, doch irgendwie haben sie das Gefühl, dass ihre Arbeit der obersten Etage der Behörde egal ist. Ihr Austausch mit der Führung läuft fast immer über einen Mittelsmann, nämlich Richard Yamada. Er ist stellvertretender Verwaltungsassistent und bereit, Ideen nach oben zu kommunizieren, auch wenn dies in den Augen so mancher Forscher bisher öfter in rein technische oder wissenschaftliche Details abzudriften scheint.
Einmal stellte Yamada während einer Videokonferenz so seltsame Fragen, dass sich die Forscher irritiert ansahen. »Vor diesen Besprechungen hat man keine Ahnung, welche Fragen kommen.« (Die EPA kam der Bitte von »Nature« um ein Gespräch mit Yamada nicht nach, ebenso wenig nahm sie zu den Vorwürfen in diesem Artikel Stellung.)
Klimawandel-Skeptiker als Berater
Die Kluft zwischen den Wissenschaftlern und der EPA-Führung zeigte sich dann ganz eindeutig Ende Juli 2017. Damals kam die Meldung, Pruitts Team habe eine Liste mit Namen von Klimawandelskeptikern in Umlauf gebracht. Viele nahmen erst an, hiermit würden Experten für eine anstehende Debatte über die Aussagekraft der Ergebnisse aus der Klimaforschung gesucht oder vielleicht wissenschaftliche Berater. Der Antrag wurde eingereicht, als die EPA einen Fachbericht über eine Regierungsbeurteilung zur aktuellen Klimaforschung erstellte. Innerhalb und außerhalb der Organisation waren Bedenken laut geworden, dass Pruitt – der erst vier Monate zuvor den wissenschaftlichen Konsens zum Klimawandel in Frage gestellt hatte – sich zusammen mit seinen politischen Beauftragten hier einmischen könnte.
Pruitts Team ließ schließlich die wissenschaftliche Bewertung zu, Costa und andere billigten dies der Organisation auch zu. »Sie sind ermächtigt, die Bewertungen zu verlangsamen oder zu stoppen, wenn sie wollen«, sagte er damals. »Trotz aller Rhetorik ist das alles ein relativ normaler Vorgang.« Für Costa war es aber auch ein Beweis dafür, dass sich die Führung der EPA in vielerlei Hinsicht nicht wirklich um die Arbeit der Wissenschaftler kümmerte – solange sie nicht Trumps Anliegen im Weg steht, der die Vorschriften für die Industrie umkehren oder zurücknehmen möchte. Inzwischen ist auch klar, dass die Verwaltung gerade erst zu handeln begonnen hat.
Wachsende Spannungen: Herbst 2017
Am 31. Oktober 2017 – ausgerechnet an Halloween – ließ Pruitt eine Bombe in der Gemeinschaft der Wissenschaftler platzen. Er kündigte an, dass Forscher mit aktiven EPA-Anträgen im Science Advisory Board (SAB), dem wichtigsten wissenschaftlichen Beirat der EPA, wie auch im Ausschuss für Luftverordnungen nicht mehr tätig sein dürften. Diese Ausschüsse präsentieren eigentlich Peer-Review-geprüfte wissenschaftliche Ergebnisse als Grundlage für die meisten EPA-Regelungen. Mit seiner Entscheidung verhinderte Pruitt nun die Teilnahme einiger der besten Umweltwissenschaftler des Landes in entscheidenden Gremien.
Pruitt begründete sein Vorgehen mit einem deutlichen Vorwurf: Die von der EPA gewährten Forschungsgelder könnten zur Voreingenommenheit der Wissenschaftler und ihrer Stellungnahme bei der Behörde führen. Die Forscher waren schockiert: Einerseits steht diese Politik in krassem Gegensatz zu anderen Wissenschaftsbehörden wie beispielsweise der Gesundheitsbehörde NIH (National Institutes of Health), und andererseits führt eine Forschungsunterstützung aus der Industrie nicht zum Ausschluss von den EPA-Beiräten. Doch es sollten weitere Überraschungen folgen. So forderte Pruitt auch die Begrenzung der Amtszeit von Beiratsmitgliedern, was noch mehr Wissenschaftler zwingen würde, das Gremium zu verlassen, und Pruitt die Möglichkeit gäbe, Mitglieder schneller auszutauschen.
Damit sind inzwischen 18 der 44 Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats der EPA von Pruitt ernannt. Bis Ende September werden etwa zwei Drittel des Rates durch Trumps Team bestimmt sein, erklärt Christopher Zarba, der bis zu seinem Ruhestand im Februar die Aktivitäten des Vorstands leitete. Viele befürchten nun, dass damit in Zukunft noch stärker auf die Wünsche der Mächtigen in Chemie, Energie und Industrie eingegangen wird.
Zweifel am Zusammenhang Luftverschmutzung/Sterblichkeit
Besonders bezeichnend ist aber, dass Pruitt nun Michael Honeycutt zum Vorsitzenden des SAB wählte. Honeycutt ist Toxikologe bei der Texas Commission on Environmental Quality in Austin und spricht sich schon seit Langem gegen strengere Standards im Bereich Luftqualität aus. (Honeycutt sagte gegenüber »Nature«, er hoffe, auf der Grundlage seiner Arbeit als Beiratsvorsitzender beurteilt zu werden.) Zum Leiter des Clean Air Science Advisory Committee (CASAC) ernannte Pruitt noch den industriefreundlichen Berater Tony Cox, der bereits Zweifel an wissenschaftlichen Studien zum Zusammenhang von Luftverschmutzung und Sterblichkeit des Menschen geäußert hatte. Das CASAC-Komitee muss per Gesetz alle wissenschaftlichen Ergebnisse überprüfen, bevor wesentliche Standards zur Luftqualität aktualisiert werden können.
Dan Costa war inzwischen all die Angriffe auf die Wissenschaft leid. Für sein eigenes Forschungsprogramm sah er trotzdem noch Möglichkeiten, weil er sich schon seit Längerem mit dem Problem der Waldbrände beschäftigte, die einen Großteil der Feinstaubbelastung im ganzen Land verursachen, erklärt er. Anders als er hatte die EPA ihre Mittel jahrzehntelang auf den Kampf gegen die industrieverursachte Luftverschmutzung konzentriert.
»Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, wie ich mit der gegenwärtigen Situation zurechtkommen sollte«Dan Costa
Mit Trump und Pruitt im Amt sah Costa nun die Zeit für einen Wandel gekommen. Er wollte sich in Zukunft auf Waldbrandforschung fokussieren. Anfang Dezember billigte die Abteilung für Luftqualität – der Hauptkunde des Luftfahrt-Forschungsprogramms – informell Costas neue Forschungsagenda. Mit diesem kleinen Sieg in der Tasche beschloss Costa, damals 69 Jahre alt, dass es Zeit war zu gehen.
»Ich wollte das Schiff eigentlich nicht unbedingt verlassen«, sagte er. Aber mit fünf Kindern, fünf Enkelkindern, einem neuen Rasentraktor und seinem neuen Engagement als Wissenschaftsaktivist hat Costa mehr als genug, um sich ohne die EPA zu beschäftigen. »Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, wie ich mit der gegenwärtigen Situation zurechtkommen sollte.«
Am 5. Januar 2018, zwei Wochen bevor Trump sein erstes Jahr im Weißen Haus feierte, ging Costa ein letztes Mal zu seinem bisherigen Arbeitsplatz. Seine Mitarbeiter hatten schon eine Party vorbereitet – inklusive eines Beatles-Sketches. Am Ende seines letzten Tages packte Costa die restlichen Kisten zusammen, gab seinen Parkausweis zurück und fuhr nach Hause.
Pruitts Rücktritt: Frühjahr 2018
In den folgenden Monaten tauchten weitere Meldungen zu Pruitts Verfehlungen auf. Es gab Untersuchungen, Kongressanhörungen und endlose Spekulationen darüber, wie lange der umstrittene Administrator noch in der Gunst seines sprunghaften Chefs im Weißen Haus stand. Letztlich blieb Pruitt noch ein halbes Jahr auf seinem Posten – und erschütterte dabei seine Mitarbeiter noch ein zweites Mal.
So kündigte er am 24. April 2018 einen Vorschlag an, der die EPA daran hindern sollte, bisher unveröffentlichte Forschungsdaten und Methoden in ihre Entscheidungen mit einzubeziehen. Er tat dies im Namen der Transparenz, doch die Wissenschaftler und Experten wehrten sich sofort.
Das Problem ist ihrer Meinung nach, dass Datenschutzbestimmungen die Freigabe von Daten stark einschränken. So können beispielsweise Informationen aus epidemiologischen Studien im Gesundheitswesen nicht veröffentlicht werden, weil die Identität der Patienten zu schützen ist. Pruitts Antrag würde nun viele große bevölkerungsweite Studien unzugänglich machen, die bisher von der EPA angeführt wurden, um ihre Vorschriften in Sachen Luftqualität zu rechtfertigen. Nicht wenige sahen Pruitts Antrag als weiteren Versuch, die EPA von der Ausarbeitung sinnvoller Gesundheits- und Umweltvorschriften abzuhalten. In einer im April veröffentlichten Auswertung skizzierten ein paar ehemalige Beschäftigte, was gewesen wäre, wenn diese Art von Politik schon vor zwei Jahrzehnten vertreten worden wäre. Dann wäre es – laut ihrer Darstellung – damals nicht zu den bisherigen Verordnungen im Bereich Luftverschmutzung gekommen, die seitdem immerhin 50 000 Todesfälle verhindert haben.
Als Costa davon hörte, war er so verärgert, dass er sich trotz seines Ruhestands an »Nature« wandte. »Beobachten Sie das gut – das ist ein selbst gebastelter Sprengsatz, der die Behörde an ihrer Arbeit hindern soll«, schrieb er in einer SMS und setzte noch hinzu: »dieser miese Kerl«.
Einen Tag nach der Bekanntgabe der neuen Vorschrift hing am Eingang des Hauptgebäudes des Office of Research and Development (ORD) der EPA in Washington D.C. ein Plakat. Auf diesem war Pruitt bei der Unterzeichnung der neuen Vorschrift zu sehen, und die Transparenz der Wissenschaft wurde in großen Worten gepriesen. Für viele Wissenschaftler war das ein erneuter Angriff. »Ich hab dich, und du kannst nichts dagegen tun«, sagte das Plakat laut einem leitenden Wissenschaftler der EPA. »Sie wollen uns klarmachen, dass es einen neuen Sheriff in der Stadt gibt.«
»Irgendwie kommt es mir vor wie bei den Heuschrecken: Sie kommen, sie vernichten die Ernte und dann ziehen sie weiter«Dan Costa
Costa seinerseits bereut nichts. Er genießt den Sommer an einem abgelegenen Küstenabschnitt von Rhode Island, wo er schon in seiner Jugend viel Zeit verbracht hatte. Aber offensichtlich konnte er jetzt doch noch nicht ganz loslassen – vielleicht auch weil er immer noch nicht weiß, wie die Sache enden wird. »Da ist noch kein Licht am Ende des Tunnels«, gab er Ende Mai zu.
Als am 5. Juli die Meldung von Pruitts Rücktritt kam, verbummelte Costa gerade Zeit in seiner Garage. Seine Frau kam mit der Nachricht aus dem Haus gerannt, und sein Handy zeigte laufend neue Nachrichten von Freunden, seiner Familie und ehemaligen Kollegen. Costa war erleichtert, wenn nicht gar überrascht. Mit Blick auf die Zukunft hofft er, dass Wheeler – der schon Anfang der 1990er Jahre vier Jahre bei der EPA gearbeitet hatte – nicht einfach die ganze Wissenschaft und ihre Forscher ignorieren wird, auch wenn er Trumps Gefolgsmann ist.
Und nachdem Costa nun mit ehemaligen Mitarbeitern gesprochen hat, scheint er wieder Mut gefasst zu haben, nicht aufzugeben, sondern abzuwarten, bis sich die politische Lage erneut ändert und Trumps Team weggefegt wird. »Irgendwie kommt es mir vor wie bei den Heuschrecken«, sagt er. »Sie kommen, sie vernichten die Ernte, und dann ziehen sie weiter.«
Der Text ist im Original unter dem Titel Science under siege: behind the scenes at Trump's troubled environment agency am 12. Juli 2018 in »Nature« erschienen. Nature 559, S. 316-319, 2018, doi: 10.1038/d41586-018-05706-9
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