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Usbekistan: Zwei Gebirgsstädte am Rand der Seidenstraße entdeckt

Laserscans verraten, wie groß solche befestigten Siedlungen im Niemandsland werden konnten. Möglich machte es die Anbindung an die berühmte mittelalterliche Karawanenroute.
Tugunbulak aus der Luft
Für das bloße Auge ist von Tugunbulak kaum noch etwas zu erkennen. Die Stadt erstreckte sich entlang des bewuchsfreien Höhenrückens.

Zwei bisher wenig beachtete archäologische Stätten in Usbekistan haben sich als bedeutende urbane Zentren des Mittelalters entpuppt. Die Städte, bekannt unter den Namen Tashbulak und Tugunbulak, liegen auf über 2000 Meter Höhe. Mit dem bloßen Auge sind an Ort und Stelle höchstens einige schwache Hügel zu erkennen, erst aus der Luft und mit Hilfe von Lidar wurden die im Untergrund verborgenen Strukturen, darunter ein Festungsbau, am Computer sichtbar gemacht.

Dass in einer derart unwirtlichen Umgebung große Gemeinschaften gediehen, ist dem Einfluss der Seidenstraße zu verdanken, deren Routen unweit der beiden Städte durch das heutige Usbekistan führten. Die Entdeckung des wahren Ausmaßes dieser Siedlungen könnte das Verständnis von der Art und Weise verändern, wie Menschen entlang des großen Karawanenwegs lebten, schreibt das Team um Michael Frachetti von der Washington University in St. Louis in der Fachzeitschrift «Nature«.

Die beiden Ansiedlungen stammten aus einer Phase der Seidenstraße, die vom 6. bis zum 11. Jahrhundert währte. Bislang sei man davon ausgegangen, dass diese Region vor allem von Hirtennomaden bewohnt worden sei. Politisch hätten Tugunbulak und Tashbulak in das Einflussgebiet des Karachaniden-Reichs gehört, schreibt die Gruppe um Frachetti. Die Karachaniden waren eine türkische Herrscherdynastie, die vom 9. bis zum 13. Jahrhundert große Teile Zentralasiens unter ihrer Kontrolle hatte.

Tugunbulak im Lidar-Scan | Die Höhendifferenzen sind in dieser Aufnahme verstärkt worden, um die Strukturen besser sichtbar zu machen. Die schwarzen Linien sind Teil des Auswertemechanismus. Genau in der Mitte des bebauten Areals findet sich der mutmaßliche Festungsbau.

Die Städte befinden sich in nur fünf Kilometer Entfernung voneinander auf einem Bergrücken. Ihre Lage wurde bereits zwischen 2011 und 2015 identifiziert. Dank der Lidar-Technologie, die das Relief der Oberfläche zentimetergenau erfasst, konnten Frachetti und sein Forschungsteam nun Einblicke in die Struktur und Ausdehnung der beiden Städte gewinnen. Die Ergebnisse zeigen, dass Tugunbulak etwa 120 Hektar umfasst und über 300 Strukturen beherbergt, während Tashbulak eine Fläche von 12 bis 15 Hektar einnimmt. Beide Städte verfügten über ausgereifte architektonische Strukturen: Es gab Wachtürme, die Hänge waren terrassiert und in der Mitte thronte offenbar eine festungsartige Anlage, die für Verteidigungszwecke strategisch genutzt wurde. In ihrem Aufbau würden beide Orte den besser bekannten Städten entlang der Seidenstraße ähneln, etwa Samarkand, das auf seinem Höhepunkt rund doppelt so groß war wie Tugunbulak. Samarkand oder auch das ebenfalls bedeutende Buchara lagen allerdings in einer für Landwirtschaft günstigen Umgebung.

In einem Begleitkommentar in »Nature« beschreibt Zachary Silvia von der Brown University im US-amerikanischen Providence, wie sich durch die Lidar-Technologie eine Revolution in der Dokumentation antiker Landschaften ankündigt. Die Methode ist zwar schon seit 50 Jahren bekannt, wurde aber erst dank der leichten und tragbaren Drohnen allgemein verfügbar. Um zu ihren Ergebnissen zu kommen, kombinierten Frachetti und Kollegen die 3-D-Aufnahmen des Geländes mit einer halbautomatischen Auswertung, die potenziell relevante Strukturen optisch hervorhebt.

  • Quellen
Nature 2024, doi: 10.1038/s41586–024–08086–5

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