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Vaterlos: Krokodil-Nachwuchs per Jungfernzeugung

Seit 16 Jahren lebt in Costa Rica ein weibliches Krokodil allein im Zoo. Doch zum Vermehren braucht es keinen Partner: Es legte mehrere Eier, eines davon enthielt ein Krokodilbaby.
Amerikanisches Krokodil, das sich an Land sonnt.
Spitzkrokodile (Crocodylus acutus) können Körperlängen von bis zu sieben Metern erreichen, wobei die Männchen deutlich größer werden als die Weibchen.

Weibliche Krokodile können sich vermehren, ohne sich zu paaren. Das zeigen erstmals genetische Untersuchungen eines US-amerikanischen Forschungsteams, die es im Fachmagazin »Biology Letters« veröffentlichte. 2018 hatte eine in einem Zoo in Costa Rica seit 16 Jahren isoliert lebende Krokodildame (Crocodylus acutus) zwölf Eier gelegt. Eines der Eier enthielt einen vollständig entwickelten Krokodilfötus, der allerdings nicht schlüpfte und somit nicht überlebte. Die Forschenden um den Entomologen Warren Booth von der Virginia Polytechnic Institute and State University in den USA haben die DNA der Krokodilmutter und des Nachwuchses untersucht. Demnach war die DNA der beiden so ähnlich, dass der Fötus ohne Beteiligung eines Krokodilmännchens gezeugt worden sein muss.

Nachkommen per Jungfernzeugung wurden bislang bei rund 80 Wirbeltierarten beobachtet, darunter bei Eidechsen, Schlangen, Haien und Rochen sowie bei einigen Vögeln. Eine solche eingeschlechtliche Fortpflanzung bei Tieren, die sich normalerweise paaren, nennt sich fakultative Parthenogenese. Sie kommt sowohl in Gefangenschaft bei Isolation als auch in freier Wildbahn vor. Bei der sexuellen Fortpflanzung wird genetisches Material von beiden Elternteilen kombiniert, indem Eizellen und Samenzellen mit jeweils halbem Chromosomensatz verschmelzen, so dass wieder zwei Kopien eines jeden Chromosoms vorhanden sind. Bei der fakultativen Parthenogenese wird jedoch kein Spermium benötigt, trotzdem enthält der Fötus den normalen Satz an Chromosomen. Wie kann das sein? Es gibt verschiedene zelluläre Prozesse, die das ermöglichen. Beispielsweise können Eizellen, die einen halben Chromosomensatz haben, mit den so genannten Polkörpern, die bei der üblichen Eiproduktion der Eierstöcke übrig bleiben, verschmelzen. Die Nachkommen, die so erzeugt werden, sind der Mutter sehr ähnlich, aber nicht genetisch identisch. Es gibt jedoch auch andere Arten der Parthenogenese, wie die so genannte Automixis. Dabei sind die Nachkommen genetisch identische Klone der Mutter, es entstehen also nur Weibchen.

Dass die Erkenntnisse über die fakultative Parthenogenese in den vergangenen Jahren so enorm zugenommen haben, sei »zum Teil auf das gestiegene Bewusstsein für das Phänomen selbst sowie auf Fortschritte in der Molekulargenetik und Bioinformatik zurückzuführen«, schreiben die Autoren. Das Besondere an den neuen Befunden: Anders als alle anderen Wirbeltiere, bei denen bislang Fälle von fakultativer Parthenogenese dokumentiert sind, haben Krokodile keine Geschlechtschromosomen. Ihre Geschlechtsausprägung wird über die Temperatur gesteuert. Werden die Eier unter etwa 30 Grad Celsius ausgebrütet, schlüpfen aus ihnen Weibchen, bei einer Temperatur um zirka 34 Grad Celsius ausschließlich Männchen. Das werfe viele neue Fragen und Zusammenhänge auf. »Diese Entdeckung bietet spannende Einblicke in die möglichen Fortpflanzungsfähigkeiten der ausgestorbenen archosaurischen Verwandten von Krokodilen und Vögeln, vor allem von Mitgliedern der Pterosauria und Dinosauria«, schreibt das Forscherteam zudem in der Veröffentlichung. Demnach deuten die Ergebnisse darauf hin, dass auch die Vorfahren der Krokodile, die Dinosaurier, diese ungewöhnliche Möglichkeit zur Fortpflanzung besaßen.

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