Neuronales Navi: 'Vektorzellen' kodieren die Richtung zum Ziel
Im Gehirn von Flughunden sind Forscher nun auf eine Klasse von Neuronen gestoßen, die den Tieren offenbar dabei helfen, die Richtung und Entfernung zu einem Ziel zu berechnen. Das Team um Nachum Ulanovsky vom Weizmann Institute of Science im israelischen Rehovot taufte den neu entdeckten Zelltypus "Vektorzellen". Sie gehen davon aus, dass sich Neurone mit derselben oder zumindest einer sehr ähnlichen Spezialisierung auch in anderen Säugetiergehirnen finden lassen dürften – nicht zuletzt auch beim Menschen.
Die Vektorzellen stehen in einer Reihe mit bereits länger erforschten Orientierungszellen im Hippocampus, von denen die "Ortszellen" zu den bekanntesten zählen. Eine Ortszelle beginnt immer dann zu feuern, wenn sich das Tier an dem Ort befindet, auf den die Ortszelle spezialisiert ist. Eine Vektorzelle hingegen feuert immer dann, wenn sich das Ziel des Tiers in einer bestimmten Entfernung und in einer bestimmten Richtung befindet.
Ulanovsky und Kollegen horchten die Zellen des neuronalen Navigationssystems der Flughunde mit implantierten Elektroden ab. Flughunde wählten sie als Versuchstiere, weil diese groß genug sind, um die Versuchsapparatur auf dem Kopf zu tragen und trotzdem noch fliegen zu können. Die Wissenschaftler ließen die Nilflughunde (Rousettus aegyptiacus) in einer großzügigen Arena frei fliegen. In deren Mitte hatten sie auf einer Plattform eine Banane – das Lieblingsfutter der Tiere – platziert. Sie erfassten die Position der Tiere, während diese wilde Kurven flogen, und verglichen anschließend, ob die angezapften Hirnzellen an bestimmten Stellen des Raumes oder unter bestimmten Bedingungen feuerten. Dabei offenbarten sich die Vektorzellen.
Außergewöhnlich an diesen Zellen ist, dass sie ihre Spezialisierung nicht allein durch Verarbeitung von Sinnesreizen enthalten. Denn selbst wenn die Forscher das Flugziel vor den Blicken der Flughunde verbargen, zeigten die Zellen nach wie vor denselben Vektor zum Ziel an. Wo die Banane lag, mussten sich die Tiere folglich gemerkt haben. "Das legt nahe, dass die Vektorzellen auf Gedächtnisvorgängen basieren und nicht auf Prozessen der Sinneswahrnehmung", sagt Ulanovsky in "Nature". Wie genau die Komponenten des neuronalen Navigationssystems zusammenarbeiten – und ob es weitere Spezialisierungen gibt –, ist größtenteils noch unbekannt. Für die Entdeckung der Ortszellen hatten May-Britt und Edvard Moser gemeinsam mit John O'Keefe im Jahr 2014 des Nobelpreis für Physiologie oder Medizin erhalten.
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