Aerosole: Verbreitet sich Covid-19 durch die Luft?
Kann man sich mit Covid-19 anstecken, wenn man die gleiche Luft atmet wie ein Infizierter? Wie gefährlich ist es, wenn man sich beim Joggen begegnet? Darauf suchen Fachleute seit geraumer Zeit eine Antwort. Doch die Ergebnisse sind widersprüchlich. Sicher ist, dass sich das Virus über Speichel- und Schleimtröpfchen verbreitet, die beim Husten und Niesen ausgestoßen werden und sehr viele Viruspartikel enthalten.
Doch selbst beim normalen Atmen und Sprechen entstehen winzigste Speicheltröpfchen – sie sind so klein, dass sie lange in der Luft schweben können. Ein solches Aerosol könnte dann noch eingeatmet werden und ansteckend sein, wenn die erkrankte Person längst nicht mehr in der Nähe ist. Könnte. Denn bisher hat niemand nachweisen können, ob die schwebenden Tröpfchen wirklich ansteckend sind.
Einige Fachleute sind dennoch davon überzeugt, dass man sich tatsächlich über die Luft mit dem Sars-CoV-2 infizieren kann. »Nach Ansicht der Wissenschaftler, die daran arbeiten, gibt es absolut keinen Zweifel daran, dass sich das Virus über die Luft verbreitet«, sagt die Aerosolforscherin Lidia Morawska von der Queensland University of Technology in »Nature«. »Es ist offensichtlich.« Anders als bei ähnlichen Atemwegsinfektionen wie Grippe ist es allerdings trotz aller Bemühungen nicht gelungen, das bei Covid-19 nachzuweisen.
RNA macht noch kein Virus
Durch die Luft übertragen hat eine spezifische Bedeutung – es heißt, dass man sich an Tröpfchen anstecken kann, die weniger als fünf Mikrometer Durchmesser haben. Anders als größere Tröpfchen, die sich absetzen, können sich solche Aerosole in der Luft anreichern oder über weite Strecken transportiert werden. Doch enthalten sie aktive Viren?
Fachleute haben zwar schon mehrfach nachgewiesen, dass virale RNA in Aerosolen enthalten ist, zum Beispiel in der Luft von Isolierstationen, wie eine Arbeitsgruppe Anfang März zeigte. Allerdings haben solche Nachweise einen Schönheitsfehler: Die RT-PCR ist hochempfindlich und schlägt bereits an, wenn nur winzigste Mengen des Erbguts vorliegen. Infizierte produzieren und verstreuen Virus-RNA in enormen Mengen. Ob tatsächlich aktive Viren in der Probe sind – geschweige denn in ausreichender Menge für eine Infektion – kann man aus solchen Tests nicht entnehmen.
Der Versuch der beteiligten Fachleute, mit der »virushaltigen Krankenhausluft Zellkulturen zu infizieren – die einzige Möglichkeit, tatsächlich zu zeigen, dass eine Probe ansteckend ist –, scheiterte jedenfalls. Auch entsprechende Versuche, Das Virus per Atemluft zwischen Frettchen zu übertragen, scheiterten – nach Angaben der Forscher kamen Infektionen nur durch längeren Kontakt zustande.
Das reicht nach Ansicht der von der Aerosol-Ansteckung überzeugten Fachleute allerdings nicht aus, um Aerosole für sicher zu erklären: Zu viele Faktoren spielten mit hinein. Umgekehrt gestehen sie zu, dass die Hypothese vorerst wohl nicht so bald bewiesen werden kann. »Wir könnten einfach sagen, dass wir mehr Daten brauchen«, sagt Morawska. »Aber wir sollten anerkennen, wie schwierig es ist, diese Daten zu sammeln.«
Wegen dieser Unsicherheit raten Fachleute derzeit trotz der fehlenden Belege zur Vorsicht. Insbesondere raten sie dazu, Mundschutz zu tragen – obwohl die Behörden in vielen Ländern das bisher nicht ausdrücklich empfehlen. Allerdings dreht sich in einigen Ländern, darunter in Deutschland, die Stimmung pro Maskenpflicht. Das einzige Problem an der Sache: Bereits jetzt fehlen die Mundschutze in Arztpraxen und Krankenhäusern – dort wo sie am dringendsten gebraucht werden.
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