News: Verdacht entkräftet
Dennoch hat in Frankreich der Arzt Philippe Jacubowicz bis 1998 mehr als sechshundert Fälle gesammelt, bei denen nach einer Hepatitis B-Impfung Symptome auftraten, die vielfach denen von Multiplen Sklerose glichen. In England und Kanada sind jeweils hundert derartige Fälle registriert worden. In den USA sammelt Bonnie Dunbar, Biologin am Baylor College of Medicine in Houston, Texas, solche Fallgeschichten. Bei der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA sind bis 1998 ebenfalls 111 Fälle dokumentiert worden. Aber die FDA konnte nach kritischer Durchsicht der Unterlagen keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen Autoimmunkrankheiten und Impfung gegen Hepatitis-B feststellen. Eine Studie im Auftrag der französischen Regierung ergab sogar, daß unter Geimpften Multiple Sklerose seltener auftritt als unter Nicht-Geimpften. Dennoch formierten sich unter der Führung von Rechtsanwälten besonders in Frankreich, England und Kanada Gruppen von Geimpften, die ihre Autoimmunerkrankungen (zu denen Gelenkrheuma oder Multiple Sklerose gezählt werden), auf die Impfung zurückführen und Schadensersatz von den Firmen zu erlangen suchen. Experten der amerikanischen Arzneimittelbehörde, Impfstoffhersteller und Kritiker waren sich schnell einig, daß der Verdacht gegen die Impfstoffe durch epidemiologische Studien an ausreichend großen Populationen überprüft werden müsse. 1998 wurden mehrere solche Studien begonnen. Jetzt hat Frauke Zipp, Privatdozentin an der "Neurologischen Klinik" der Charité, die erste große epidemiologische Untersuchung dazu veröffentlicht (Nature Medicine, 5, 1999, S. 964-965).
Sie ging der Frage nach, ob Entmarkungserkrankungen des zentralen Nervensystems, insbesondere Multiple Sklerose, unter Geimpften überproportional häufig sind. Dazu hat Zipp Krankenversicherungsdaten von 134 698 Amerikanern ausgewertet. 27 229 von ihnen waren zwischen 1988 und 1995 mit rekombinanten Vakzinen gegen Hepatitis-B geimpft worden, die übrigen 107 469 dienten als (nicht-geimpfte) Kontrollpersonen. Insgesamt spiegelten die Daten einen representativen Querschnitt der amerikanischen Bevölkerung. Zipp fand für drei Jahre nach der Impfung keinen signifikanten Unterschied in der Häufigkeit neu diagnostizierter Entmarkungskrankheiten (insbesondere Multipler Sklerose) zwischen Geimpften und nicht-Geimpften, weder zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb der Nachbeobachtungszeit, noch bezogen auf das Alter der Geimpften.
Das Ergebnis dieser kontrollierten Untersuchung dürfte die Neigung stärken, der Hepatitis vorzubeugen, einer Erkrankung, die auf die gleiche Weise verbreitet wird aber hundertmal infektiöser als AIDS ist und an der mindestens eine Million Menschen im Jahr stirbt. In Deutschland muß man jährlich mit 50 000 Neuinfektionen rechnen, von denen aber nur dreizig bis vierzig Prozent Symptome verursachen. Bis zu einem Prozent der Infizierten sterben an einem fulminanten Verlauf der Erkrankung. Von den Überlebenden bleiben in den Industrieländern etwa ein Prozent, in Afrika bis zu dreizig Prozent lebenslang infektiöse Virusträger und damit ständige Ansteckungsquelle für andere Menschen. In Deutschland sind 0,7 Prozent der Bevölkerung (etwa 500 000 Personen) ständig infektiös und können das Virus, meist durch Sexualkontakte, weitergeben. Ein Drittel dieser Virusträger muß mit fortschreitender Lebererkrankung (Leberzirrhose) bis zum vollständigen Ausfall der Leberfunktionen und mit Leberkrebs auf Grund der Virusbefalls rechnen.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 6.7.1999
"Dem Virus auf der Spur"
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