Nanotechnologie: Verdrilltes Nanogarn arbeitet als Minimuskel
Nanotechnologen haben ein praktisches Einsatzgebiet für ihr Lieblingsspielzeug gefunden, die Kohlenstoffnanoröhrchen: Sie entwickeln als Bündel zu einem Garn verdrillt enorme Zugkräfte, wenn sie sich verkürzen, und sind daher als Miniaturantriebe einsetzbar. Ein Kunstgriff erlaubte Ray Baughman von der University of Texas in Dallas und seinen Kollegen nun, diese Nanomuskeln auch kontrolliert einzusetzen. Das Team glaubt sich seinem Fernziel nun einen Schritt näher: mit den Nanoröhrchen einen Universalantrieb von Robotern und Mikromotoren oder ein gezielt ansteuerbares Garn im Gewebe cleverer Kleidung zu entwickeln.
Die Nanoingenieure hatten schon früher Bündel von ineinander verdrillten Nanoröhrchen im Einsatz, sind dabei aber auf verschiedene Probleme gestoßen. Denn die Bündel verkürzen sich zwar automatisch, indem sie sich zunehmend verdrillen, und üben dann eine Zugkraft auf fest fixierte Lasten aus; dieser Prozess ist aber unter praktischen Einsatzbedingungen nur schwer zu regulieren. Bisher musste man solche Nanogarne etwa – in abgeschlossenen Reaktionsräumen verpackt – mit aktiv zugepumpten Elektrolytkonzentrationen versorgen, um den Grad ihrer inneren Torsion zu steuern; ein vergleichsweise aufwändiger und langsamer Prozess. Dies entfällt nun beim Prinzip von Baughman und Kollegen: Die Forscher vermengten ihr Nanogarn zunächst zusammen mit einem temperatursensitiven Wachs, das bei Raumtemperatur erstarrt, sich beim Erhitzen dann aber verflüssigt, dabei sein Volumen vergrößert und so die Helixstruktur des Garns verändert. Das sorgt nun dafür, dass das Material sich weiter verdrillt und verkürzt – mit einer Miniaturelektroheizung konnten die Forscher daher die Zugwirkung des Nanogarns einschalten. Abgekühlt zwingt das Wachs das Nanoknäuel dann wieder in die Ausgangsstellung.
Das typischen Miniaturgarn des Teams hatte gerade einmal einen Durchmesser von 50 Mikrometer und konnte dabei mehrere Zentimeter lang sein. Dabei erwies es sich in verschiedenen Versuchen als extrem robust und langlebig: Den Forscher gelang es mit ihren Nanomotoren etwa einen Rotor mit 11 500 Umdrehungen in der Minute über längere Zeit anzutreiben oder ein Nanogarn 1200 Mal in der Minute um drei Prozent zu verkürzen und wieder auszudehnen, wobei es jedes Mal eine Last anhob. Das eingesetzte Wachs lässt sich zudem nicht nur durch Erhitzen, sondern auch durch Licht oder Chemikalien verflüssigen.
Die Nanogarn-Motoren von Baughman und Kollegen sind der praktischen Anwendungsreife als robuste Miniantriebe oder verlässliche Umweltsensoren näher als frühere Ansätze, kommentiert der Materialwissenschaftler Mark Schulz von der University of Cincinnat. Weitere Verbesserungen seien nun eher eine Aufgabe für Ingenieure: Sie müssten zum Beispiel den Herstellungsprozess der Nanoröhrchen perfektionieren, um etwa Verzweigungen zwischen einzelnen Röhrchen zu vermeiden, die üblicherweise zu Schwachstelle des Systems werden.
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