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Verdunstungskühlung: Pilze schwitzen, wenn es heiß ist

Wenig war bislang darüber bekannt, wie Pilze ihre Temperatur an heißen Tagen regulieren. Nun haben Forscher festgestellt: Sie schwitzen.
Pilze im Wald
Pilze machen etwa zwei Prozent der gesamten Biomasse auf der Erde aus. Ihre Thermoregulation kann lokal dabei helfen, die Umgebungstemperatur zu senken.

Es klingt ein bisschen nach einem Tipp aus einem Outdoor-Survival-Handbuch: eine Picknick-Kühlbox, die von Pilzen betrieben wird. Der Labor-Spielerei ging allerdings eine überraschende Entdeckung eines Forschungsteam der US-amerikanischen Johns Hopkins University voraus. In der aktuellen Ausgabe von »PNAS« berichten die Mikrobiologen, dass Pilze einschließlich Hefen und Schimmelpilzen auch unter Sonneneinstrahlung deutlich kühler bleiben als ihre Umgebung. Das liege vor allem daran, dass sie viel Wasser enthalten, das sie allmählich abgeben, wodurch sie sich abkühlen.

Im Gegensatz zu Tieren und Pflanzen sei die Temperatur- und Wärmeregulation von Pilzen bislang noch weitgehend unerforscht, schreiben die Autoren. Dass auch einzellige Pilze wie Hefen den Mechanismus der Verdunstungskälte nutzen, deute darauf hin, dass die so genannte Pilzhypothermie ein allgemeines Merkmal des Pilzreichs ist. »Da Pilze wesentliche Funktionen bei der Unterstützung des terrestrischen Lebens erfüllen, sind diese Ergebnisse für die Vorhersage der Auswirkungen der globalen Erwärmung auf die biologische Vielfalt und die Ökologie der Pilze von großer Bedeutung.«

Der Mikrobiologe und Erstautor der Studie, Radamés Cordero, machte die Entdeckung eher zufällig bei einem Waldspaziergang während der Corona-Pandemie. Zusammen mit seinem Kollege Arturo Casadevall habe er die neue Wärmekamera seines Labors ausprobieren und untersuchen wollen, wie die dunklen Pigmente einiger Pilze deren Oberflächentemperatur beeinflussen. Während der Wanderungen machten die beiden Forscher Aufnahmen von etwa 20 Arten von Wildpilzen. Alle – unabhängig von ihrer Farbe – waren kühler als ihre Umgebung.

Wie die Forscher bei der anschließenden Untersuchung im Labor feststellten, waren einige Arten, darunter etwa ein amerikanischer Vertreter der Knollenblätterpilze (Amanitaceae), rund ein bis zwei Grad kühler als ihre Umgebung, der Austern-Seitling (Pleurotus ostreatus) sogar fast sechs Grad. Darüber hinaus waren 19 Arten von Schimmelpilzen und Hefen, etwa die Bierhefe (Saccharomyces cerevisiae) und der Schimmelpilz Penicillium notatum, der Penizillin herstellt, selbst bei Lufttemperaturen nahe dem Gefrierpunkt etwa ein Grad kälter als die sie umgebende Luft.

Indem die Forscher den Pilzen das Wasser entzogen und deren Kühlvermögen bei unterschiedlicher Luftfeuchtigkeit maßen, fanden sie heraus, dass die kühlende Wirkung daher rührt, dass das Wasser aus den Pilzen verdunstet – vergleichbar damit, wenn der Mensch an einem heißen Tag schwitzt. Die komplexe Lamellenarchitektur an der Unterseite der Pilzkappen vergrößert die Oberfläche für eine solche Kühlung.

Ob die Pilze davon profitieren, dass sie so kühl bleiben, ist bislang jedoch noch unklar. Möglicherweise fördert es die Entwicklung oder die Freisetzung von Sporen aus den Pilzkappen, oder »es könnte einfach sein, dass das Pilzreich ganz allgemein eine niedrigere Temperatur bevorzugt«, sagte Casadevall gegenüber »Science«.

Ach so: Für ihre pilzbetriebene Kühlbox stachen Cordero und Casadevall zwei Luftlöcher in eine kleine Styropor-Verpackungsschachtel, füllten sie mit etwa einem halben Kilogramm Champignons und installierten einen Computerlüfter in einem der Löcher, um Luft hindurchzuziehen. Dann stellten sie die Schachtel in einen größeren Styroporbehälter. Bei eingeschaltetem Ventilator sei die Temperatur des größeren Behälters innerhalb von 40 Minuten um zehn Grad gesunken und etwa eine halbe Stunde lang auf diesem Niveau geblieben. »Mit der Pilzkühlung kann man zwar kein Wasser einfrieren«, gab Casadevall laut »Science« zu. Aber der Prototyp könne problemlos ein Sixpack Bier und ein Mittagessen für ein schnelles Picknick kühlen. Und das Beste: Anschließend kann man das Kühlmittel sogar noch verspeisen.

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