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Shade Balls: Verdunstungsschutz verbraucht mehr Wasser, als er spart

In Kalifornien schützen sie Trinkwasserspeicher mit Plastikkügelchen nachhaltig vorm Verdunsten. Aber ist die Ökobilanz wirklich positiv?
»Shade Balls« bedecken den Trinkwasserspeicher von Los Angeles in Sylmar.

Die seit einigen Jahren in Kalifornien mit großen Erwartungen und hohem Einsatz getestete innovative »Shade-Ball«-Technik zum Schutz größerer Trinkwasserreservoire gegen Verdunstung ist womöglich weniger nachhaltig als erhofft. Zu diesem Schluss kommen jetzt Forscher im Fachblatt »Nature Sustainability«. Mit »Shade Balls«, einem Überzug von Millionen kleiner, schwarzer, auftreibender Plastikkügelchen, sollen Trinkwasserspeicher bedeckt werden, um so in Dürregebieten die Verdunstung zu bremsen und eine Veralgung zu minimieren. Allerdings ist das nur sinnvoll, wenn die Kügelchen nicht zu teuer, selbst ungiftig und vor allem sehr lange haltbar sind. Gerade Letzteres scheint kritisch, rechnen nun Erfan Haghighi vom MIT und Kollegen vor: Je nach Wandstärke müssten alle Kugeln bis zu zweieinhalb Jahre schwimmen, um unter dem Strich in der Ökobilanz positive Effekte zu haben. Dies ist zumindest beim Pionierprojekt nicht der Fall – und so wird derzeit wahrscheinlich mehr Energie und Wasser für die Herstellung des innovativen Schutzes verbraucht, als durch den Verdunstungsschutz zurückgehalten werden kann.

Im 2015 gestarteten Versuchsprojekt waren bis August 2015 96 Millionen auftreibende, mit Trinkwasser gefüllte »Shade Balls« aus Polyethylen von zehn Zentimeter Durchmesser auf dem Trinkwasserreservoir von Los Angeles verteilt worden, um es vor Sonneneinstrahlung abzuschirmen. Tatsächlich funktioniert das Konzept im Prinzip erwartungsgemäß, wie auch Haghighi und Kollegen bestätigen: Jedes Jahr verdunsten rechnerisch nun 1,15 Millionen Kubikmeter Wasser weniger. Nicht eingepreist sei bisher aber, dass bei der Herstellung der Kugeln je nach Wandstärke zwischen 0,25 und 2,9 Millionen Kubikmeter Wasser verbraucht werden. Nur dünne und langlebige Kugeln rechtfertigen also unter dem Strich den Einsatz – die eingesetzten Exemplare mit fünf Millimeter dicker Wand hätten sich bis zum März 2017 am Ende der Dürre noch nicht rentiert.

Dazu komme, dass »Shade Balls« eben gerade bei extremen Bedingungen wie der recht außergewöhnlichen Trockenheit bis Anfang 2017 viel Verdunstung verhindert haben – sie für die weniger verdunstungsgefährdete Phase im Anschluss zu produzieren, hätte die Ökobilanz dann allerdings weiter verschlechtert. Selbst bei anhaltender Dürre müssten die typischen Bälle mindesten zweieinhalb Jahre schwimmen; bei feuchteren Bedingungen sollten sie aber womöglich besser abgetragen werden, das sie sonst womöglich sogar einen negativen Effekt haben. So könnte es sein, dass das durch die Kugeldecke angewärmte Oberflächenwasser bei recht niedrigen Umgebungstemperaturen sogar stärker verdunstet als ohne Verdunstungsschutz. Dies verkompliziert die Bilanzierung weiter: In solchen Fällen sei ohnehin angeraten, die »Shade-Ball«-Decke vom Wasser zu holen, obwohl sie ihre Herstellungskosten dann noch nicht wieder eingespielt hat.

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