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News: Verelendung als Kehrseite der Veredelung

In Zukunft werden einkommensschwache Gesellschaftsschichten immer stärker nicht nur sozial, sondern auch räumlich an den Rand gedrückt. Die Entstehung uniformer Wohnsilos in der Peripherie der Großstädte und damit die fortschreitende Konzentration sozial Benachteiligter ist die Schattenseite des unverminderten Zuzugs gutverdienender Bevölkerungsgruppen in innenstadtnahe Wohngebiete. Doch damit nicht genug: auch weniger citynahe, aber ähnlich strukturierte Viertel werden zunehmend von einkommensstarken Personenkreisen besiedelt, so daß die Schere zwischen Arm und Reich auch hinsichtlich der städtischen Wohnsituation immer größer wird. Zu diesem Ergebnis gelangt Dr. Robert Kecskes vom Forschungsinstitut für Soziologie der Universität zu Köln im Rahmen seiner Untersuchung über Aufwertungsprozesse in innenstadtnahen Wohnvierteln.
Der Kölner Soziologe nimmt sich damit eines Phänomens an, das heute in praktisch allen europäischen und nordamerikanischen Großstädten zu beobachten ist und von Stadtsoziologen mit dem englischsprachigen Begriff der „Gentrification” im Sinne von „Aufwertung, Veredelung” bezeichnet wird: In den innenstadtnahen Wohnungsbestand wird verstärkt investiert, Wohnungen werden von Miet- in Eigentumswohnungen umgewandelt, und die ansässige alte, eher einkommensschwache Bevölkerung wird durch jüngere, besser ausgebildete und – wichtiger noch – besser verdienende zuziehende Gruppen allmählich ersetzt.

Selbst Stadtsoziologen waren von dieser Entwicklung anfangs überrascht, gingen doch die bekannten Stadtentwicklungsmodelle bislang von genau gegenläufigen Trends aus. Gerade die Besserverdienenden – hieß es – würden die Innenstadt verlassen, um sich am Stadtrand den Traum vom Häuschen im Grünen zu erfüllen, während weniger vermögende Gruppen – Arbeiter, Studenten, Ausländer – zwangsläufig zurückblieben. Warnungen vor dem drohenden Niedergang der Innenstädte waren allenthalben zu vernehmen.

Die Verursachungsmechanismen von Aufwertungsprozessen sind demgegenüber durchaus vielgestaltig, und auch einen typischen Verlauf gibt es im Grunde nicht. Dieser hängt vielmehr von sehr unterschiedlichen Bedingungen ab, die ihrerseits in häufig wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnissen stehen. Auch sind nicht alle innenstadtnahen Wohngebiete mit gleicher Wahrscheinlichkeit von der Aufwertung betroffen. In der Regel handelt es sich aber zunächst um Gebiete mit einer architektonisch reizvollen Gebäudestruktur und einem hohen Anteil an möglicherweise heruntergekommenen, von der Substanz her aber intakten Altbauten. Hier zieht eine kleine Gruppe risikobereiter junger, meist gebildeter, aber einkommensschwacher Personen ein, die den noch recht günstigen Wohnraum durch Eigeninitiative und auf eigene Kosten renovieren. Nimmt die Anzahl dieser Personen zu, verändert sich auch die Infrastruktur des Viertels. Es bildet sich eine typische "Szenelandschaft" mit entsprechenden Läden, Kneipen und Restaurants aus, die nun von einer anderen Bevölkerungsgruppe zunehmend als chic empfunden wird. Etwas älter als die erste Gruppe, lebt sie anfänglich ohne Kinder in Ein- oder Zweipersonenhaushalten und verfügt über ein vergleichsweise hohes Einkommen. Durch den erhöhten Nachfragedruck, den sie auszuüben beginnt, wird es auf einmal auch für die Grund- und Wohnungsbesitzer attraktiv weil rentabel, selbst zu investieren, was wiederum einen starken Anstieg der Mieten und Wohnungspreise zur Folge hat und die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen forciert. Da weder die alteingesessene Bevölkerung, noch die Gruppe der jungen „Pioniere” die gestiegenen Preise zahlen können, werden beide Gruppen direkt oder häufiger indirekt durch das Auslaufen von Miet- und Belegungsbindungen aus dem Viertel verdrängt.

Es liegt insofern auf der Hand, daß Stadtplaner und verantwortliche Politiker diese Entwicklung verstärkt mit sehr gemischten Gefühlen verfolgen. Zwar wird durch die Bindung zahlungs- und steuerkräftiger Bürger an die City auch eine positive Entwicklung für die Gesamtstadt erwartet, gleichzeitig baut sich mit der Verdrängung ansässiger Bevölkerungsgruppen ein nicht zu unterschätzendes soziales Konfliktpotential auf. Angeheizt durch rechtliche Regelungen, die noch aus einer Zeit stammen, als der Verfall der Innenstädte befürchtet würde, hat der Prozeß der Aufwertung schließlich seit Anfang der 80er Jahre eine ungeheure Eigendynamik entwickelt. Dr. Kecskes bezeichnet ihn als Aufwertungsspirale in der Form eines Trichters, dessen Öffnung immer enger wird und schließlich keine einkommensschwachen Bevölkerungsgruppen mehr passieren läßt. Immer stärker werden diese in eintönige Wohngebiete sozialer Randgruppen, in randstädtische Siedlungen des sozialen Wohnungsbaus der sechziger und siebziger Jahre und im Extremfall sogar in die Wohnungslosigkeit abgedrängt. Neben den Wohnghettos in den Außenbezirken als Orten sozialer Brennpunkte entstehen Armutsinseln in alten Arbeiterwohngebieten, die durch ihre Lage und teilweise hohe Lärm- und Luftbelastung durch Industriebetriebe für einkommensstarke Haushalte einfach unattraktiv sind. Hand in Hand mit einer Aufwertungsspirale innenstadtnaher Wohngebiete geht also eine Abwertungsspirale anderer Gebiete; beide Prozesse sind nicht voneinander zu trennen.

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