Mikrobiologie: Verflüchtigt
Sollten sie nicht wissen, wo sie sich befinden: Das Verhältnis der Stickstoff-Isotope verrät Ökologen, ob ein Wald den Tropen oder den gemäßigten Breiten zuzurechnen ist. Seltsamerweise aber scheint Regen diese charakteristische Eigenheit zu verändern. Indiz um Indiz bastelten Forscher nun eine Erklärung zusammen.
Irgendwie passte es nicht. Normalerweise zählen tropische Regenwälder zu jenen Lebensräumen, in denen das Stickstoff-Isotop 15N angereichert ist. Gemeint ist damit, dass beispielsweise im Vergleich zu unseren Wäldern der gemäßigten Breiten auf das Kontingent von 14N relativ gesehen etwas mehr 15N auftritt: Das Isotopen-Verhältnis 15N zu 14N ist in den Tropen höher als bei uns. Allerdings stellten Forscher bei ihren Messungen fest, dass in tropischen Gegenden mit höheren Niederschlägen der relative Anteil von 14N im Boden wie in den Pflanzen zunimmt – ohne das Muster wirklich erklären zu können. Offenbar waren hier Klima und Nährstoffkreislauf aneinander gekoppelt. Aber wie?
Seit Jahren werden hier sechs Waldstücke penibelst untersucht, die sich abgesehen von der Regenmenge in anderen Umweltbedingungen kaum unterscheiden – bestes Terrain, um das Stickstoff-Schicksal aufzuklären. Einem wahren Indizienprozess gleich, sammelten die Forscher Daten aus Regenwasser, Böden, Bodenwasser, Bächen, Blättern und Co. Und widerlegten zuerst einmal die bislang diskutierten Thesen.
Auch These 2 – selektive Auswaschung – bewährte sich nicht. Zwar gab es hier nun tatsächlich Unterschiede nach Niederschlagsmenge: In den trockeneren Wäldern dominierte Nitrat in den Bächen, in den feuchteren Varianten hingegen gelöster organischer Stickstoff, ein Sammelparameter, der mehrere Stickstoff-Fraktionen umfasst. Das Nitrat fehlt dafür weit gehend. Das Isotopen-Verhältnis von 14N und 15N in Böden und Bächen aber war sehr ähnlich – was merkwürdig ist: Würde 14N leichter auf die Reise gehen, sollte sich in den feuchteren Regionen in den Gewässern im Verhältnis mehr davon finden und in den Böden entsprechend weniger. In beiden Fällen beobachteten eher die Forscher das Gegenteil. Fazit: Diese Erklärung stimmt auch nicht.
Belege gefällig? Unter anderem stießen die Forscher auch bei Sauerstoff auf ein verräterisches Muster. So waren dessen Isotopen-Verhältnisse von 18O zu 16O in Nitrat mit denen von 15N zu 14N eng korreliert – ein Hinweis auf eine intensive Denitrifikation, deren Akteure offenbar die jeweils schwereren Kandidaten weniger gern verarbeiten und deren jeweiligen Anteil im Milieu daher gleichermaßen relativ erhöhen.
Und was hat nun der Regen mit der ganzen Geschichte zu tun? Hier ist etwas Vorstellungskraft gefragt. In den trockeneren Wäldern, so schließen die Wissenschaftler, läuft die Umwandlung des Nitrats nicht vollständig oder flächendeckend ab. Deshalb kann 15N-reiches Nitrat aus der lokalen Denitrifikationszone entwischen und noch in fernen Regionen wie den entwässernden Bächen vom Geschehen künden.
Und dass diese aber keineswegs zu unterschätzen sind, zeigt die Berechnung der Wissenschaftler, wie viel Stickstoff dem System auf diesem Wege verloren geht: In den trockenen Wäldern, so ermittelten Houlton und seine Kollegen, verflüchtigt sich auf diesem Wege etwa ein Viertel des Nährstoffs, in den feuchten Wäldern sogar mehr als die Hälfte. Und der Regen verwischt die Spuren.
Der Input ist Schuld, mutmaßen die einen: Die biologische Stickstoff-Fixierung oder auch Unterschiede in der Fracht, die Wolken und Regen bringen, sollten die Veränderungen im System hervorrufen. Andere schieben es dagegen auf den Output: Das leichtere 14N-Isotop werde eher ausgewaschen und bewirke so eine relative Anreicherung des schwereren Partners. Benjamin Houlton und seine Kollegen von der Universität Princeton wählten statt Spekulationen lieber Feldarbeit und gingen dem Lauf der Dinge in hawaiischen Wäldern auf den Grund.
Seit Jahren werden hier sechs Waldstücke penibelst untersucht, die sich abgesehen von der Regenmenge in anderen Umweltbedingungen kaum unterscheiden – bestes Terrain, um das Stickstoff-Schicksal aufzuklären. Einem wahren Indizienprozess gleich, sammelten die Forscher Daten aus Regenwasser, Böden, Bodenwasser, Bächen, Blättern und Co. Und widerlegten zuerst einmal die bislang diskutierten Thesen.
These 1 – veränderter Input – scheiterte ganz klar: Die Wissenschaftler konnten keinerlei Zusammenhang zwischen den auftretenden Isotopen-Verhältnissen und der Niederschlagsmenge feststellen. Mit Ausnahme der beiden feuchtesten Wäldern fanden Houlton und sein Team zudem in den Böden relativ höhere 15N-Werte als 14N-Werte als in den Einträgen – irgendwie musste den Wäldern also das leichtere Isotop abhanden kommen.
Auch These 2 – selektive Auswaschung – bewährte sich nicht. Zwar gab es hier nun tatsächlich Unterschiede nach Niederschlagsmenge: In den trockeneren Wäldern dominierte Nitrat in den Bächen, in den feuchteren Varianten hingegen gelöster organischer Stickstoff, ein Sammelparameter, der mehrere Stickstoff-Fraktionen umfasst. Das Nitrat fehlt dafür weit gehend. Das Isotopen-Verhältnis von 14N und 15N in Böden und Bächen aber war sehr ähnlich – was merkwürdig ist: Würde 14N leichter auf die Reise gehen, sollte sich in den feuchteren Regionen in den Gewässern im Verhältnis mehr davon finden und in den Böden entsprechend weniger. In beiden Fällen beobachteten eher die Forscher das Gegenteil. Fazit: Diese Erklärung stimmt auch nicht.
In Erklärungsnot geraten Houlton und sein Team trotzdem nicht. Denn aus ihrer Sicht bestätigen die Ergebnisse vor allem eins: eine von ihnen verfochtene dritte These. Derzufolge steckt der gesuchte Schuldige nicht am Eingang oder Ausgang, sondern im System selbst – in Form spezialisierter Bakterien. Oder auf den Punkt gebracht: Denitrifikation, die Umwandlung von Nitrat zu Luftstickstoff, bringt die Zahlenspiele durcheinander.
Belege gefällig? Unter anderem stießen die Forscher auch bei Sauerstoff auf ein verräterisches Muster. So waren dessen Isotopen-Verhältnisse von 18O zu 16O in Nitrat mit denen von 15N zu 14N eng korreliert – ein Hinweis auf eine intensive Denitrifikation, deren Akteure offenbar die jeweils schwereren Kandidaten weniger gern verarbeiten und deren jeweiligen Anteil im Milieu daher gleichermaßen relativ erhöhen.
Und was hat nun der Regen mit der ganzen Geschichte zu tun? Hier ist etwas Vorstellungskraft gefragt. In den trockeneren Wäldern, so schließen die Wissenschaftler, läuft die Umwandlung des Nitrats nicht vollständig oder flächendeckend ab. Deshalb kann 15N-reiches Nitrat aus der lokalen Denitrifikationszone entwischen und noch in fernen Regionen wie den entwässernden Bächen vom Geschehen künden.
"Wir arbeiten immer noch am grundlegenden Verständnis des Stickstoff-Kreislaufes"
(Lars Hedin)
In den feuchteren Gebieten aber, in denen weitaus verbreiteter sauerstoffarme und damit die denitrifikationsfördernde Bedingungen auftreten, bleibt von dem verräterischen Nitrat nichts übrig, daher fehlt seine typische Isotopen-Signatur auch in den Bächen und Böden. Das Bild am Ausgang ähnelt nun wieder dem Bild am Eingang, ohne den geringsten Fingerzeig auf die bakteriellen Umstrukturierungen, die zwischendurch stattfinden. "Wie diese Ergebnisse zeigen, arbeiten wir immer noch am grundlegenden Verständnis des Stickstoff-Kreislaufs", kommentiert Studienleiter Lars Hedin die neuen Einblicke. (Lars Hedin)
Und dass diese aber keineswegs zu unterschätzen sind, zeigt die Berechnung der Wissenschaftler, wie viel Stickstoff dem System auf diesem Wege verloren geht: In den trockenen Wäldern, so ermittelten Houlton und seine Kollegen, verflüchtigt sich auf diesem Wege etwa ein Viertel des Nährstoffs, in den feuchten Wäldern sogar mehr als die Hälfte. Und der Regen verwischt die Spuren.
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