News: Verführung zu Wasser
Während die Pheromone in der Insektenwelt gut untersucht sind, blieb es bislang rätselhaft, ob auch Tiere im wässrigen Medium mithilfe von Duftmolekülen Informationen über weite Strecken austauschen. Um nähere Details bezüglich dieser Fragestellung herauszufinden, wählten Weiming Li und seine Kollegen von der Michigan State University das aalförmige Meerneunauge (Petromyzon marinus) als Studienobjekt. Dieses kieferlose Wirbeltier lebt gewöhnlich im offenen Meer, wandert jedoch im Frühjahr in Ströme ein, um sich fortzupflanzen. Da die Männchen früher als die Weibchen an den Laichorten eintreffen und die Nester bauen, fragten sich die Wissenschaftler, ob eventuell Pheromone bei der Partnerfindung im Spiel sind.
Die Suche nach den Stoffen war mühsam, aber erfolgreich: Zwei Jahre dauerte es, bis das Team eine Tonne Wasser zu 30 Milligramm einer reinen Substanz verdichtet hatte. Um die Schlüsselkomponenten aufzuspüren und herauszufiltern, kreierten die Wissenschaftler spezielle Bioassays, indem sie die Verbindungen durch die Nase der Neunaugen "wuschen" und die neurologischen Antworten sowie das Verhalten der Tiere aufzeichneten.
Mithilfe der Hochleistungs-Flüssigchromatographie, Massenspektrometrie, magnetischen Resonanzspektroskopie und Dünnschichtchromatographie gelang es den Forschern, die Struktur dieser Substanz zu untersuchen – jenem Duftcocktail, mit dem sich die Meerneunaugen auf Partnersuche begeben. Und dieser Botenstoff hat es offenbar in sich, denn er entfaltete auch noch weit flussabwärts seine gewünschte Wirkung und lockte potenzielle Partner an.
Doch wie sich zeigte, trifft die klassische Rollenverteilung der Geschlechter nicht auf die Neunaugen zu. Hier ergreifen keineswegs die Weibchen die chemische Initiative, vielmehr sind es die Männchen, die aktiv Signale aussenden. Die Pheromone produzieren sie in der Leber und sondern sie durch die Kiemen ab. Vermutlich setzen aber auch die Weibchen Duftmoleküle ein, um ihre Fruchtbarkeit zu demonstrieren oder um die Männchen nahe ans "Haus" zu binden, wie Li hervorhebt.
Möglicherweise eröffnen diese Forschungsergebnisse neue Strategien, mit deren Hilfe sich die Populationen der Meerneunaugen zukünftig gezielt kontrollieren lassen, denn aufgrund ihrer räuberischen Ernährungsweise fügen sie unter anderem wirtschaftlich bedeutsamen Fischbeständen wie Forellen und Lachsen großen Schaden zu. Anhand weiterführender Untersuchungen planen die Forscher nun, nähere Aussagen über die Stärke und effektive Reichweite der von Meerneunaugen abgesonderten Pheromone machen zu können.
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