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Verhütung: Macht die Hormonspirale krank?

Lange hieß es, Hormonspiralen würden nur lokal in der Gebärmutter wirken. Das ist aber nicht der Fall. Viele Frauen berichten nicht nur von starken Schmerzen beim Einsetzen, auch Depressionen und Angstzustände können auftreten.
Gynäkologin setzt Kupferspirale ein
Bis zu 50 Prozent der Frauen, die eine Fünf-Jahres-Hormonspirale tragen, lassen sie vorzeitig wieder entfernen. Einige von ihnen nennen Schmerzen als Grund. Anderen machen unregelmäßige Blutungen und depressive Verstimmungen zu schaffen.

Jara Helmi will ihre Verhütungsmethode wechseln. Sie hat keine Lust mehr, sich »täglich eine geballte Ladung Hormone reinzubuttern« – und setzt die Pille ab. Freundinnen raten zur Hormonspirale. Auch die Argumente der Frauenärztin überzeugen sie: Die Hormone würden nur lokal wirken, sie müsste nicht täglich an die Pille denken, würde kaum oder keine Monatsblutung mehr haben und zudem nicht an Gewicht zulegen.

Die Journalistin entscheidet sich für eine kleine Spirale, die rund drei Jahre hält und weniger Hormone abgibt als andere Varianten, mit der man bis zu fünf Jahre lang verhüten kann. Doch als die Frauenärztin ihr die Spirale schließlich einsetzt, erlebt sie eine unangenehme Überraschung: »Der Eingriff war mit das Schmerzvollste, was ich bis dahin erlebt hatte.« Noch schlimmer: Die Beschwerden gehen nicht vollständig weg. »Mehrmals pro Woche, oftmals täglich, hatte ich starke Krämpfe und Unterleibsschmerzen – die bisherigen Menstruationsschmerzen waren ein Dreck dagegen«, schreibt Jara. Ein Jahr lang macht sie die Tortur mit, dann lässt sie die Spirale entfernen. Auch psychisch fühlt sie sich nun wieder viel besser.

Jara ist damit nicht allein. Verlässliche Zahlen zur Abbruchhäufigkeit gibt es nicht: Aber bis zu 50 Prozent der Frauen, die eine Fünf-Jahres-Hormonspirale tragen, lassen sie laut einer kleinen britischen Studie aus dem Jahr 2006 und einer finnischen Untersuchung von 2007 vorzeitig wieder entfernen. Einige von ihnen nennen Schmerzen als Grund. Anderen machen unregelmäßige Blutungen zu schaffen. Im Internet kursieren zahlreiche Berichte von Betroffenen, die erheblich unter der Hormonspirale leiden. Doch wie hoch ist das Risiko für unerwünschte Nebenwirkungen tatsächlich, wie sieht die Studienlage aus?

Nicht immer unproblematisch

Für viele überwiegen zunächst oder dauerhaft die Vorteile der Methode. Das Thema Verhütung ist für eine längere Zeit erst einmal abgehakt. Unbeschwert und ungeplant Sex haben zu können, bewerten viele als positiv, ebenso die Tatsache, keine oder kaum noch Regelblutungen zu haben. Seit rund 20 Jahren berichten Frauen allerdings auch über körperliche und psychische Nebenwirkungen im Zusammenhang mit Hormonspiralen etwa Herzrasen, Herzrhythmusstörungen, Schwindel, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Ängstlichkeit, Panikattacken, Unruhe, Nervosität, Stimmungsschwankungen und Schlafstörungen.

Lange Zeit hatte man angenommen, das synthetische Hormon Levonorgestrel (LNG, siehe »Die Hormonspirale«) wirke nur lokal. Doch nach und nach mehrten sich die Hinweise auf einen systemischen, also den ganzen Körper betreffenden Effekt. Bereits eine Stunde nach dem Einsetzen der Spirale kann das Hormon im Blut nachgewiesen werden. Das zeigen pharmakologische Untersuchungen. Trotzdem argumentieren Ärztinnen und Ärzte auch heute noch damit, das Verhütungsmittel würde ausschließlich lokal wirken. Das ist definitiv nicht der Fall. Was können die Folgen sein?

Depressionen und Angstzustände

In einer Übersichtsarbeit analysierte ein Team um Carlos Schönfeldt-Lecuona von der Universität Ulm insgesamt 22 Studien zu den psychischen Nebenwirkungen von LNG-Spiralen. Zehn der Arbeiten zeigten einen deutlichen Zusammenhang mit dem Auftreten depressiver Symptome. Bei vier der Studien war der Zusammenhang unsicher, bei vier weiteren fand man keine Korrelation. Zwei der Untersuchungen wiesen sogar eine Steigerung des Wohlbefindens unter Hormonspiralen nach.

Im Jahr 2024 stellten dänische Fachleute fest, dass die Höhe der Dosierung das Risiko einer Depression beeinflusst. Sie untersuchten die Gesundheitsdaten von knapp 150 000 Frauen im Alter von 15 bis 44 Jahren. Diese hatten zwischen 2000 und 2022 entweder eine Hormonspirale mit niedriger, mittlerer oder hoher Dosierung getragen. Die Häufigkeit für neu auftretende Depressionen lag ein Jahr nach dem Einsetzen der Spirale bei 1,21 Prozent, bei 1,52 beziehungsweise 1,84. Zwar lasse das Studiendesign keine ursächlichen Rückschlüsse zu. Allerdings lege die Dosis-Wirkungs-Beziehung (je größer die LNG-Menge, desto höher das Risiko) einen kausalen Zusammenhang nahe, schreiben die Studienautoren.

Die Hormonspirale

Hormonspiralen sind seit etwa 30 Jahren auf dem Markt. Sie bestehen aus einem T-förmigen Kunststoffkörper, der in die Gebärmutterhöhle eingesetzt wird. Im Schaft befindet sich das Hormondepot. Es enthält bis zu 52 Milligramm Levonorgestrel (LNG), ein synthetisches Gestagen, das Progesteronrezeptoren stimuliert. Das Hormon macht den Schleim im Gebärmutterhals dickflüssiger und hemmt den Aufbau der Gebärmutterschleimhaut, was eine Einnistung der befruchteten Eizelle verhindert. Der Pearl-Index ist vergleichbar mit dem der Antibabypille und liegt bei ungefähr 0,2. Das heißt, dass von 1000 Frauen, die die Spirale verwenden, pro Jahr zwei schwanger werden.

In Deutschland nutzten nach einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung im Jahr 2023 etwa 14 Prozent der sexuell aktiven Frauen im Alter zwischen 18 und 49 Jahren eine Spirale. Allerdings verbergen sich hinter dieser Zahl nicht nur Hormon-, sondern auch Kupferspiralen. Der Wert liegt deutlich höher als noch im Jahr 2018, als rund zehn Prozent mit einer Spirale verhüteten. Aktuell handelt es sich dabei um die dritthäufigste Verhütungsart nach Kondom (53 Prozent) und Pille (38 Prozent).

»Wichtig ist zu betonen: Nicht jede Frau mit Hormonspirale muss damit rechnen, dass sich ihre Stimmung verschlechtert«, sagt Belinda Pletzer vom Zentrum für Kognitive Neurowissenschaften an der Paris Lodron Universität Salzburg. Aber es gebe wohl eine vulnerable Gruppe, die auf hormonelle Veränderungen reagiert. »Und aktuell ist es Aufgabe der Forschung, herauszufinden, wer da besonders betroffen ist«, so die Expertin. Sicher ist: Das Risiko für Depressionen liegt bei niedrig dosierten LNG-Spiralen geringer, weshalb diese gegenüber hoch dosierten Präparaten bevorzugt werden sollten, resümiert auch eine Forschungsgruppe von der Universität Kopenhagen.

Einige Frauen berichten außerdem über Angstzustände, Panikattacken und Schlafstörungen in Verbindung mit dem Tragen einer Hormonspirale. Die Datenlage dazu ist dünn. Eine Erhebung der Europäischen Arzneimittel-Agentur aus dem Jahr 2018 kommt allerdings zu dem Schluss, dass es unter dem Einfluss von LNG-Spiralen zu Angstzuständen und Schlafstörungen kommen kann. Auch die WHO veröffentlichte alarmierende Zahlen: Ende 2018 waren mehr als 600 Fälle von Panikattacken erfasst worden, die in Zusammenhang mit dem Verhütungsmittel standen.

»Nicht jede Frau mit Hormonspirale muss damit rechnen, dass sich ihre Stimmung verschlechtert«Belinda Pletzer, Neurowissenschaftlerin

Wie genau das künstliche Hormon zu Depressionen, Angst und Ähnlichem führen kann, ist noch unklar. Möglicherweise verursacht das synthetische Gestagen bei manchen Frauen eine erhöhte Sensitivität der HPA-Achse (Hypothalamus-Hypophyse-Nebennierenrinde). So hatten Probandinnen mit Hormonspirale im Vergleich zu solchen mit Kupferspirale einen erhöhten Spiegel des Stresshormons Kortisol im Blut, das in der Nebennierenrinde produziert wird.

Und auch wenn jemand die Spirale gut verträgt, bei dem muss das nicht unbedingt so bleiben. Ulmer Psychiater berichten über eine 41-Jährige, die fünf Jahre lang beschwerdefrei mit einer LNG-Spirale gelebt hatte. Nach dem Einsetzen der zweiten Spirale erlebte sie jedoch innerhalb kürzester Zeit depressive Episoden und Ängste. Nach dem Entfernen gingen die psychischen Beschwerden komplett zurück, wie Nachuntersuchungen sechs und zwölf Monate später bestätigten. Eventuell hatte sich die Gebärmutterschleimhaut im Lauf der Zeit so weit zurückgebildet, dass das lokal freigesetzte Hormon schneller oder in größerer Menge in den gesamten Organismus gelangen konnte.

Schmerzhaftes Einsetzen

Die überwiegende Mehrzahl der wissenschaftlichen Publikationen zum Thema »Schmerz und Hormonspirale« beschäftigt sich mit jenen Schmerzen, unter denen Frauen während des Einsetzens leiden. Zwar gaben in einer Studie drei Viertel der 109 befragten Frauen (18 bis 30 Jahre) an, zufrieden mit der Prozedur beim Gynäkologen zu sein – allerdings berichteten 78 Prozent von ihnen, dabei mittlere bis starke Schmerzen erlitten zu haben.

Anhaltende Schmerzen über Wochen und Monate könnten von kleinen lokalen Verletzungen und Entzündungen herrühren. Die Studienlage zum Thema ist dürftig. In einer vergleichenden Untersuchung von Hormon- und Kupferspiralen des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) fanden die Fachleute keine gravierenden Unterschiede in der Häufigkeit von Schmerzen. Beide Typen seien mit potenziellen Schäden und Belastungen verbunden. Belinda Pletzer sieht eine Abweichung: »Menstruationsbeschwerden nehmen mit der Hormonspirale ab, mit der Kupferspirale eher zu – erstere schwächt die Blutung stark ab, die Kupferspirale verstärkt sie.«

Leicht erhöhtes Risiko für Brustkrebs

Hormonelle Verhütungsmittel gehen zudem mit einem geringfügig erhöhten Risiko für Brustkrebs einher. Das gilt für die Antibabypille genauso wie für die Hormonspirale, obwohl der Körper dabei weniger Hormonen ausgesetzt ist. Eine aktuelle Studie des Danish Cancer Institute in Kopenhagen bestätigt ältere Ergebnisse: Innerhalb der ersten fünf Jahre nach Einsetzen einer Hormonspirale erkrankten von 10 000 Frauen etwa 14 mehr an Brustkrebs als in einer Kontrollgruppe. Bei längerem Gebrauch von 10 bis 15 Jahren ergaben sich 71 zusätzliche Brustkrebsfälle je 10 000 Teilnehmerinnen.

»Frauen um die 40 sprechen mit ihrem Arzt am besten über nichthormonelle Verhütungsmethoden«Mangesh Thorat, Mediziner

»Es handelt sich um ein geringes Risiko, das zusammen mit den Vorteilen des Verhütungsmittels betrachtet werden sollte«, sagt Amy Berrington de Gonzàles vom Institute of Cancer Research in London. Jüngere Frauen sind wohl noch weniger gefährdet, weil ihr Brustkrebsrisiko insgesamt niedriger ist. »Frauen um die 40 sprechen mit ihrem Arzt am besten über nichthormonelle Verhütungsmethoden«, so Mangesh Thorat, Brustkrebsexperte von der Queen Mary University in London. Zu einem ähnlichen Schluss kommen Schweizer Forscher in einem systematischen Review: Das Risiko steige bei älteren Frauen und mit längerer Anwendungsdauer, daher sollten sie sich nach ihrem individuellen Risikoprofil beraten lassen.

Eine Frage der Aufklärung

Wie gut klären Ärzte und Ärztinnen über Risiken auf? »Meiner Erfahrung nach gibt es da große Unterschiede«, sagt Belinda Pletzer. Womöglich sei die unsichere Studienlage eine Erklärung dafür. Diese Frage gehe aber über ihren wissenschaftlichen Kompetenzbereich hinaus.

Laut einer Befragung von Frauen, die nach dem Einsetzen einer Spirale psychiatrische Symptome entwickelt hatten, wurde keine von ihrer Gynäkologin oder ihrem Gynäkologen über die psychischen Risiken aufgeklärt. Dabei betonen Fachleute, wie wichtig es ist, Patientinnen über sämtliche Gefahren zu informieren. Nur so könne eine gemeinsame fundierte Entscheidung getroffen werden. Die Ulmer Arbeitsgruppe fordert in diesem Zusammenhang weitere Studien, die untersuchen, wie sich die Hormonspiralen langfristig auf die seelische Gesundheit von Frauen auswirken.

Darüber, warum manche Fachärzte recht unbekümmert zur Hormonspirale raten, kann nur spekuliert werden. Vielleicht liegt es unter anderem daran, dass in Deutschland Pharmafirmen noch immer zahlreiche Fortbildungen und Veranstaltungen finanzieren. Mirena, Kyleena und Jaydess, seit Jahren als sanfte und sichere Verhütungsmethode beworben, gehören jedenfalls zu den umsatzstärksten Produkten der Herstellerfirma Bayer.

Doch sanft wirken sie nicht für jede Person. »Es gibt zahlreiche Frauen, die überhaupt keine Beschwerden mit der Hormonspirale haben. Es gibt aber auch zahlreiche, die wie ich litten. Was ich aus diesem Jahr gelernt habe: Es ist nicht mein Körper, mit dem etwas nicht stimmt, sondern die Annahme ist falsch, dass jedes Verhütungsmittel für jede Frau passt«, meint dazu Jara Helmi.

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  • Quellen

Aleknaviciute, J. et al.: The levonorgestrel-releasing intrauterine device potentiates stress reactivity. Psychoneuroendocrinology 80, 2017

Elsayed, M. et al.: The potential association between psychiatric symptoms and the use of levonorgestrel intrauterine devices (LNG-IUDs): A systematic review. The World Journal of Biological Psychiatry 24, 2023

Slattery, J. et al.: Cohort study of psychiatric adverse events following exposure to levonorgestrel-containing intrauterine devices in UK general practice. Drug Safety 41, 2018

Wessel Skovlund, C. et al.: Depression risk in users of different doses of levonorgestrel intrauterine systems: A nationwide prospective cohort study. The Lancet Regional Health 38, 2024

Zürcher, A. et al.: Influence of the levonorgestrel-releasing intrauterine system on the risk of breast cancer: A systematic review. Archives of Gynecology and Obstetrics 307, 2023

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