News: Verkehr belastet Atemluft stärker als Müllverbrennung
Einen Schwerpunkt legte die Untersuchung auf die Emissionen organischer Verbindungen aus Müllheizkraftwerken. Denn obwohl moderne Feuerungsanlagen die Brennstoffe weitestgehend umsetzen und mit mehreren Gasreinigungsfiltern ausgerüstet sein müssen, sind im Abgas immer noch organische Stoffe im Ultraspurenbereich nachweisbar. So spüren die heutigen, effektiven Analysenmethoden noch in einem Kubikmeter Abluft Mengen von Millionstel eines Millionstel Gramms auf. Die Vielzahl an chemischen Verbindungen in diesem Bereich geringer Konzentrationen ist enorm: über 1 200 Stoffe aus 31 Stoffklassen haben die Stuttgarter Forscher erstmals zusammengetragen. Darunter bekannte, giftige Verbindungen wie die Dioxine oder die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe. Aber auch Substanzen, über deren Schadstoffpotential bisher noch wenig bekannt ist, wie die polychlorierten Benzonitrile.
Wie gefährlich sind Verbrennungsabgase wirklich? Um mögliche Gefahren durch die Freisetzung von Stoffen aus der thermischen Abfallbehandlung und anderen Verbrennungsprozessen (v. a. der Verbrennung von Holz und Kohle) abzuschätzen, vergleicht die Studie Meßdaten mit toxikologischen Kenngrößen, Grenz- und Orientierungswerten und mit der vorliegenden Hintergrundbelastung. An erster Stelle stand die humantoxikologische Einordnung, also die Wirkung auf die menschliche Gesundheit. Allerdings wurden auch ökotoxikologische Daten herangezogen, um Effekte auf Pflanzen und Tiere in der natürlichen Umwelt einzuschätzen.
Fazit: Bei allen untersuchten Verbindungen liegt die durch eine moderne Abfallverbrennungsanlage verursachte zusätzliche Belastung der Atemluft unter einem Promille, meist sogar um etliche Zehnerpotenzen darunter. Strenge Emissionsvorschriften (seit Ende 1996) für alle Müllverbrennungsanlagen und immer effektivere Rauchgasreinigungsverfahrenhaben die Freisetzung organischer Verbindungen drastisch gesenkt. Vor allem bei den Dioxin-Emissionen läßt die Studie keine Zweifel: Heutige Müllverbrennungsanlagen emittieren deutlich geringere Mengen an polychlorierten Dibenzopdioxinen und Dibenzofuranen als etwa die Gewerbefeuerung (ohne ausreichende Abgasreinigung) oder die Hausbrandstätten. Eine der Hauptquellen für den Dioxin-Eintrag in die Umwelt sind in Deutschland Anlagen zur Metallgewinnung und Schrottverarbeitung.
Andere Prozesse – z. B. die Verfeuerung von Holz, aber auch der Betrieb von Millionen von Verbrennungsmotoren im Straßenverkehr – führen ebenfalls zu teils deutlich höheren Belastungen der Atemluft. Wirksame Maßnahmen, so die Stuttgarter Wissenschaftler, müßten bei diesen bisher vernachlässigten Emittenten ansetzen. Dagegen bezeichnen sie über die geltenden Vorschriften hinausgehende Abgasreinigungsmaßnahmen bei Müllverbrennungsanlagen als weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll. Kritisch geprüft werden sollte auch die Emmissionsbilanz der Verbrennung aussortierter Kunstoffabfälle. Sie werden zunehmend anstelle von Erdöl oder Kohle zur Energierückgewinnung eingesetzt. Das Wissenschaftler-Team empfiehlt eine effektive Rauchgasreinigung selbst über die geltenden Emissionsvorschriften hinaus. "Generell muß der Gesamteinfluß der Emissionen in die Atmosphäre kontrolliert bleiben", so Prof. Dr. Karlheinz Ballschmiter, Projektleiter und Vorstandsmitglied der Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Würtemberg.
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