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Demografie: Verkehrstod

Mann macht sich seine Gedanken - warum lebt "Er" eigentlich meist kürzer als "Sie"? Übertriebene Risikobereitschaft? Der Stress ständiger strahlender Selbstpräsentation? Oder doch einfach nur ein Konstruktionsfehler? Mausmakimännchen liefern nun ein paar Antworten.
Graue Mausmakis
Zunächst ein paar aktuelle Zahlen: Frau 82,1; Mann 76,6 Jahre – rund fünfeinhalb Jahre früher als die Damen werden im Jahr 2006 neugeborenen deutsche Herren der Schöpfung einmal sterben, rechnet das Statistische Bundesamt vor. Stand heute, aber an den vorhergesagten Durchschnittswerten ändert sich ja alle Jahre nur Geringfügiges. Eines aber war und wird immer sein: Männer leben im Prinzip kürzer. Auch darin ist der Mensch ein typisches Säugetier.

Gründe dafür sind schon viele genannt worden. Nahe liegt etwa, dass der männliche Säuger an seinem Y-Chromosom krankt – es ist offensichtlich etwas fragiler und liegt zudem, anders als das doppelte X der Weibchen, ohne Sicherheitskopie und damit fehleranfälliger vor. Da ist dann bei groben genetischen Fehlern auch schneller mal Schluss. Ziemlich unbedeutend wird die Ausstattung mit X oder Y allerdings, wenn man als kleines, harmloses Säugetierchen mitsamt wertvollem Chromosomensatz ungeschickt vom Baum fällt oder plötzlich vor einem sehr hungrigen Fressfeind mit scharfen Krallen steht und nicht mehr fliehen kann. Anders ausgedrückt: Viel entscheidender für die Lebenserwartung ist die Lebensgefährlichkeit der Umwelt von Mann und Frau.

In diese Richtung dachten auch Cornelia Kraus vom Max-Planck-Institut für Demografie in Rostock und ihre Kollegen, als sie sich auf die forschende Suche nach Ursachen der vergleichsweise kürzeren männlichen Lebenserwartung machten. Als Säuger-Untersuchungsobjekt entschieden sie sich für die Grauen Mausmakis Madagaskars. Auch bei Microcebus murinus sterben pro Jahr mehr Männchen als Weibchen – genau gesagt, 16 Prozent – und senken damit die durchschnittliche Lebenserwartung der männlichen Tiere.

Makis erklären das Leben des Mannes

Neben dieser Grundvoraussetzung und ihrer generellen Possierlichkeit sind die Makis aber aus noch einem Aspekt eine gute Wahl: Männchen und Weibchen sind über den Jahresdurchschnitt hinweg gemessen gleich groß und schwer. Damit fällt bei der Spezies ein weitere, oft diskutierte Ursache für die relative männliche Kurzlebigkeit weg: Große Tiere – eben Männchen – könnten ja vielleicht schlicht von hungrigen Feinden häufiger weggeschnappt werden als halbportionierte, also Weibchen. Und dies unabhängig davon, ob sie sich auch eher in Situationen begeben, in denen derselbe hungrige Feind sie überhaupt zu Gesicht bekommt. Bei den zirka weibchengroßen Mausmaki-Männern bleibt also im Prinzip ein Hauptverdächtiger, der sie gegenüber den Weibchen lebensfristtechnisch benachteiligt: ihr gesteigertes Risikoverhalten.

Riskant ist das Leben als Grauer Mausmaki-Mann allerdings in der Tat, und das sommers wie winters. In der rund einen Monat andauernden Paarungszeit im feuchtwarmen madagassischen Frühsommer ab Mitte Oktober schwärmen die Männchen hektisch aus, um die bequem auf den Bäumen verharrenden Weibchen zu suchen und willige Partnerinnen zu finden. Hatten sie dabei Erfolg, so bewachen und verteidigen sie den Zugang zur vorzugsweise monopolisierten Schönen gewaltsam gegen interessierte Nebenbuhler – alles in allem also ein durchaus selbst gefährdender Lebensabschnitt für Maki-Männer mit Kinderwunsch.

Auch der trockene männliche Winter ist indes nicht ohne: Während hier alle Weibchen der untersuchten Maki-Population Madagaskars eine monatelang ausgedehnte Ruhepause einlegen, eilen die Männchen weiter hektisch durch den umgebenden Kirindy-Wald und gönnen sich höchsten kurze tägliche Verschnaufpausen erholsamer Erstarrung. Auch dies klingt angesichts der lauernden Räuber im Wald deutlich gefährlicher als das weibchentypische Verharren.

Gefahren im Wald

Auf der Suche nach konkreten Zahlen zum Überleben der Geschlechter fingen Maki-Forscher in Madagaskar von 1999 bis zum April 2005 insgesamt 435 Maki-Individuuen in bananenbeköderten Fallen, markierten die Tiere, verfolgten ihre Lebensschicksale und errechneten Details der demografischen Entwicklung der Population – wobei sie ihr Augenmerk besonders auf die Saisonalität männlicher Sterbeereignisse richteten.

Am Ende der Auswertung fallen nun zwei eindeutige Ergebnisse ins Auge. Zum ersten: Der Winter hat für Männchen keine größeren Schrecken als für Weibchen, denn ob Winterruhe oder Rumgerenne, beide Geschlechter starben gleich häufig. Zum zweiten: Paarungszeit bedeutet tödlichen Stress für Männchen – ausschließlich in dem Monat hektischer sexueller Aktivitäten sterben die Männchen so viel häufiger, dass damit ihre im Durchschnitt insgesamt kürzere Lebensdauer erklärbar ist.

Das könnte nun allerdings zwei Ursachen haben, spekulierten die Forscher: Tatsächlich ist nicht nur die Risikobereitschaft der Männchen zu dieser Zeit erhöht, sondern auch der Testosteronspiegel. Hohe Blutwerte des männlichen Sexualhormons, wie sie mit Aggressivität, Kampf- und Risikobereitschaft einhergehen, sind nämlich nicht nur deswegen manchmal ungesund, weil sie den Mann in gefährliche Kämpfe mit Artgenossen treiben – zudem kann ein hoher Testosteronspiegel auch für ein weniger gut funktionierendes Immunsystem sorgen. Sterben die Männchen also vielleicht häufiger an durch Hormonüberschuss bedingte Infektionen als im männlichen Kampf um Sex?

Nein, so die Antwort von Kraus und Co nach einer Detailanalyse der Daten. Denn tatsächlich war in zumindest zwei Jahren eines ganz eindeutig: Die Todesrate der Männchen stieg stets nur in genau den vier Wochen, in denen die Männchen tatsächlich aktiv auf der Suche nach Weibchen waren, nicht aber davor und danach. Die Testosteronwerte steigen bei den Tieren aber durchaus schon vor der aktiven Suche – sie allein und die vielleicht mit ihnen einhergehende Anfälligkeit sind also kein ausschlaggebender Grund männlichen Maki-Frühablebens.

Damit wären die Dinge also geklärt, zumindest im Reich der madagassischen Primaten – sie zahlen einen hohen Preis für ihre Chance auf Reproduktion. Und damit vom Säugetier Mausmaki zurück zum Säugetier Mensch, für den all dies ja nun doch nicht so recht zutrifft. Oder, so der Konsens der Forschergemeinde, zumindest nur zum Teil – die im Durchschnitt kürzere Lebensdauer männlicher Organismen hat bestimmt viele im einzelnen geringfügige Ursachen neben dem Lebensrisiko, der Y-chromosomalen genetischen Fragilität, einer höheren Anfälligkeit gegenüber Parasiten und Krankheitserregern. Und ein paar anderer möglicher Gründe, die hier jetzt wohl nicht unbedingt vollzählig aufgereiht werden müssen, weil sie ohnehin nicht jeden einzelnen betreffen. Und überhaupt – welcher Mann glaubt in lebenswichtigen Fragen schon an Durchschnittswerte?
  • Quellen
Kraus, C. et al.: The costs of risky male behaviour: Sex differences in seasonal survival in a small sexually monomorphic primate. In: Proceedings of the Royal Society B 10.1098/rspb.2008.0200, 2008.

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