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Plattentektonik: »Verlorener« Kontinent im Mittelmeerraum entdeckt

Südeuropa ist nicht nur kulturell, sondern auch geologisch sehr komplex. Das zeigt ein bislang unbekanntes Plattenstück, das in Gebirgen der Region seine Spuren hinterlassen hat.
Apenninen

Die Geologie des Himalajas ist simpel – zumindest verglichen mit dem Mittelmeergebiet: Während sich in Südasien Indien unter die große eurasische Platte schiebt und eine Verwerfungslinie nach der anderen erzeugt, geht es zwischen Italien und der Türkei sehr chaotisch zu. Immer wieder wurde hier die Erdkruste durch unterschiedliche Platten und Plattenbruchstücke gebogen, gestaucht und gebrochen, Gebirge wurden aufgeworfen und wieder verformt. Dazu kommt die Vielzahl an Staaten und geologischen Untersuchungen, die auf unterschiedlichen Annahmen beruhen. Douwe van Hinsbergen von der Universität Utrecht und sein Team haben sich dennoch die Mühe gemacht, zumindest einen Teil dieser Geschichte in »Gondwana Research« neu zu schreiben – und sie stießen dabei auf ein bislang unbekanntes großes Plattenstück, das einige Gebirge der Region aufgefaltet hat.

Das »Greater Adria« genannte Fragment – ursprünglich so groß wie heute Griechenland – war bis vor 140 Millionen Jahren Teil von Gondwana und spaltete sich damals von Nordafrika ab. Mit einer Geschwindigkeit von etwa einem Zentimeter pro Jahr bewegte es sich nach Norden in Richtung Europa und begann dabei langsam unter Südeuropa in den Mantel abzutauchen. Dabei wurden Teile der Kruste von Greater Adria regelrecht abgekratzt und zu Gebirgen aufgetürmt: Diese Sedimentgesteine bilden heute einen Teil der südlichen Alpen, der Apenninen und von Gebirgszügen auf dem Balkan, Griechenlands und der Türkei. Der größte noch vorhandene Teil dieses Plattenstücks verläuft in einem Streifen von Turin über die Adria bis zum Absatz des italienischen Stiefels – von der Adria leitet sich letztlich der Name des Bruchstücks ab.

Schon nach der Abspaltung von Gondwana versank ein Teil der kontinentalen Kruste von Greater Adria langsam im Meer, so dass sich hier flache Schelfmeere mit großen Korallenriffen bildeten. Diese Kalksteine finden sich in den Gebirgen der Region wieder. Die Rekonstruktion der plattentektonischen Ereignisse dauerte nach Aussagen der Wissenschaftler fast zehn Jahre. Nachdem sie das Alter und die magnetischen Eigenschaften der Gesteine bestimmt und zugeordnet hatten, fütterten sie damit ein geotektonisches Modell der Region, um die Bewegungen der Platten und kleinerer Bruchstücke im Lauf der Zeit zu simulieren. Dadurch offenbarten sich weitere kleinere Fragmente, die ausgehend von Gondwana über das damalige Tethys-Meer nach Norden und Nordosten wanderten und heute einen Bestandteil von Rumänien, der Türkei oder Armenien bilden. Die Reste von Greater Adria unterhalb Europas lassen sich noch bis in eine Tiefe von 1500 Kilometern nachweisen.

In den letzten Jahren haben Geologen immer wieder »verlorene« Kontinente und Plattenteile aufgespürt. Der größte und vielleicht bekannteste dürfte Zealandia sein, das bisweilen als achter Kontinent gilt. Es erstreckt sich zwischen Australien und Neuseeland, liegt jedoch bis auf wenige erhaltene Inseln komplett unter Wasser. Aber auch in der Antarktis finden sich unter dem Eis in der Erdkruste die Spuren vergangener Platten.

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