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News: Vermehrtes Algenwachstum 'pumpt' verstärkt Kohlendioxid ins Meer

Ozeane sind die wichtigste Kohlendioxid-Senke der Erde. Von Algen gebundener Kohlenstoff wird in der Tiefe wieder freigesetzt, wenn abgestorbene Organismen absinken und dort zersetzt werden. Wissenschaftler haben nun herausgefunden, dass sich die Kapazität dieses Kohlendioxid-Speichers in den letzten Jahrzehnten deutlich erhöht hat. Sie vermuten, dass unter anderem aus der Luft eingetragene Stickstoffverbindungen ein vermehrtes Wachstum der planktischen Algen ausgelöst haben.
Die Meere sind auf unserem Planeten der größte aktive Speicher für das Treibhausgas Kohlendioxid. In ihnen ist etwa 50-mal mehr CO2gelöst, als derzeit in der Atmosphäre vorliegt. Biologische Prozesse haben die Speicherkapazität der Meere für Kohlendioxid in den letzten Jahrzehnten noch erhöht, wie Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven anhand von Daten aus der Tiefe des Atlantik und des Pazifik in einer Studie nachweisen (Science vom 4. Februar 2000). Allein im Nordpazifik wurden in den letzten 50 Jahren etwa 200 Millionen Tonnen Kohlenstoff pro Jahr zusätzlich gespeichert. Dies entspricht etwa den jährlichen Kohlendioxid-Emissionen Deutschlands.

Die Erkenntnisse von Markus Pahlow und Ulf Riebesell basieren auf einer umfangreichen Analyse von Nährstoffdaten aus dem Tiefenwasser der Weltmeere, die in den letzten 50 Jahren gemessen wurden. Diese stellen eine Art Chronik der Vergangenheit unserer Meere dar. Anhand der Daten konnten die beiden Autoren nachweisen, dass sich das Verhältnis von gelöstem Nitrat, Phosphat und Sauerstoff im Tiefenwasser der Nordhalbkugel deutlich verändert hat. Bisher wurde dieses sogenannte Redfield-Verhältnis als Konstante betrachtet. Die neuen Daten lassen darüber hinaus auch auf Veränderungen der Speicherkapazität für Kohlenstoff im Meer schließen, für die sonst keine verlässlichen Informationen aus der Vergangenheit vorliegen.

Was hat zu den Veränderungen im ozeanischen Kohlendioxid-Speicher geführt? Die Kapazität des Ozeans, Kohlendioxid zu speichern, hängt wesentlich von der Effizienz der sogenannten "biologischen Kohlenstoffpumpe" ab. Dieser Begriff fasst eine Reihe von Prozessen zusammen, durch die Kohlendioxid an der Meeresoberfläche durch mikroskopisch kleine Algen photosynthetisch gebunden wird und durch Absinken der Algenbiomasse in die Tiefe gelangt. Durch bakterielle Zersetzung der Algen wird der Kohlenstoff auf dem Weg in die Tiefe freigesetzt und in tieferen Schichten des Meeres angereichert.

Bisher wurde davon ausgegangen, dass die Effizienz dieser "Kohlenstoffpumpe" mehr oder weniger konstant ist. Den neuen Erkenntnissen zufolge hat diese jedoch in den letzten 50 Jahren zugenommen. "Offenbar reagieren die Algen, der Motor der 'biologischen Kohlenstoffpumpe' auf Änderungen ihrer Umwelt", erläutert der Meeresforscher Riebesell. "Dass dies in einer Größenordnung geschieht, die den Kohlendioxid-Haushalt des Ozeans merklich beeinflusst, ist das eigentlich Überraschende an den Ergebnissen."

Worauf die Algen reagiert haben, ist allerdings noch unklar. "Wir vermuten, dass der zunehmende atmosphärische Stickstoffeintrag als Folge hoher Stickoxid-Emissionen das Wachstum der planktischen Algen begünstigt", sagt Ulf Riebesell. "Auch die erhöhte biologische Verfügbarkeit von Eisen im Meerwasser, bedingt durch sauren Regen, könnte hierbei eine Rolle spielen. Insbesondere im Pazifik gibt es weite Gebiete, in denen Eisenmangel das Algenwachstum beschränkt."

Ob und in welchem Umfang die zusätzliche Kohlendioxid-Senke auch in Zukunft bestehen wird, lässt sich gegenwärtig nicht sagen. Dies ist jedoch eine Kernfrage für Einschätzungen über den weiteren Verlauf und mögliche Auswirkungen des Treibhauseffekts und eines hohen Gehalts an Kohlendioxid in der Atmosphäre. Die Untersuchungen am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven konzentrieren sich deshalb darauf, die Ursachen und Mechanismen aufzuklären, die zu der beobachteten Beschleunigung der 'biologischen Kohlenstoffpumpe' geführt haben. Nur durch ein besseres Verständnis dieser Mechanismen lassen sich seriöse Prognosen über die weitere Entwicklung dieser zusätzlichen Kohlendioxid-Senke anstellen.

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