News: Vermehrtes Algenwachstum 'pumpt' verstärkt Kohlendioxid ins Meer
Die Erkenntnisse von Markus Pahlow und Ulf Riebesell basieren auf einer umfangreichen Analyse von Nährstoffdaten aus dem Tiefenwasser der Weltmeere, die in den letzten 50 Jahren gemessen wurden. Diese stellen eine Art Chronik der Vergangenheit unserer Meere dar. Anhand der Daten konnten die beiden Autoren nachweisen, dass sich das Verhältnis von gelöstem Nitrat, Phosphat und Sauerstoff im Tiefenwasser der Nordhalbkugel deutlich verändert hat. Bisher wurde dieses sogenannte Redfield-Verhältnis als Konstante betrachtet. Die neuen Daten lassen darüber hinaus auch auf Veränderungen der Speicherkapazität für Kohlenstoff im Meer schließen, für die sonst keine verlässlichen Informationen aus der Vergangenheit vorliegen.
Was hat zu den Veränderungen im ozeanischen Kohlendioxid-Speicher geführt? Die Kapazität des Ozeans, Kohlendioxid zu speichern, hängt wesentlich von der Effizienz der sogenannten "biologischen Kohlenstoffpumpe" ab. Dieser Begriff fasst eine Reihe von Prozessen zusammen, durch die Kohlendioxid an der Meeresoberfläche durch mikroskopisch kleine Algen photosynthetisch gebunden wird und durch Absinken der Algenbiomasse in die Tiefe gelangt. Durch bakterielle Zersetzung der Algen wird der Kohlenstoff auf dem Weg in die Tiefe freigesetzt und in tieferen Schichten des Meeres angereichert.
Bisher wurde davon ausgegangen, dass die Effizienz dieser "Kohlenstoffpumpe" mehr oder weniger konstant ist. Den neuen Erkenntnissen zufolge hat diese jedoch in den letzten 50 Jahren zugenommen. "Offenbar reagieren die Algen, der Motor der 'biologischen Kohlenstoffpumpe' auf Änderungen ihrer Umwelt", erläutert der Meeresforscher Riebesell. "Dass dies in einer Größenordnung geschieht, die den Kohlendioxid-Haushalt des Ozeans merklich beeinflusst, ist das eigentlich Überraschende an den Ergebnissen."
Worauf die Algen reagiert haben, ist allerdings noch unklar. "Wir vermuten, dass der zunehmende atmosphärische Stickstoffeintrag als Folge hoher Stickoxid-Emissionen das Wachstum der planktischen Algen begünstigt", sagt Ulf Riebesell. "Auch die erhöhte biologische Verfügbarkeit von Eisen im Meerwasser, bedingt durch sauren Regen, könnte hierbei eine Rolle spielen. Insbesondere im Pazifik gibt es weite Gebiete, in denen Eisenmangel das Algenwachstum beschränkt."
Ob und in welchem Umfang die zusätzliche Kohlendioxid-Senke auch in Zukunft bestehen wird, lässt sich gegenwärtig nicht sagen. Dies ist jedoch eine Kernfrage für Einschätzungen über den weiteren Verlauf und mögliche Auswirkungen des Treibhauseffekts und eines hohen Gehalts an Kohlendioxid in der Atmosphäre. Die Untersuchungen am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven konzentrieren sich deshalb darauf, die Ursachen und Mechanismen aufzuklären, die zu der beobachteten Beschleunigung der 'biologischen Kohlenstoffpumpe' geführt haben. Nur durch ein besseres Verständnis dieser Mechanismen lassen sich seriöse Prognosen über die weitere Entwicklung dieser zusätzlichen Kohlendioxid-Senke anstellen.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 1.2.2000
"Ein Gas auf Wanderschaft"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Ticker vom 11.5.1999
"Endlager für Treibhausgase auf dem Meeresgrund?"
Das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven gehört der Helmholtz-Gemeinschaft an. Es widmet sich der Erforschung der Polarregionen und nimmt dabei auch Themen wie Meeresbiologie oder Klimawandel in den Blick.
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