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Entwicklungsländer: Vermeidbare Erblindung im Südsudan übermäßig häufig?

Zwei Studien zum Auftreten von Trachomen und Grauem Star haben ungewöhnlich hohe Werte für die Bevölkerung des Mankien-Payam-Distrikts im Südsudan erbracht. Die Wissenschaftler führen dies auf die schlechte medizinische Versorgung während des langen Bürgerkriegs zurück und fordern die schnelle Umsetzung der WHO-Strategie mit Operationen, Antibiotika, Gesichtshygiene und Verbesserung der Lebens- und Umweltbedingungen (Safe: Surgery, Antibiotics, Facial cleanliness and Environmental change).

Jeremiah Ngondi von der Universität Cambridge und seine Kollegen hatten im Mai 2005 von den 61 Dörfern des Distrikts 22 zufällig ausgewählt und dort die Sehkraft der Bewohner ebenfalls zufällig ausgewählter Haushalte untersucht. Den Daten zufolge sind 4,1 Prozent der Bevölkerung über fünf Jahre blind – bei den über 50-Jährigen sogar über ein Viertel –, und weitere 7,7 Prozent leiden unter verringerter Sehfähigkeit [1]. Hauptsächlich verantwortlich waren Grauer Star (41,2 Prozent) und Trachome (35,3 Prozent), eine ansteckende Infektion mit Chlamydien, die letztendlich über eine Schädigung der Augenlider die Hornhaut trübt und die Betroffenen erblinden lässt. In einer zweiten Untersuchung erfassten die Wissenschaftler noch einmal genauer die Verbreitung von Trachomen. Mehr als die Hälfte der untersuchten Kinder zeigte bereits erste Anzeichen der Infektion, ein Fünftel der Erwachsenen hatte bereits verkrüppelte Augenlider [2].

Hannah Kuper und Clare Gilbert von der Londoner Hochschule für Hygiene und Tropische Medizin äußern sich jedoch skeptisch zu den publizierten Daten [3]. Sie vermuten, dass bei der Durchführung der Untersuchungen Fehler auftraten, welche die Ergebnisse nach oben verfälschten. So liegt der Blindenanteil von über vier Prozent weit über dem, was aus anderen Krisengebieten Afrikas gemeldet wird, und auch die Weltgesundheitsorganisation geht nur von einem Anteil von einem Prozent für ganz Afrika aus. Die Häufigkeit der Trachome entspreche zwar in etwa auch anderen Erhebungen, doch die Quote der Erblindeten wird anderswo deutlich niedriger angegeben. Ebenso beträgt die Zahl der nur auf einem Auge Betroffenen normalerweise das Doppelte der auf beiden Augen Erblindeten, während Ngondi und seine Mitarbeiter nahezu eine Gleichverteilung beobachteten.

Die Wissenschaftlerinnen vermuten, dass allein der Punkt, man suche Blinde, beispielsweise die lokalen Führer vor Ort beeinflusst habe. Auch seien die eingesetzten Hilfskräfte aus einer Art Augenklinik speziell darauf geschult, möglichst viele dahingehende Anzeichen aufzuspüren, weshalb Sehverlust womöglich überdiagnostiziert wurde. Zudem sei eine aussagekräftige Untersuchung nur unter geeigneten, blendfreien Lichtverhältnissen und geringer Ablenkung möglich – auch hier könnten sich systematische Fehler eingeschlichen haben. Die alternative Erklärung für die hohen Werte sei sonst, dass gesunde Menschen mit normalem Sehvermögen übermäßig aus dem Gebiet ausgewandert oder verstorben seien, schließen die Forscherinnen. Es müsse sich nun zeigen, ob eine weitere Untersuchung die Daten bestätigen könne. (af)

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