Spektakuläre Ausgrabung: Verscharrte Pestopfer im Irrenhaus-Friedhof (mit 360-Grad-Video)
Seit einigen Monaten arbeiten Archäologen in London an der vielleicht spektakulärsten Ausgrabung des Jahres – dem mindestens 450 Jahre alten Bedlam-Friedhof, über dem gerade ein Bahnknotenpunkt für Hochgeschwindigkeitszüge tiefergelegt wird. Dabei kamen immer wieder unglaubliche Funde ans Tageslicht, allein in diesem Jahr die Überreste von etwa 3500 Toten. Der letzte Fund ist nun aber nochmals spektakulärer: In der Nähe eines simpel mit "1665" beschrifteten Steinmals entdeckten die Archäologen 30 Tote, die wohl sehr hastig an einem Tag mehr schlecht als recht bestattet wurden – offenbar unter dem Eindruck einer Katastrophe und Zeitdruck. Es sei gut denkbar, dass es sich bei den Toten um Opfer der Pest handelt, die in jenem Jahr in London grassierte, so die Grabungsleiter: Die Fundlage unterscheide sich drastisch von den sonst vor Ort vorgefundenen Bestattungen. Näheres über das Schicksal der Toten im Massengrab sollen nun Knochenanalysen liefern.
Insgesamt 60 Archäologen sind seit Monaten beschäftigt, die Funde des alten Gottesackers zu dokumentieren. Er diente zwischen 1569 und mindestens 1738 wohl insgesamt bis zu 30 000 Londonern als letzte Ruhestätte. Der auch als "New Churchyard" bekannte Bedlam-Friedhof hat seinen Namen vom in unmittelbarer Nähe liegenden Bethlehem Hospital (ebenfalls "Bedlam"), einem berühmt-berüchtigten und in die angelsächsische Sprache und Folklore eingegangenen Irrenhaus. Wahrscheinlich sind aber lediglich wenige ehemalige Insassen der Anstalt auf dem gleichnamigen Friedhof bestattet, vermuten Historiker. Allerdings sind ohnehin nur wenige Tote identifizierbar: Zwar finden sich ab und an Grabepigramme; die sind aber oft bis zur Unlesbarkeit korrodiert. Im 18. Jahrhundert wurde der Friedhof dann nicht mehr benutzt. Nachdem er lange außerhalb der Stadtmauern gelegen hatte, wuchs die sich ausdehnende Kapitale rasch über ihn hinweg, und viele Grabsteine wurden als Baumaterial recycelt.
Die Ausgrabungen werden weiter fortgesetzt. Unter den mittelalterlichen Schichten freuen sich die Archäologen auch auf Funde aus der Römerzeit. Im Zuge des Bahnprojekts waren andernorts etwa die Reste von römischen Hufeisen gefunden worden sowie eine Art von frühmittelalterlichen Knochenschlittschuhen.
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben