News: Verschnitten
Wenn die erste Abschrift eines Gens nicht ordentlich in die richtige Bauanleitung für das Protein zurecht geschnitten wird, drohen schwere gesundheitliche Folgen. Dazu gehört offenbar auch die häufigste Krebserkrankung von Kindern: die akute lymphatische Leukämie.
Blass, gerade zu käsig ist der Vierjährige, und ungewöhnlich still für seine sonst lebhafte Art. Beim Herumtoben wird er schnell müde, und schon für kleine Aktionen fühlt er sich viel zu schlapp. Außerdem hat er ständig Nasenbluten, und als die Eltern dann zusätzlich winzige, gerade mal punktförmige Blutergüsse an allen möglichen Stellen seines Körpers finden, fragen sie die Kinderärztin um Rat. Eine Blutuntersuchung liefert den ersten Hinweis: Die Zahl der noch unausgereiften B-Zellen – wichtigen Mitgliedern der Immunabwehr – liegt weit über dem normalen Wert. Eine Knochenmarksuntersuchung bestätigt die Diagnose: akute lymphatische Leukämie.
Diese Leukämievariante ist die häufigste Krebserkrankung unter Kindern und tritt vor allem zwischen dem zweiten und dem fünften Lebensjahr auf. Die Behandlungschancen liegen, sofern die Krankheit frühzeitig erkannt wird, recht gut: Mithilfe einer Chemotherapie werden die sich unkontrolliert teilenden B-Zell-Vorläufer abgetötet, damit sich das Immunsystem des Patienten aus gesunden Zellen regenerieren kann. Reicht das nicht aus oder sind unter anderem die Hirnhäute betroffen, kann auch eine Strahlentherapie oder eine Knochenmarkstransplantation nötig werden. Doch immerhin überleben 80 Prozent der behandelten Kinder die nächsten fünf, die Hälfte die nächsten zehn Jahre.
Warum die Zellentwicklung eine Sackgasse einschlägt und die Vorläufer der B-Zellen nicht weiter ausdifferenzieren, ist immer noch ein Rätsel. Es sind verschiedene Faktoren bekannt, welche das Entstehen einer Leukämie fördern können, von ionisierender Strahlung über bestimmte Chemikalien bis zu Veränderungen im Erbgut. Doch das Forschungsteam um Michael Reth von der Universität Freiburg und dem Max-Planck-Institut für Immunbiologie in Freiburg hat nun offenbar einen entscheidenden Puzzlestein gefunden, was in den Zellen letztlich schief geht.
Die Wissenschaftler arbeiteten mit Mäusen, die das Protein SLP-65 nicht herstellen können. Jenes Eiweiß greift mit ordnender Hand in die interne Kommunikation der Zelle ein, indem es wie ein Adapter verschiedene Signalmoleküle zu einem großen Komplex bindet. So werden die einzelnen Botschaften im Zusammenhang mit der B-Zell-Entwicklung und Zellteilung kontrolliert und richtig abgestimmt weitergegeben. Bei den Nagern, denen SLP-65 fehlte, teilten sich die Vorläufer der B-Zellen jedoch unkontrolliert und entwickelten sich auch nicht weiter zu ausgereiften B-Zellen – sie litten an einer Art Leukämie.
Daraufhin untersuchten die Forscher Knochenmarksproben von Kindern mit akuter lymphatischer Leukämie darauf, ob hier ebenfalls ein Mangel an SLP-65 und der entsprechenden Bauanleitung dafür – der Boten- oder mRNA – vorliegt. Tatsächlich fanden sie bei sechs von zehn Patienten nur Spuren jener Gen-Abschrift. Im Blut weiterer erkrankter Kinder entdeckten sie außerdem Varianten der mRNA, die nicht mit der normalen Form in gesunden Zellen übereinstimmte, sondern länger war. Offenbar war hier beim Spleißen, also dem nachträglichen Zusammenschneiden der ursprünglichen Eins-zu-eins-Abschrift, die noch sehr viel informationslose und daher überflüssige Sequenzen enthält, ein Fehler geschehen.
Jene zusätzlichen Stücke, die Reth und seine Kollegen in den ungewöhnlichen RNA-Molekülen aufspürten, wirken als Stoppsignal und beenden somit zu früh das Ablesen der Bauanleitung. Dementsprechend können diese Zellen kein funktionsfähiges SLP-65 herstellen, beziehungsweise werden womöglich schon die fehlerhaften RNAs vorzeitig als Unsinn erkannt und abgebaut. Ohne SLP-65 fehlt allerdings auch die Kontrollinstanz für die Zellteilung jener B-Zellen-Vorläufer – und diese beginnen zu wuchern.
Warum nun allerdings die zusätzlichen Stücke in der Bauanleitung auftauchen, ist noch reine Spekulation. Vielleicht, so vermuten die Forscher, sind bestimmte Viren dafür verantwortlich, indem sie in der Zelle jene regulierenden Faktoren stören, die entscheiden, welche Bestandteile der ersten Gen-Abschrift übernommen und welche herausgeschnitten werden. Zwar wurde bisher kein solcher Zusammenhang zwischen einer Vireninfektion und akuter lymphatischer Leukämie bei Kindern festgestellt, doch hinterlassen manche der Erreger keine oder nur schwer zu entdeckende Spuren.
Diese Leukämievariante ist die häufigste Krebserkrankung unter Kindern und tritt vor allem zwischen dem zweiten und dem fünften Lebensjahr auf. Die Behandlungschancen liegen, sofern die Krankheit frühzeitig erkannt wird, recht gut: Mithilfe einer Chemotherapie werden die sich unkontrolliert teilenden B-Zell-Vorläufer abgetötet, damit sich das Immunsystem des Patienten aus gesunden Zellen regenerieren kann. Reicht das nicht aus oder sind unter anderem die Hirnhäute betroffen, kann auch eine Strahlentherapie oder eine Knochenmarkstransplantation nötig werden. Doch immerhin überleben 80 Prozent der behandelten Kinder die nächsten fünf, die Hälfte die nächsten zehn Jahre.
Warum die Zellentwicklung eine Sackgasse einschlägt und die Vorläufer der B-Zellen nicht weiter ausdifferenzieren, ist immer noch ein Rätsel. Es sind verschiedene Faktoren bekannt, welche das Entstehen einer Leukämie fördern können, von ionisierender Strahlung über bestimmte Chemikalien bis zu Veränderungen im Erbgut. Doch das Forschungsteam um Michael Reth von der Universität Freiburg und dem Max-Planck-Institut für Immunbiologie in Freiburg hat nun offenbar einen entscheidenden Puzzlestein gefunden, was in den Zellen letztlich schief geht.
Die Wissenschaftler arbeiteten mit Mäusen, die das Protein SLP-65 nicht herstellen können. Jenes Eiweiß greift mit ordnender Hand in die interne Kommunikation der Zelle ein, indem es wie ein Adapter verschiedene Signalmoleküle zu einem großen Komplex bindet. So werden die einzelnen Botschaften im Zusammenhang mit der B-Zell-Entwicklung und Zellteilung kontrolliert und richtig abgestimmt weitergegeben. Bei den Nagern, denen SLP-65 fehlte, teilten sich die Vorläufer der B-Zellen jedoch unkontrolliert und entwickelten sich auch nicht weiter zu ausgereiften B-Zellen – sie litten an einer Art Leukämie.
Daraufhin untersuchten die Forscher Knochenmarksproben von Kindern mit akuter lymphatischer Leukämie darauf, ob hier ebenfalls ein Mangel an SLP-65 und der entsprechenden Bauanleitung dafür – der Boten- oder mRNA – vorliegt. Tatsächlich fanden sie bei sechs von zehn Patienten nur Spuren jener Gen-Abschrift. Im Blut weiterer erkrankter Kinder entdeckten sie außerdem Varianten der mRNA, die nicht mit der normalen Form in gesunden Zellen übereinstimmte, sondern länger war. Offenbar war hier beim Spleißen, also dem nachträglichen Zusammenschneiden der ursprünglichen Eins-zu-eins-Abschrift, die noch sehr viel informationslose und daher überflüssige Sequenzen enthält, ein Fehler geschehen.
Jene zusätzlichen Stücke, die Reth und seine Kollegen in den ungewöhnlichen RNA-Molekülen aufspürten, wirken als Stoppsignal und beenden somit zu früh das Ablesen der Bauanleitung. Dementsprechend können diese Zellen kein funktionsfähiges SLP-65 herstellen, beziehungsweise werden womöglich schon die fehlerhaften RNAs vorzeitig als Unsinn erkannt und abgebaut. Ohne SLP-65 fehlt allerdings auch die Kontrollinstanz für die Zellteilung jener B-Zellen-Vorläufer – und diese beginnen zu wuchern.
Warum nun allerdings die zusätzlichen Stücke in der Bauanleitung auftauchen, ist noch reine Spekulation. Vielleicht, so vermuten die Forscher, sind bestimmte Viren dafür verantwortlich, indem sie in der Zelle jene regulierenden Faktoren stören, die entscheiden, welche Bestandteile der ersten Gen-Abschrift übernommen und welche herausgeschnitten werden. Zwar wurde bisher kein solcher Zusammenhang zwischen einer Vireninfektion und akuter lymphatischer Leukämie bei Kindern festgestellt, doch hinterlassen manche der Erreger keine oder nur schwer zu entdeckende Spuren.
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