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Verschollene Arten: Nach fast 200 Jahren wiederentdeckt

Die Pernambuco-Stechpalme galt seit 1838 als verschollen. Doch nun wurde sie wiedergefunden, sie gehört aber wohl zu den seltensten Pflanzen der Erde.
Grüne Blätter der Pernambuco-Stechpalme umrahmen eine weißliche Blüte, der sich ein Insekt nähert
Blätter der Pernambuco-Stechpalme umrahmen die Blüte der Pflanze. Nur vier Exemplare des Gewächses sind bekannt.

Im Jahr 1838 sammelte der Naturforscher George Gardner Blätter, Blüten, Zweige und anderes Material einer unbekannten Pflanzenart im atlantischen Regenwald des brasilianischen Bundesstaates Pernambuco; der Botaniker Siegfried Reissek beschrieb sie 1861 wissenschaftlich als Pernambuco-Stechpalme (Ilex sapiiformis). Doch Gardner sollte für lange Zeit der letzte Mensch gewesen sein, der das Gewächs bewusst in seiner natürlichen Heimat wahrnahm. Die Stechpalme galt lange verschollen, bis eine Expedition um Gustavo Martinelli von Navia Biodiversity Ltd. sie nun endlich wiederfand: nach über 185 Jahren, wie die Organisation »re:wild« vermeldete.

Zusammen mit anderen Naturschutzorganisationen und wissenschaftlichen Institutionen hat es sich »re:wild« zur Aufgabe gemacht, verschollene Tier- und Pflanzenarten wiederzuentdecken. Die Stechpalme gehörte zu den 25 meistgesuchten Vertretern dieser Liste, weil sie bereits so lange als verschwunden galt. Während die meisten Spezies jedoch eher in entlegenen Regionen vorkommen, fanden Martinelli und sein Team die Pflanze mitten im dicht besiedelten Raum um Igarassu im nordöstlichen Brasilien, und zwar in flussbegleitendem Grün, an das Zuckerrohrplantagen grenzten – die letzten Reste des einstigen Regenwaldes der Region.

Zu Hilfe kamen den Wissenschaftlern zwei bislang unbekannte Herbariumsexemplare der Art in brasilianischen Sammlungen, die bislang weder bestimmt noch digitalisiert worden waren. Anhand der Angaben konnten Martinelli und Co das Gebiet eingrenzen, in dem sie suchen mussten. Das Expeditionsteam wählte schließlich vier Gebiete in der Metropolregion von Recife aus, zu der Igarassu gehört, um dort nach der Stechpalme zu suchen. Innerhalb dieser Pflanzengruppe gibt es viele verschiedene Arten, die sich nur schwer unterscheiden lassen. Die beteiligten Spezialisten des Teams waren schließlich in der Lage, die Art anhand ihrer winzigen grünlich-weißen Blüten sicher zu identifizieren. Insgesamt spürten sie in einem bewaldeten Gebiet am Ufer eines kleinen Flusses vier der Bäume auf – je zwei männliche und weibliche.

Die geringe Zahl an bekannten Exemplaren macht die Art zu einem der seltensten Bäume der Welt. Ein Team vom Botanischen Garten Recifes überwacht die Pflanzen daher in wöchentlichem Abstand, um womöglich Früchte oder Samen sammeln zu können, aus denen sich dann in menschlicher Obhut neue Individuen ziehen lassen. Andere Expeditionen sollen zudem weitere Pernambuco-Stechpalmen aufspüren.

Seit »re:wild« 2017 die Suche nach den verschollenen Arten angestoßen hat, konnten Teams rund um die Erde mehrere verschollene Spezies wieder aufspüren, etwa Wallaces Riesenbiene (Megachile pluto in der Inselgruppe der Molukken. Eine ähnliche Aktion mit dem Ziel, lange vermisste Vögel wiederzufinden, war ebenfalls bereits erfolgreich. 2022 vermeldeten Ornithologen beispielsweise, dass sie die Schwarznacken-Fasantaube (Otidiphaps insularis) auf einer kleinen Insel vor Neuguinea wiedergefunden hatten.

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