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50 Jahre deutsch-israelische Beziehungen: Versöhnende Wissenschaft

In den späten 1950er Jahren traten deutsche und israelische Forscher dafür ein, nach der furchtbaren Erfahrung des Holocaust wieder zusammenarbeiten zu können. So wurden sie Wegbereiter auch für die politische Verständigung beider Völker.
Handschlag Israel - Deutschland

Als am 12. Mai 1965 Israel und die Bundesrepublik Deutschland diplomatische Beziehungen aufnahmen, blickten einige Wissenschaftler beider Länder bereits auf eine mehrjährige Zusammenarbeit zurück. Sie gehörten zu den Ersten, die sich den Menschen aus dem anderen Land wieder annäherten. Dieser wissenschaftliche Dialog führte "nicht nur zu der fruchtbaren und freundschaftlichen Zusammenarbeit unserer heutigen Wissenschaftler", wie der israelische Biochemiker Michael Sela 1981 resümierte, "sondern auch zu unseren diplomatischen Beziehungen".

Sela war damals der Präsident des israelischen Weizmann-Instituts, einer der bedeutendsten Forschungseinrichtungen des Landes. Von diesem Institut ging 1959 der offizielle Beginn der deutsch-israelischen Wissenschaftsbeziehungen aus, als es eine hochrangige Delegation der deutschen Max-Planck-Gesellschaft (MPG) einlud. Dem bahnbrechenden Ereignis gingen langjährige Bemühungen voraus, in denen Forscher daran arbeiteten, Vorbehalte abzubauen. Denn diese waren gewaltig und historisch begründet.

Während der Nazidiktatur wurden viele jüdische Wissenschaftler vertrieben und die europäischen Juden systematisch ermordet. Das beendete eine produktive deutsch-jüdische Symbiose in den Wissenschaften abrupt und brutal. Die nationalsozialistischen Machthaber zwangen tausende Forscher, darunter Nobelpreisträger wie Albert Einstein, Fritz Haber oder Otto Meyerhof, in die Emigration. Andere, wie der Physiker Arnold Berliner, Herausgeber der Zeitschrift "Die Naturwissenschaften", wählten den Freitod, um ihrer Deportation zu entgehen. Ungezählte Wissenschaftler – darunter der Chemiker Felix Epstein – wurden in den Vernichtungslagern ermordet.

Im ersten Jahrzehnt nach der Gründung Israels 1948 gehörte es zum Konsens der jüdischen Gesellschaft, Kontakte zu Deutschen oder gar deutschen Institutionen grundsätzlich abzulehnen. Den Staatsbürgern war es sogar untersagt, ohne Erlaubnis Deutschland zu besuchen, und israelische Pässe trugen den Vermerk "gültig für alle Länder, mit Ausnahme Deutschlands".

Obwohl die israelische Gesellschaft und Politik die totale Abkoppelung von der deutschen Kultur forderte, gab es in dieser Zeit vereinzelte Kontakte – nicht zuletzt in den Wissenschaften. So besuchten deutsche und israelische Forscher internationale Konferenzen, und es war schwierig, Begegnungen zu vermeiden. Auch fanden im Lauf der 1950er Jahre zunehmend interessante Tagungen in Deutschland statt, von denen israelische Wissenschaftler nicht fernbleiben wollten. Vereinzelt gab es zudem wieder Briefkontakte zwischen einstigen Kollegen, womit an frühere wissenschaftliche Arbeiten angeknüpft und die eigene Forschung gefördert werden sollte.

Mitte der 1950er Jahre wurde zunehmend klar, dass die Sprachlosigkeit zwischen Juden und nichtjüdischen Deutschen nicht ewig andauern würde. Zudem schuf der wachsende zeitliche Abstand zur Nazizeit Raum für eine differenzierte Sicht auf das Deutschland der Nachkriegszeit. Der 1921 geborene israelische Kernphysiker Harry Lipkin fasste seine Erinnerungen an diese Situation 1987 zusammen. Er schrieb, dass es schließlich Deutsche gab, die sich nicht an den Verbrechen beteiligt hätten, unter den führenden deutschen Wissenschaftlern viele gar "mutig und heldenhaft Widerstand gegen den Nationalsozialismus leisteten" und auch eine jüngere Generation von deutschen Wissenschaftlern keine Verantwortung für den Holocaust getragen hatte: "Man konnte sie nicht ausschließen."

Etwas politischer erklärte der erste israelische Premierminister David Ben Gurion 1957 gegenüber seinem Parlament, das nationale Interesse Israels brauche intakte Beziehungen zu Deutschland: "Wir haben es nicht mit der Welt von gestern, sondern mit der Welt von morgen zu tun, nicht mit vergangenen Wirklichkeiten, vielmehr mit bestehenden Realitäten, die sich wandeln und verändern."

Zwar regelte das Luxemburger Abkommen von 1952 die deutschen Wiedergutmachungszahlungen, doch lehnte Israel die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der Bundesrepublik ab. Die Bemühungen um eine weitere Annäherung stagnierten. In den späten 1950er Jahren fürchtete dann die Bundesregierung, diplomatische Beziehungen mit Israel würden zu politischen Konfrontationen mit den arabischen Staaten führen und Deutschland außenpolitisch schwächen.

Wolfgang Gentner (1906 – 1980) | wurde am 23. Juli 1906 in Frankfurt am Main geboren, wo er später Physik studierte. Nach der Promotion ging er als Stipendiat nach Paris, wo ihn Marie Curie und Frédéric Joliot-Curie in das sich damals rasch entwickelnde Gebiet der Kernphysik einführten. 1935 wurde er Assistent von Walter Bothe in Heidelberg, mit dem er die Entwicklung des ersten deutschen Zyklotrons vorantrieb. Im Herbst 1940 – nach der deutschen Besetzung Frankreichs – wurde er nach Paris entsandt, um das dortige Zyklotron in Betrieb zu nehmen und für das deutsche Uranprojekt zu nutzen. Hier kam er wieder in Kontakt mit Joliot-Curie. Ihn und andere französische Wissenschaftler schützte er vor der Besatzungsmacht. Seine kritische Haltung zum NS-Regime verhinderte eine Berufung Gentners im Dritten Reich, so dass er erst 1946 Physikprofessor wurde. Von 1955 bis 1958 war er Direktor für Forschung am CERN in Genf; 1958 wurde er Gründungsdirektor des Max-Planck-Instituts für Kernphysik in Heidelberg, das er bis zu seinem Tod im Jahr 1980 leitete.

Forscher als Brückenbauer

In dieser politischen Pattsituation war es kein Zufall, dass gerade Wissenschaftler den wechselseitigen Kontakt suchten. Schließlich gehen sie zum Problemlösen eher pragmatisch und unideologisch vor. Es gab aber auch handfeste politische Dimensionen. So war Israel sehr daran interessiert, die Forschungsressourcen durch internationale Kooperation und Hilfe zu verbessern, denn das Land hatte große ökonomische Probleme. Auf deutscher Seite wollte man den Status der deutschen Wissenschaft in den internationalen Beziehungen verbessern. Forscher aus der Bundesrepublik hatten es damals immer noch schwer, in der internationalen Wissenschaftlergemeinschaft respektiert und anerkannt zu werden. Eine Aussöhnung mit Israel konnte ein wichtiger Schritt sein, um diese Schwierigkeiten zu überwinden.

Entscheidend für die Aufnahme von Wissenschaftsbeziehungen wurden aber nicht die individuellen Begegnungen zwischen Wissenschaftlern beider Länder in Deutschland oder Israel. Besuche deutscher Wissenschaftler in Israel sind bis in die zweite Hälfte der 1950er Jahre nicht überliefert; der erste war wohl der Heidelberger Physiker Hans Jensen, der 1957 an einer internationalen Tagung als eingeladener Redner teilnahm. Den Durchbruch leiteten vielmehr Treffen an gewissermaßen "neutralen" Orten ein. Ein solcher war das CERN in Genf, das 1954 zwölf westeuropäische Staaten als gemeinsames kernphysikalisches Forschungszentrum gründeten. Es war damit per se ein Ort internationaler Zusammenarbeit, und auch israelische Physiker gehörten dort von Anfang an zu den Gastwissenschaftlern.

Der erste CERN-Forschungsdirektor wurde der Deutsche Wolfgang Gentner (1906 – 1980). Er war nicht nur ein angesehener Wissenschaftler, sondern galt auch als politisch unbescholten und integer. In der Nazizeit hatte er Mut und Zivilcourage bewiesen, als er im besetzten Paris mit der Gruppe um den Physiker und Widerstandskämpfer Frédéric Joliot-Curie kooperierte und sie zudem vor Übergriffen der Besatzungsmacht schützte. Seine Integrität machte ihn nun zur Vertrauensperson. So suchte ihn 1956 der israelische Chemiker Gerhard Schmidt, Professor am Weizmann-Institut, in Freiburg auf und führte mit ihm Gespräche über die Aufnahme deutsch-israelischer Wissenschaftskontakte. Schmidt rannte dabei offene Türen ein, denn auch Gentner war daran interessiert – sah er darin doch eine Möglichkeit, sich zur historischen Schuld der Deutschen gegenüber dem jüdischen Volk öffentlich zu bekennen und diese zumindest in Teilen abzutragen. Darüber hinaus stand er der einseitigen Ausrichtung des deutschen Wissenschaftsbetriebs auf Amerika kritisch gegenüber. Gentner wollte dem ein spezifisch europäisches Gewicht entgegensetzen, und dazu zählte er auch die gemeinsame deutsch-jüdische Tradition.

Schmidt passte gut dazu. Der Sohn eines Berliner Chemieprofessors emigrierte 1934 als Jugendlicher mit seiner jüdischen Mutter nach England, studierte in Oxford Chemie und machte danach am Weizmann-Institut Karriere. Seit Mitte der 1950er Jahre hatte er sich intensiv um Kontakte zu politisch unbelasteten deutschen Wissenschaftlerkollegen bemüht. Dies hatte ihn zu Wolfgang Gentner geführt – zunächst nach Freiburg, wo Gentner damals als Direktor das Physikalische Institut leitete. Dieser erinnerte sich später, dass er nie die "langen Spaziergänge" vergessen werde, die er mit Schmidt zwischen 1956 und 1958 in der Region des Kaiserstuhls unternommen hatte. Dabei besprachen beide, wie und auf welchem Gebiet "man das anstellen sollte, wieder zusammenzukommen".

Jene Spaziergänge sollten zu weiteren Kontakten mit israelischen Wissenschaftlern und Offiziellen führen. Gentner erwies sich in einer heiklen, mit Politik und Emotionen hoch aufgeladenen Lage als der geeignete Mann. Er war nicht nur in Hinblick auf seine eigene Vergangenheit im Dritten Reich integer, sondern ermöglichte durch seine Arbeit am CERN auch unbefangenere Gespräche an einer quasi neutralen Stätte.

Zu den Gastwissenschaftlern am CERN gehörte ebenfalls der israelische Physiker Amos de-Shalit vom Weizmann-Institut. Er war in Palästina geboren und aufgewachsen und somit nicht von der Schoah persönlich betroffen, was die Kontaktaufnahme mit Gentner sicher erleichtert hat. Anfang 1958 trafen sich beide zum ersten Mal, wobei Schmidt wohl die Anregung dazu gab. De-Shalit wollte sondieren, welche Möglichkeiten es gab, offizielle Kontakte zwischen deutschen Forschungseinrichtungen und dem Weizman-Institut aufzubauen. Seine Beweggründe erläuterte de-Shalit 1962 auf einer Veranstaltung der Max-Planck-Gesellschaft. Er betonte, "die Thora lehre, Kinder nicht für die Taten ihrer Eltern verantwortlich zu machen. Genauso wenig müsse eine Gesellschaft für die Verbrechen Einzelner einstehen, so groß die Zahl dieser Individuen auch war. Getreu diesem alten Prinzip glaube ich, dass wir versuchen sollten, wieder Beziehungen aufzunehmen, und wissenschaftliche Kooperationen stellen dazu den wohl besten ersten Schritt dar." Er hoffte, gegenseitiges Verständnis würde dazu beitragen, die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen.

Persönliche Erinnerungen an einen Forschungsaufenthalt

"1968 kam ich für zwei Monate an das Institut von Professor Gentner. Ich zögerte damals, nach Deutschland zu gehen, hatte aber gute Gründe, die sich aus meiner wissenschaftlichen Arbeit ergaben. Die Menschen waren sehr liebenswürdig, insbesondere Gentner.

Als ich zurückkam, schlug Amos de-Shalit mir wegen meines wissenschaftlichen Interesses vor, für einen längeren Zeitraum an das Gentner-Institut zu gehen. Ich war unter einer Bedingung bereit: Sollte ich mich nicht mehr wohl fühlen, könnte ich jederzeit meine Koffer packen und Deutschland verlassen.

Aus drei Gründen habe ich von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht und dehnte meinen Aufenthalt sogar über das ursprünglich vorgesehene Jahr aus. Der erste ist der, dass ich interessante Menschen kennen lernte. Im Gespräch mit ihnen öffnete sich die Mauer aus Anonymität und Drohung, die Deutschland für mich war. Der zweite ist, dass ich nicht Deutsch konnte und so nur mit Menschen in Kontakt kam, die englisch sprechen konnten. Ihre Erziehung war moderner, ihre Haltung offener. Der dritte glückliche Umstand ist der, dass ich anfangs noch nicht Personen jenes Schlages kennen lernte, die, wäre ich ihnen früher begegnet, meine sofortige Abreise verursacht hätten. Ich traf ein halbes Jahr später einen früheren SS-Mann; er stellte sich mir als solcher vor. Da konnte ich bereits mit derartigen Situationen fertigwerden.

Es war nie natürlich. Man pendelte zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – die Empfindsamkeiten waren sehr ausgeprägt. Menschen wie Gentner und andere Freunde haben ihr Möglichstes getan, mir das Leben einfacher zu machen."

Uzi Smilansky, Jahrgang 1941, gehörte zu den ersten israelischen Gastwissenschaftlern in der Bundesrepublik. Von 1968 bis 1971 forschte er am Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg.

Weder Schmidts noch de-Shalits Besuche bei Gentner waren reine Privatinitiativen. Sie hatten sich im Vorfeld mit ihren Kollegen am Weizmann-Institut intensiv besprochen. Die Kontaktaufnahme war wohl auch politisch abgestimmt, schließlich gehörte die Familie de-Shalit zum Freundeskreis der Tochter von Premierminister Ben Gurion.

Politische Hebel

Entscheidend war aber nicht dieser Kontakt von Physiker zu Physiker, vielmehr der mit Josef Cohn, dem Repräsentanten des Weizmann-Instituts in Europa. Cohn wurde 1904 in Berlin geboren und emigrierte 1933. Er gehörte zu den Vertrauten des ersten israelischen Präsidenten Chaim Weizmann. Nach Gründung des Weizmann-Instituts leistete Cohn in England und den USA, wo er während des Kriegs gelebt hatte, Lobbyarbeit für das Forschungsinstitut und warb um Mittel für dessen Ausbau. Mitte der 1950er Jahre verlagerte sich der Schwerpunkt seiner Aktivitäten auf Europa und nicht zuletzt auf Deutschland. Eine heikle Mission, die ihn schließlich auch zu Wolfgang Gentner führte. Im Sommer 1958 kam es in Genf zum ersten Treffen. Cohn fand in Gentner einen vertrauenswürdigen und aufgeschlossenen Gesprächspartner, und beide stimmten überein, dass die angestrebte Kooperation mit dem Weizmann-Institut nicht allein vom persönlichen Wohlwollen einzelner Wissenschaftler abhängen durfte, sondern wegen ihrer historischen Dimension direkte politische Förderung erforderte. Gentner schlug daher Cohn vor, den deutschen Bundeskanzler für das Vorhaben zu gewinnen. Mit dem amerikanischen Industriellen Dannie Heinemann, den Cohn aus seiner Zeit in Amerika gut kannte, verfügte er über einen Gewährsmann, der ihm ein Treffen mit Konrad Adenauer vermittelte. Heinemann war selbst aus Deutschland emigriert und kannte Adenauer noch aus dessen Zeit als Kölner Oberbürgermeister.

Gruppenbild mit Dame | Am 1. Dezember 1959 flog von Zürich aus eine Delegation der Max-Planck-Gesellschaft nach Israel. Dieser Besuch läutete die wissenschaftliche Zusammenarbeit ein. Von links nach rechts: Feodor Lynen, Wolfgang Gentner, dessen Frau Alice Gentner, Otto Hahn und Josef Cohn. Hahns Sohn Hanno ist nicht im Bild – er fotografierte.

Am 6. März 1959 trafen sich Adenauer und Cohn in Köln. Der Bundeskanzler zeigte sich hinsichtlich einer engeren Zusammenarbeit von israelischen und deutschen Wissenschaftlern zunächst skeptisch. Er hielt den deutschen Forschungsbetrieb noch nicht für international konkurrenzfähig. Erst als Cohn das Argument ins Spiel brachte, dass die geplante Kooperation neben der aktiven Aussöhnung sicher auch einen Beitrag zum Abbau des Antisemitismus in Deutschland leisten würde, signalisierte Adenauer Unterstützung für das Projekt und vermittelte ihm Kontakte zu weiteren einflussreichen Personen – etwa zu Ulrich Haberland, Vorstand der Farbwerke Bayer. Weiterhin informierte er den Bundesminister für Atomfragen Siegfried Balke. Für den Herbst des Jahres 1959 wurden Informationsveranstaltungen des Weizmann-Instituts in Frankfurt und Düsseldorf verabredet, auf denen es sich vor hochrangigen Repräsentanten der deutschen Wirtschaft und Wissenschaft präsentieren sollte. Atomminister Balke empfahl zudem, speziell die Kooperation mit der Max-Planck-Gesellschaft zu suchen. Beide Institutionen verfügten über große strukturelle Ähnlichkeiten: Sie waren außeruniversitäre Forschungseinrichtungen mit einem Fokus im Bereich der Grundlagenforschung.

Hier kam nun wieder Wolfgang Gentner ins Spiel. Zum 1. Oktober 1958 war dieser zum Direktor des neu gegründeten Max-Planck-Instituts für Kernphysik in Heidelberg berufen worden. Gentner vermittelte ein Treffen zwischen Cohn und der Generalverwaltung der MPG, das am 21. Juli 1959 in Göttingen stattfand. Cohn unterbreitete dort den Vorschlag für ein Austauschprogramm von Wissenschaftlern beider Institutionen. Er lud zudem den MPG-Präsidenten Otto Hahn zunächst noch inoffiziell zu einem Besuch des Weizmann-Instituts nach Israel ein. Wenige Wochen später gab es dann im schweizerischen Sils Maria ein erneutes Treffen zwischen Cohn und Gentner, zu dem der einflussreiche Werner Heisenberg hinzustieß, der dort im Urlaub war. Hierbei wurden weitere Einzelheiten besprochen, darunter grundsätzliche Fragen der Finanzierung der geplanten Zusammenarbeit.

Cohn informierte Adenauer direkt über diese Sondierungsgespräche, wollte er sich doch die Unterstützung der Politik weiter sichern. Sein Bericht konstatierte, dass sämtliche involvierten Persönlichkeiten einer Zusammenarbeit positiv gegenüberstanden – nicht nur aus wissenschaftlicher Sicht, "sondern weil hier ein wichtiger Ansatzpunkt erblickt wird, um über die Ebene der Reparationszahlungen und Wiedergutmachungen hinaus zu einem normalen und freundschaftlichen Verhältnis zu dem Staate Israel und damit zu dem Judentum der Welt zu kommen".

Eine Reise weckt Hoffnungen

Obwohl Adenauer Cohn rückhaltlose Unterstützung zusicherte -"Alles, was Sie vorschlagen, werde ich tun" –, war Cohns Begeisterung zum damaligen Zeitpunkt in hohem Maß von Zweckoptimismus getragen. In Israel und speziell am Weizmann-Institut selbst gab es erhebliche sachliche und vor allem emotional geprägte Bedenken, die aber durch das diplomatische Geschick Cohns und den Einsatz der Führungsspitze des Weizmann-Instituts überwunden wurden. Hinzu kam, dass das geplante Kooperationsprogramm politisch abgesichert wurde, denn de-Shalit hatte seinen direkten Zugang zu Ben Gurion genutzt und ihm intern davon berichtet. Daneben unterrichtete auch der damalige Präsident des Weizmann-Instituts Abba Eban den Premierminister, der den Plänen zustimmte ("with the proviso of no publicity whatsoever").

Im Oktober 1959 fanden die geplanten Informationsveranstaltungen des Weizmann-Instituts statt, und der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft wurde nun auch offiziell nach Israel eingeladen. MPG-Präsident Hahn reiste mit Gentner sowie Feodor Lynen, Direktor des Max-Planck-Instituts für Zellchemie, am Morgen des 1. Dezember 1959 von Zürich aus nach Tel Aviv, gemeinsam mit Gentners Frau Alice und Hahns Sohn Hanno, Kunsthistoriker und Mitarbeiter der Bibliotheca Hertziana in Rom. Josef Cohn hatte sich der Delegation angeschlossen und damit die Bedeutung der Reise unterstrichen.

Die Gruppe blieb bis zum 10. Dezember im Heiligen Land und wurde, so Gentner, "mit größter Gastfreundschaft empfangen". Zum Besuchsprogramm gehörten ausführliche Gespräche und Laborbesichtigungen am Weizmann-Institut in Rehovot und außerdem Besuche der Hebrew University in Jerusalem und des Technion in Haifa sowie ein touristisches Programm mit dem Besuch heiliger Stätten in Jerusalem und Galiläa. Auf dieser Rundreise gab es ein spontanes Treffen mit Vera Weizmann, der Witwe des Instituts- und Staatsgründers. Es war von hohem Symbolwert. Hierbei wie auch sonst trug Otto Hahn maßgeblich dazu bei, dass – wie Gentner sich rückblickend erinnerte – "in kurzer Zeit die zerbrochene Kollegialität mit den deutschen Emigranten wiederhergestellt" wurde. Josef Cohn berichtete von der Bedeutung der Menschlichkeit dieser Männer: "Man hatte damals nach zwölf Jahren des Dritten Reichs völlig andere Vorstellungen von dem Typ des Deutschen."

Die Deutschen wiederum waren von der apparativen Ausstattung und wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit des Weizmann-Instituts beeindruckt wie auch von der enormen Aufbauleistung des jungen Staates überhaupt. Beide Seiten sahen den Besuch als großen Erfolg an. Gentner gab in einer Presseerklärung seiner Hoffnung Ausdruck, dass "ein Austausch von Wissenschaftlern und wissenschaftlicher Information zwischen Westdeutschland und Israel entwickelt werden kann".

Interesse aus dem Kanzleramt

Die Israelreise vom Dezember 1959 war der entscheidende Durchbruch für die Forschungsbeziehungen. Beide Seiten begannen, Brücken zu bauen. Eine von Hahn unterzeichnete, aber wohl von Gentner verfasste Denkschrift vom 8. Februar 1960 regte speziell die Bildung eines Fonds an, um die Forschungsarbeit des Weizmann-Instituts und den Austausch zu fördern. So hieß es darin, man wäre sich einig, dass es besonders wichtig sei, "die Jugend unserer beiden Länder zu gegenseitigem Kennenlernen zusammenzuführen, um die Wunden der Vergangenheit so weit wie möglich zu heilen". Dafür sollte zunächst für drei Jahre eine Stiftungssumme von jährlich etwa einer Million Mark aufgebracht werden.

Der Zeitpunkt für das Memorandum war gut und sicher auch absichtsvoll gewählt, denn das Bundeskanzleramt bereitete gerade das erste Treffen zwischen Adenauer und Ben Gurion am 14. März 1960 in New York vor. Im Vorfeld dieser historischen Begegnung kam es am 4. Februar zu einem Gespräch zwischen Cohn und Adenauer in Bonn. Hier erfuhr der Bundeskanzler von den Ergebnissen des Israelbesuchs und den Kooperationsplänen mit dem Weizmann-Institut. Adenauer interessierte sich sehr für die Initiative und bat darum, ihm einen Bericht zu senden, worauf Hahn der Bitte umgehend am 8. Februar mit der oben zitierten Denkschrift nachkam. Das legt die Vermutung nahe, dass sie erst auf Grund dieser Anfrage verfasst worden ist. Cohn beriet sich unmittelbar nach seinem Treffen am 5. Februar in Genf mit Hahn, Gentner und Abba Eban.

Zum politischen Hintergrund der prompten Reaktion gehört, dass die deutsche Seite beabsichtigte, die Finanzierungshilfe für das Weizmann-Institut als ein Zeichen guten Willens bei der Vorbereitung des Gipfeltreffens in New York einzusetzen. Der deutsche Außenminister informierte die israelische Seite, es sei für die Bundesrepublik eine "besondere Befriedigung", dem Weizmann-Institut behilflich zu sein. Überhaupt war Eile angesagt, denn im Mai 1960 lief die MPG-Präsidentschaft Hahns aus, dessen Renommee die Akzeptanz der Vereinbarung in Israel gefördert hatte, wogegen der designierte Nachfolger Adolf Butenandt wegen seiner NS-Vergangenheit umstritten war.

Zu Besuch in Heidelberg | Amos de-Shalit (rechts im Bild) besuchte Wolfgang Gentner zu dessen 60. Geburtstag in Heidelberg. Neben ihm mit Hut Victor Weisskopf, CERN-Generaldirektor von 1961 bis 1965.

Kooperation in politisch wechselhaften Zeiten

Auf deutscher Seite räumte zudem das große politische Interesse viele fiskalische und bürokratische Schwierigkeiten aus dem Weg. So machte die Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft satzungsrechtliche Gründe geltend, dass man nicht als Geldtransferstelle fungieren könne. Unklar ist, ob dieser "Dienst nach Vorschrift" auch politische Gründe hatte oder gar antisemitisch motiviert war. In der Generalverwaltung der MPG gab es große personelle Kontinuitäten zum Dritten Reich – unter anderem in Gestalt des Generalsekretärs Ernst Telschow. Jedenfalls löste Adenauer das Problem, indem er kurzerhand den Direkttransfer der Mittel aus dem Kulturetat des Auswärtigen Amts verfügte.

In der ersten Kooperationsperiode, die etwa bis 1963 dauerte, begannen auch wechselseitige Besuche von Gastwissenschaftlern. Den Anfang machte Gerhard Schmidt, der das Frühjahr 1961 am Heidelberger Max-Planck-Institut für Kernphysik verbrachte. Neben der wissenschaftlichen Arbeit wurden bei dem Besuch Ideen entwickelt, wie das Kooperationsprogramm weiter ausgestaltet werden könnte, denn Schmidt war auf israelischer Seite einer der Protagonisten der Zusammenarbeit.

Allerdings war diese, kaum hatte sie in bescheidenem Maß begonnen, bald wieder gefährdet. Verschiedene Ereignisse riefen zu Beginn der 1960er Jahre die Schrecken der Nazizeit wieder verstärkt ins Gedächtnis der israelischen Öffentlichkeit. Agenten brachten im Mai 1960 einen maßgeblichen Organisator des Holocaust, Adolf Eichmann, von Argentinien nach Israel, wo er vor Gericht gestellt und zum Tod verurteilt wurde. Ferner hatten Irritationen um die Mitwirkung deutscher Experten am ägyptischen Raketenprogramm sowie die Debatte über eine mögliche Verjährung von nationalsozialistischen Verbrechen in der Bundesrepublik bei vielen Israelis das Misstrauen gegen Deutschland geschürt.

Das Weizmann-Institut

Das Weizmann-Institut für Wissenschaften in Rehovot ist die bedeutendste außeruniversitäre Forschungseinrichtung Israels mit etwa 2000 Mitarbeitern. Es gliedert sich in fünf auf Grundlagenforschung ausgerichtete Abteilungen: Mathematik und Computerwissenschaften, Physik, Chemie, Biochemie und Biologie. Das Institut wurde 1934 als Daniel-Sieff-Forschungsinstitut gegründet; sein erster Präsident war der Biochemiker Chaim Weizmann. Im November 1949, nach Gründung des Staates Israel, erhielt es seinen heutigen Namen. Für die Entwicklung der Wissenschaften in Israel war es von zentraler Bedeutung. So erhielten bis heute drei Computerwissenschaftler die höchste Auszeichnung ihrer Zunft, den Turing Award. Auch die Leistungen des Instituts in der Krebsforschung, Molekularbiologie und Biochemie sowie der Physik sind international anerkannt. Davon zeugt der Chemienobelpreis, den die Strukturbiologin Ada Yonath 2009 erhielt.

Vorbild für die Gründung des Weizmann-Instituts war die 1911 in Berlin gegründete Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, aus der 1948 die heutige Max-Planck-Gesellschaft (MPG) hervorging. Auch sie ist eine außeruniversitäre, an Grundlagenforschung orientierte Forschungseinrichtung mit einem breiten Fächerspektrum. Die MPG hat mehr als 80 Institute mit insgesamt rund 18 000 Mitarbeitern.

Wissenschaftspolitiker wie Abba Eban, der damals nicht nur Präsident des Weizmann-Instituts, sondern auch Erziehungsminister war, trugen entscheidend dazu bei, dass es nicht zu einem Stillstand bei den Forschungskontakten kam. Eban hatte federführend Richtlinien für die Gestaltung der deutsch-israelischen Beziehungen ausgearbeitet, die das israelische Parlament nach hitzigen Diskussionen verabschiedete. Beispielsweise wurde zwar ein Auftrittsverbot für deutsche Künstler in Israel verfügt, doch war es Wissenschaftlern beider Länder zumindest unter bestimmten Auflagen erlaubt, an internationalen Veranstaltungen in Israel und Deutschland teilzunehmen. Weiterhin konnten Israelis nur dann deutsche Wissenschaftseinrichtungen besuchen, wenn ein Interesse des jüdischen Staats vorlag, und deutsche Institute und Organisationen durften keine Zweigstellen in Israel einrichten. All dies wirkte sich auf die gemeinsamen Pläne des Weizmann-Instituts und der Max-Planck-Gesellschaft aus – zumal auch am Weizmann-Institut die Meinungen zur deutsch-israelischen Wissenschaftskooperation geteilt waren.

Diese Atmosphäre behinderte den weiteren Ausbau der Beziehungen. Die Aktivitäten blieben so zunächst auf kurzfristige Besuche leitender Forscher beschränkt. Zu den ersten israelischen Austauschwissenschaftlern, die damals nach Deutschland kamen, gehörte der Biochemiker und spätere Staatspräsident Israels Ephraim Katzir-Katchalsky. Er war im Sommer 1961 Gast des Instituts von Feodor Lynen in München, und er zeigte sich angenehm überrascht, dass sich "ein neues Deutschland herausgebildet" habe und die Wissenschaftler und Intellektuellen "ihr Bestes versuchten, um die Vergangenheit zu überwinden".

Schwieriger Start für junge Gäste

Es gehörte zu den Zielen des Austauschprogramms, vor allem jüngere Wissenschaftler daran zu beteiligen. Josef Cohn und die Generalverwaltung der MPG beschlossen daher im Februar 1960, eine entsprechende Vereinbarung mit dem Weizmann-Institut zu treffen. In der damals aufgeheizten und stark emotional geprägten politischen Atmosphäre war es israelischen Nachwuchsforschern aber nur schwer zu vermitteln, ausgerechnet in Deutschland zu arbeiten. Erst 1965 entschloss sich ein Wissenschaftler des Weizmann-Instituts, Joshua Rockach, dazu und ging ans MPI für Kohlenforschung in Mülheim. Hier hatte sich zwischen Günther O. Schenck, dem Abteilungsleiter Strahlenchemie, und Gerhard Schmidt eine Zusammenarbeit entwickelt. Dabei irritiert, dass zu den Kooperationspartnern in Mühlheim Carl Heinrich Krauch gehörte. Dieser war der Sohn von Carl Krauch, einstiger Vorstandsvorsitzender der IG Farben und verurteilter Hauptangeklagter im Nürnberger IG-Farben-Prozess. Hier wie auch bei der Zusammenarbeit von Michael Sela und dem Freiburger Immunologen Otto Westphal scheint die NS-Vergangenheit nicht thematisiert oder "übersehen" worden zu sein.

Auf deutscher Seite machten zwei junge Kernphysiker aus Heidelberg den Anfang: Lorenz Krüger (* 1932) und Cornelius Noack (* 1935). Sie arbeiteten Ende 1961 mehrere Monate in der Abteilung von Amos de-Shalit. Ein Briefwechsel zwischen Gentner und de-Shalit macht die Schwierigkeiten dieser Forschungsaufenthalte deutlich. Beispielsweise waren beide Kandidaten nicht zufällig Theoretiker, denn so konnte der Kontakt zum technischen Personal des Weizmann-Instituts minimal gehalten werden. Zudem nahmen nur jene Abteilungen die deutschen Gäste auf, wo alle Mitarbeiter zugestimmt hatten. Das erklärt, warum in der Anfangszeit fast nur Arbeitsgruppen aus dem Umfeld der Protagonisten der Zusammenarbeit kooperierten – vor allem Mitarbeiter von de-Shalit und Schmidt sowie auf deutscher Seite aus Gentners Heidelberger Umfeld.

Die Deutschen wählten ihre Gastwissenschaftler außerordentlich sorgfältig aus. Als die Generalverwaltung der MPG offenbar unabgesprochen vier Biologen nach Rehovot schicken wollte, intervenierte Gentner und wollte Näheres über die Kandidaten wissen. Nach Gentners Auffassung konnten schon kleine Unbedachtheiten alles in Frage stellen: "Wer sich entschließt, dorthin zu gehen, muss bereit sein, Vorwürfe, die nicht nur die nationalsozialistische Vergangenheit, sondern auch die Gegenwart betreffen, entgegenzunehmen und in wirklich taktvoller Weise zu diskutieren. Wer nicht den notwendigen Takt und das Verständnis sowie die Bereitschaft mitbringt, auch ungerechte Vorwürfe entgegenzunehmen, sollte lieber zurückgehalten werden." Solche Probleme und Verletzlichkeiten spiegeln sich in der Korrespondenz wider, die Gentner mit den Stipendiaten führte und in denen es nicht nur – und nicht einmal in erster Linie – um wissenschaftliche Fragen ging.

Lorenz Krüger etwa berichtete ihm aus der Abteilung für theoretische Physik von einem ausgezeichneten Arbeitsklima und hohem wissenschaftlichem Niveau. Deutsche Besucher würden von Weitem zwar "mit Misstrauen angesehen, bei näherem Zusehen jedoch willkommen geheißen, besonders wenn sie so jung sind". Jedoch schrieb er auch, "die Deutschen" würden generell mit Ablehnung betrachtet. "Die ältere Generation hat persönlich zu stark gelitten, um Antipathien aller Stärkegrade und Schattierungen je wieder zu überwinden. Der deutsche Besucher kann unbedingt mit einer höflichen Behandlung und in Notfällen immer mit Hilfsbereitschaft rechnen. Er wird sich aber bewusst bleiben müssen, dass diese Aufnahme nicht selbstverständlich ist und für den israelischen Partner oft einen ausdrücklichen Entschluss und ein Stück Zivilcourage erfordert."

Persönlicher Austausch als wichtigstes Instrument

Noack schrieb Ähnliches, etwa wie ihn die damaligen politischen Debatten in der Knesset bedrückten. "Es sieht danach doch beinahe so aus, als sei der Boden für eine Verständigung noch nicht bereit." Das entmutigte ihn zwar einerseits, aber er berichtete auch, viele hätten ihn als Einzelperson interessiert kontaktiert, trotz der allgemeinen Vorbehalte gegen den deutschen Staat. "Man hat da oft den Eindruck, dass für viele innerlich Deutschland immer noch die geistige Heimat ist."

Zwischen Februar 1961 und Mai 1966 verbrachten insgesamt sechs Nachwuchswissenschaftler längerfristige Forschungsaufenthalte am Weizmann-Institut und trugen so in einer politisch schwierigen und bewegten Zeit dazu bei, die Kooperationsvereinbarung zwischen dem Weizmann-Institut und der Max-Planck-Gesellschaft mit Leben auszufüllen.

Dieser Austausch wurde zu einer Kernaktivität der Wissenschaftskooperation. Bis heute nutzten etwa 2000 Forscher das Austauschprogramm. Sie gingen ans Weizmann-Institut oder ans Max-Planck-Institut und ab Mitte der 1970er Jahre auch an andere Forschungsinstitutionen Deutschlands und Israels. Damit leisteten sie einen maßgeblichen Beitrag zur deutsch-israelischen Verständigung – quasi als Botschafter ihrer Länder.

Darüber hinaus wurden in der ersten Kooperationsperiode beträchtliche Mittel für den Ausbau des Weizmann-Instituts bereitgestellt – etwa für die Abteilung Kernphysik und den Bau eines Beschleunigers. Die besonders enge Zusammenarbeit in der Kernphysik gab Mitte der 1960er Jahre sogar Anlass für Spekulationen, hierdurch würde Knowhow für den Bau einer israelischen Atombombe überlassen. Die DDR-Propaganda machte dies 1967 zum Gegenstand einer Pressekampagne; namentlich wurde auch Wolfgang Gentner angegriffen. Dieser erklärte gegenüber dem Präsidenten der Wissenschaftsakademie Leopoldina in Halle: "In diesem Artikel steht ein so horrender Unsinn über mich, dass ich mich frage, ob es Sinn hat, irgendwo dagegen zu protestieren. Ich habe natürlich gar nichts mit Atombomben zu tun, das Einzige ist meine wissenschaftliche Zusammenarbeit mit dem Weizmann-Institut."

Beim Akquirieren von Forschungsmitteln für das Weizmann-Institut erwies sich Josef Cohn als geschickter und umtriebiger Werber und bediente sich seiner guten Beziehungen zu Bundeskanzler Adenauer, aber auch zu israelfreundlichen Mitgliedern des Bundestags wie dem SPD-Abgeordneten Heinrich Ritzel.

Das Ausmaß der Unterstützung für das Weizmann-Institut durch die Bundesrepublik ermutigte de-Shalit zu dem Vorschlag, die neu gewonnenen Forschungsmöglichkeiten gemeinschaftlich zu nutzen. Dies bildete die Grundlage des ersten so genannten Minerva-Vertrags von 1963. Er regelte die Zusammenarbeit über eine eigens gegründete Gesellschaft. Die Übereinkunft steuerte die weitere Entwicklung der Kooperation zwischen deutschen und israelischen Forschungseinrichtungen und wurde später zum Vorbild für weitere ähnliche Verträge des Weizmann-Instituts mit anderen Ländern.

Immer enger verflochten

Bis heute schließen die MPG und das Weizmann-Institut jedes Jahr einen Vertrag über Forschungsaufträge ab. Darüber, welche Vorhaben gefördert werden, entscheidet ein paritätisch besetztes Komitee aus deutschen und israelischen Wissenschaftlern. In der Anfangszeit stand ihm Wolfgang Gentner vor, weshalb es weit über seinen Tod im Jahr 1980 hinaus als Gentner-Komitee bezeichnet wurde.

Die Erwartungen der Initiatoren des Minerva-Programms sollten sich erfüllen: sowohl in Form einer intensiveren Wissenschaftskooperation als auch hinsichtlich der Stärkung bestimmter Forschungsrichtungen wie der Röntgenkristallografie oder der Erforschung synthetischer Polypeptide. Eine besondere Erfolgsgeschichte sind die bahnbrechenden Forschungen der israelischen Kristallografin Ada Yonath zur Struktur von Ribosomen, die 2009 mit dem Chemienobelpreis geehrt wurden. Seit den 1970er Jahren arbeitete sie unter anderem mit Minerva-Mitteln am Berliner MPI für molekulare Genetik, am Deutschen Elektronen-Synchrotron in Hamburg und am Weizmann-Institut.

Jenseits des Bereichs von Naturwissenschaften und Technik förderte das Minerva-Programm beispielsweise zudem Forschungen zur deutsch-jüdischen Geschichte. Deren Pflege stieß in Israel nach dem Holocaust auf große Schwierigkeiten. 1972 und 1977 entstanden mit Minerva-Mitteln Lehrstühle für deutsche Geschichte an der Universität Tel Aviv und der Hebrew University in Jerusalem. Heute gibt es solche Minerva-Professuren und -Zentren an allen Wissenschaftseinrichtungen des Landes. Sie umfassen das gesamte akademische Fächerspektrum.

Dass die Aktivitäten kein exklusives Instrument zwischen Weizmann-Institut und Max-Planck-Gesellschaft blieben, war ebenfalls einer Initiative von Gentner zu verdanken. Er hatte 1968 angeregt, auch mit den israelischen Universitäten zu kooperieren, was dann seit den 1970er Jahren zunehmend geschah.

Der finanzielle Bedarf wuchs stetig. Überwiegend stammten diese Mittel aus dem Budget des Bundesministeriums für Forschung und Technologie und erreichten bis 1980 einen Umfang von etwa 90 Millionen Mark – eine Summe, die Deutschland nach den USA zum zweitwichtigsten Forschungspartner Israels machte. Die Wissenschaft wurde im Lauf der Jahrzehnte zu einer tragenden Säule der deutsch-israelischen Beziehungen.

Heute sind neben MPG und Weizmann-Institut praktisch alle Wissenschaftseinrichtungen beider Länder in die Kooperation einbezogen. Beispielsweise kam bereits 1958 der erste Humboldt-Forschungsstipendiat nach Deutschland. Seit Mitte der 1960er Jahre engagierten sich auch andere deutsche Stiftungen zunehmend in Israel. 1964 hatte die Volkswagen-Stiftung die Startfinanzierung des Minerva-Stipendienprogramms sichergestellt.

Von besonderer Bedeutung für die deutsch-israelische Kooperation wurde die Deutsch-Israelische Stiftung für wissenschaftliche Forschung und Entwicklung (GIF), die 1986 anlässlich des Israelbesuchs von Bundeskanzler Helmut Kohl durch diesen und den israelischen Premier Shimon Peres ins Leben gerufen wurde. Die Erträge ihres Stiftungskapitals – derzeit über 200 Millionen Euro – finanzieren jährlich etwa 30 Forschungsprojekte in allen wissenschaftlichen Disziplinen.

1985 erklärte der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker während eines Besuchs am Weizmann-Institut in Revohot, warum die wissenschaftliche Zusammenarbeit beider Nationen so wichtig war: "Die Beziehungen des Weizmann-Instituts zur Wissenschaft in meinem Lande gründen in einer Schicht, die tiefer liegt als die, aus welcher sich das Tagesgeschäft der Politik nährt. Und doch bezieht die Politik ihren Sinn erst aus dieser tieferen Schicht." Mit Hilfe der Forschung bauten Wissenschaftler, die an eine mögliche Versöhnung beider Länder glaubten, Brücken – zu einem Zeitpunkt, als daran auf politischer Ebene noch gar nicht zu denken war.

  • Quellen

Hoffmann, D., Schmidt-Rohr, U. (Hg.): Wolfgang Gentner. Festschrift zum 100. Geburtstag. Springer, Berlin/Heidelberg/New York 2006

Nachmansohn, D.: Die große Ära der Wissenschaft in Deutschland 1900 bis 1933. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 1988

Nickel, D. K.: Es begann in Rehovot. Die Anfänge der wissenschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Israel und der Bundesrepublik Deutschland. Europäisches Komitee des Weizmann Institute of Science, Zürich 1989

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