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News: Vertauschte Rollen

Die chemischen Prozesse, die sich in den Sehzellen des Auges abspielen, gelten als das am besten verstandene Beispiel für die Übersetzung physikalischer Reize in Nervenimpulse. Die Erkenntnisse stammen allerdings fast ausschließlich aus Untersuchungen an den lichtempfindlichen Stäbchen. Doch wie sieht es in den farbempfindlichen Zapfen aus?
Rhodopsin
125 Millionen Stäbchen und sechs Millionen Zapfen sorgen für das alltägliche Kino in unserem Kopf. Während die Stäbchen sehr lichtempfindlich, dafür aber farbenblind sind, machen drei verschiedene Zapfentypen für die Farben blau, grün und rot das Leben bunter. Die chemischen Prozesse, mit denen die Sehzellen des Auges den physikalischen Reiz Licht in die Sprache des Nervensystems übersetzen, sind dabei inzwischen recht gut verstanden.

Die entscheidende Rolle nimmt hier das Sehpigment Rhodopsin ein, das aus dem Membranprotein Opsin und dem Farbmolekül Retinal besteht. Dieser Farbstoff, ein Abkömmling des Vitamin A, liegt zunächst als gewinkeltes Molekül vor, das als 11-cis-Isomer bezeichnet wird. Sobald es jedoch Licht absorbiert, streckt es sich zur all-trans-Form, löst sich vom Opsin und verändert dadurch dessen Gestalt. Über eine Reihe extrem kurzlebiger Zwischenprodukte entsteht so Metarhodopsin II, die aktive Form des Rhodopsins.

Für den nächsten Schritt braucht Metarhodopsin II einen Vermittler. Diesen Part übernimmt ein so genanntes G-Protein, das aufgrund seiner Übersetzungstätigkeit auch Transducin genannt wird. Denn Transducin aktiviert wiederum ein Enzym, das für den Verschluss von Natriumkanälen in der Membran der Sinneszellen sorgt. Als Schlüssel dient hierbei das Molekül cGMP: Sitzt es auf dem Kanal, dann ist die Bahn für Natriumionen frei; wird es durch die Wirkung des Transducins entfernt, schließt sich der Kanal, und den Natriumionen ist der Weg in die Zelle versperrt. Dem Zellinnern fehlen dadurch positive Ladungen, und diese Spannungsänderung kann letztendlich in Aktionspotenziale, also in die Sprache des Nervensystem übersetzt werden.

Diesen komplizierten Mechanismus der Phototransduktion haben Biochemiker in jahrelanger Fleißarbeit mühsam entschlüsselt – jedoch hauptsächlich bei Stäbchen. In den viel selteneren Zapfen sollten sich aber grundsätzlich die gleichen Prozesse abspielen. Allerdings sind die Zapfen um den Faktor 100 unempfindlicher. Woher kommt dieser Unterschied? Liegt es am Sehfarbstoff selbst oder an der Umgebung, in der er sich befindet?

Um das herauszufinden, bedienten sich Vladimer Kefalov und seine Kollegen von der Johns Hopkins University eines genetischen Tricks: Sie ließen die Natur mit vertauschten Rollen spielen. In Stäbchen des Krallenfrosches Xenopus bauten sie das Gen für den Sehfarbstoff aus Zapfen vom Salamander sowie auch vom Menschen ein. Umgekehrt wurde einem Xenopus-Zapfen ein Gen für das menschliche Stäbchenpigment beschert. Daraufhin konnten die Forscher die isolierten Sehzellen mit Licht bestrahlen und beobachten, wie sich die Farbstoffe in ihrer ungewohnten Umgebung verhalten.

Und es zeigte sich: grundsätzlich gleich. Stäbchenpigmente in Zapfen verrichten genauso zuverlässig ihre Arbeit wie Zapfenpigmente in Stäbchen. Aber einen Unterschied gibt es dennoch: Die gebleichte aktive Form des Zapfenpigments, also Metarhodopsin II, verwandelt sich etwa zehnmal schneller in die ungebleichte Ausgangsform als das Metarhodopsin II der Stäbchen. Der aktivierte Zustand dauert also entsprechend kürzer an, das Zapfenpigment ist schneller wieder aufnahmefähig. Dies könnte, so spekulieren die Forscher, zumindest einen Teil der geringeren Lichtempfindlichkeit der Zapfen erklären.

Allerdings, so betonen die Wissenschaftler, reicht diese Erklärung noch nicht ganz aus. Irgendetwas in den Zapfen muss zusätzlich an der Empfindlichkeitsschraube drehen. Und außerdem haben die Forscher nur Pigmente aus den rotsensitiven Zapfen für ihr Rollenspiel verwendet. Die entsprechende Partie in grün und blau steht noch aus.

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