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News: Verwirrende Sequenzen

Es könnte sein, daß unterschiedliche neurologische Erkrankungen eine gemeinsame Ursache haben. Veränderungen der Erbsubstanz, die zu einer bestimmten Basenfolge in der DNA führen, rufen ähnliche Symptome hervor, unabhängig von dem Gen, in dem die Mutationen stattfinden.
Bei den einzelnen Krankheiten sind verschiedene Gene betroffen, wodurch festgelegt wird, auf welche Zelltypen sich die Mutationen auswirken und welche genauen pathologischen Folgen sie haben. Aber viele der Symptome, die üblicherweise mit neurologischen Erkrankungen verbunden sind, werden sich vielleicht eines Tages auf die gleiche Weise behandeln lassen.

Eine Reihe neurodegenerativer Störungen, wie zum Beispiel die Huntingtonsche Krankheit, werden durch eine zusätzliche DNA-Sequenz der Basen Cytosin (C), Adenosin (A) und Guanin (G) hervorgerufen. Jede Wiederholung der drei Buchstaben CAG des genetischen Codes veranlaßt die Zelle, an der bezeichneten Stelle die Aminosäure Glutamin in das Protein einzufügen, dessen Bauplan das mutierte Gen darstellt. Diese lange Kette von Glutamin verhindert natürlich, daß das Protein seine eigentliche Funktion ausüben kann. Bisher sahen Wissenschaftler in der Funktionsunfähigkeit des Proteins die Ursache für Neurodegeneration und deren Symptome.

Doch Jared M. Ordway von der University of Alabama in Birmingham kam zu dem Schluß, daß viele Symptome von der Glutamin-Kette hervorgerufen werden – egal, in welchem Gen die codierende CAG-Sequenz zu finden ist (Cell vom 12. Dezember 1997). Seiner Meinung nach ist nicht der Funktionsausfall eines bestimmten Proteins entscheidend. „Wiederholungen von CAG müssen nicht in einem der klassischen Gene für solche Störungen liegen, um einen neurotoxischen Effekt hervorzurufen”, sagt er.

Ordways Team klassifizierte die Krankheitssymptome bei Mäusen, die CAG-Wiederholungen in Genen trugen, die normalerweise überhaupt nicht mit neurologischen Defekten zusammenhängen. Die Forscher verzeichneten sowohl Verhaltensstörungen als auch Veränderungen im Nervengewebe. Mäuse mit der CAG-Wiederholung zeigten ähnliche Auffälligkeiten wie Menschen mit den bekannten CAG-Krankheiten. Die Tiere ließen sich leicht einfangen und litten unter verminderten motorischen Fähigkeiten, manchmal verbunden mit einem schwankenden Gang, Zittern und Gleichgewichtsstörungen. Sie waren antriebslos, hatten keinen Erkundungsdrang und versuchten auch nicht zu entkommen. Wie bei den menschlichen Erkrankungen setzten die Symptome bei den Tieren erst spät ein. Die CAG-Mäuse alterten schneller als Kontrolltiere und starben früh. Erstaunlicherweise waren aber – im Unterschied zu den Humankrankheiten – keine Anzeichen von Degenerationen der Nervenzellen zu finden, obwohl die zugehörigen neurologischen Defekte vorhanden waren. Die Wissenschaftler schließen daraus, „daß CAG-Wiederholungssequenzen neurologische Störungen nicht unbedingt durch Neurodegeneration hervorrufen.”

Eine Veränderung der Nervenzellen, die bei den CAG-Mäusen gefunden wurde, bestand in der Anhäufung von Glutamin-Ketten der krankmachenden Proteine (neuronal intranuclear inclusions). Auch beim Menschen gehören diese Einschlüsse zum Krankheitsbild.

Es scheint, daß der Kontext (z.B. das Gen und die eigentliche Funktion seines Proteins), in dem die CAG-Wiederholungssequenz auftritt, das betroffene Gewebe bestimmt, während die Glutamin-Ketten Einfluß auf viele der Krankheitssymptome haben. Diese Symptome könnten schlimmer sein, wenn ein relativ großer Teil eines kleinen Proteins aus Glutamin besteht.

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