Statistiken: Verwirrende Zahlen
Brandschatzung am Amazonas und auf Borneo, Kahlschlag in Kamerun und im Kongo: Täglich erreichen uns aus der ganzen Welt Nachrichten zur bedrohlichen Lage der tropischen Natur. Doch zeichnen sie tatsächlich ein objektives Bild? Ein Forscher behauptet nun, dass die Regenwaldfläche sogar wächst.
Mehr als 10 000 Quadratkilometer Wald wurden 2007 in Brasilien abgebrannt, 24 000 Quadratkilometer in Indonesien, Papua-Neuguinea gibt 60 000 Hektar auf einer einzigen kleinen Insel zur Rodung frei, Guayana gewährt einem US-Sägewerk die Abholzung auf 400 000 Hektar Urwald, die Weltbank sieht im Kongo – Heimat des zweitgrößten Regenwalds – "große Chancen für Agrarkraftstoffe" und kalkuliert, sechzig Millionen Hektar seien für den Edelholzeinschlag nutzbar. So oder ähnlich lauten täglich die Schlagzeilen aus aller Welt, die Naturschützer in Angst und Schrecken versetzen und vom Ende der tropischen Ökosysteme künden.
Um seine These zu erarbeiten, hat sich Grainger durch die einschlägigen Statistiken der FAO wie der mit Wald bestandenen neunzig Tropenländer gewühlt, sie neu ausgewertet und miteinander verglichen. Die Welternährungsorganisation gibt beispielsweise an, dass sich die Regenwaldfläche zwischen 1980 und 1990 von 1,91 Milliarden Hektar auf 1,76 Milliarden Hektar verkleinerte und Platz machen musste für Viehweiden oder Felder. Zehn Jahre später spiegeln die Statistiken der FAO jedoch einen Verlust von 1,926 Milliarden Hektar auf 1,799 Milliarden Hektar wider, der im Zeitraum zwischen 1990 und 2000 stattgefunden haben soll.
Um selbst einen besseren Überblick über die Entwicklung der tropischen Waldbestände zu bekommen, konzentrierte sich Grainger auf die immerfeuchten Tropen. In trockeneren Gebieten schwanken die Angaben zu bewaldeten Flächen stärker, da nur schütter mit Bäumen bestandene Gebiete mal zu den Wäldern gerechnet werden und mal nicht. Übrig blieben in dieser Berechnung letztlich 63 Nationen, die im Jahr 2000 auf 1,181 Milliarden Hektar bewaldet waren – verglichen mit 1980 ein Zuwachs von 100 Millionen Hektar.
Allerdings bleibt ein Knackpunkt: In der Zwischenzeit dürfen diese Wälder nicht mehr gestört werden – etwa durch neuerlichen Holzeinschlag. Und selbst sinkende Bevölkerungszahlen vermögen dies mitunter nicht zu garantieren, wie der brasilianische Bundesstaat Rondonîa lehrt. Dort herrscht Landflucht, dennoch steigt die Entwaldungsrate an, weil große Sojafelder nun wenig arbeitsintensiv mit Maschinen bestellt werden.
Doch ist dem tatsächlich so? Schrumpfen wirklich weiterhin Jahr für Jahr die Regenwälder des Planeten? Alan Grainger von der Universität in Leeds zweifelt zwar nicht daran, dass zumindest regional stark abgeholzt wird: "Dafür gibt es genügend Belege. Es gibt jedoch keine überzeugenden Argumente, dass die tropischen Regenwälder verschwinden" – und bestreitet damit, dass sie weltweit in ihrer Gesamtfläche zurückgehen.
Um seine These zu erarbeiten, hat sich Grainger durch die einschlägigen Statistiken der FAO wie der mit Wald bestandenen neunzig Tropenländer gewühlt, sie neu ausgewertet und miteinander verglichen. Die Welternährungsorganisation gibt beispielsweise an, dass sich die Regenwaldfläche zwischen 1980 und 1990 von 1,91 Milliarden Hektar auf 1,76 Milliarden Hektar verkleinerte und Platz machen musste für Viehweiden oder Felder. Zehn Jahre später spiegeln die Statistiken der FAO jedoch einen Verlust von 1,926 Milliarden Hektar auf 1,799 Milliarden Hektar wider, der im Zeitraum zwischen 1990 und 2000 stattgefunden haben soll.
Es müssen also entweder Waldareale falsch geschätzt oder kategorisiert worden sein, denn die Fehlermarge der Ausgangsdaten entspricht in etwa der gleichen Größenordnung wie der Rodungsrate. Beides gesteht die FAO zu, denn aufgrund besserer Schätzmethoden revidierte sie immer wieder die Waldflächen, um innerhalb der einzelnen Studien eine gewisse Konsistenz zu erreichen. Dies ging aber auf Kosten der Konsistenz zwischen den jeweiligen Studien, moniert der Wissenschaftler.
Um selbst einen besseren Überblick über die Entwicklung der tropischen Waldbestände zu bekommen, konzentrierte sich Grainger auf die immerfeuchten Tropen. In trockeneren Gebieten schwanken die Angaben zu bewaldeten Flächen stärker, da nur schütter mit Bäumen bestandene Gebiete mal zu den Wäldern gerechnet werden und mal nicht. Übrig blieben in dieser Berechnung letztlich 63 Nationen, die im Jahr 2000 auf 1,181 Milliarden Hektar bewaldet waren – verglichen mit 1980 ein Zuwachs von 100 Millionen Hektar.
Wiederum spielen laut Grainger verbesserte Datensätze eine Rolle: In den vergangenen Jahrzehnten hat beispielsweise die Satellitenbild-Technologie enorme Fortschritte gemacht, sodass unberührte Urwälder, gestörte oder gänzlich gerodete Flächen sowie augeforstete Bereiche besser unterschieden werden können. Das allein könne aber die Zunahme nicht erklären, so der Forscher. Vielmehr gebe es auch Regionen, in denen sich Regenwald auf natürliche Weise wieder ausbreite – etwa in Gambia oder Vietnam, wo die Bevölkerung vermehrt in Städte abwandert und brachgefallenes Land wieder von Bäumen erobert wird. Gleiches gelte für zunehmend wohlhabendere Nationen wie Costa Rica, Puerto Rico und die Dominikanische Republik, in denen Tourismus ein besseres Einkommen verspricht als Landwirtschaft, die hauptverantwortlich ist für Rodungen.
Diese so genannten Sekundärwälder können allerdings bezüglich ihrer Artenvielfalt nicht den ursprünglichen Ökosystemen das Wasser reichen, wie Alan Grainger zugesteht. Ihnen fehlt die komplexe Struktur des Urwalds, und viele Tiere und Pflanzen des Waldinneren oder alter Baumriesen wurden durch die Abholzung verdrängt beziehungsweise finden noch nicht die geeigeneten ökologischen Bedingungen zur Wiederansiedelung vor. Nahe gelegene und effektiv geschützte Rückzugsräume vorausgesetzt können sie sich jedoch langfristig betrachtet wieder auf den sich regenerierenden Flächen ansiedeln, wie Beispiele aus aller Welt zeigen.
Allerdings bleibt ein Knackpunkt: In der Zwischenzeit dürfen diese Wälder nicht mehr gestört werden – etwa durch neuerlichen Holzeinschlag. Und selbst sinkende Bevölkerungszahlen vermögen dies mitunter nicht zu garantieren, wie der brasilianische Bundesstaat Rondonîa lehrt. Dort herrscht Landflucht, dennoch steigt die Entwaldungsrate an, weil große Sojafelder nun wenig arbeitsintensiv mit Maschinen bestellt werden.
Um all diese Tendenzen und Unwägbarkeiten besser abzuschätzen zu können, verlangt Grainger deshalb einen globales Programm zur Überwachung der Waldbestände – auch im Hinblick auf die Klimapolitik, die Regenwald gegen Emissionen verrechnen möchte. Bis diese Initiative jedoch Ergebnisse gebiert, dürften sich die meisten Ökologen und Naturschützer wohl noch auf den Augenschein verlassen. Und der verheißt aufgrund der zahlreichen Brandherde in Brasilien oder Indonesien erst einmal nichts Gutes für viele Regenwälder.
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