Paläoökologie: Verzehrversehen
Sieht aus wie eine Muschel, ist aber keine: Nicht nur viele Menschen irren beim Anblick eines Armfüßers, auch Räuber und Parasiten haben die Meeresbewohner offenbar zu allen Lebzeiten für eine leckere Muschelmahlzeit gehalten und angebohrt. Appetit auf mehr hat es ebenso offenbar nicht geweckt.
Sehr, sehr selten kann man beim Strandspaziergang auf Rügen oder Hiddensee ganz viel Glück haben: dann, wenn sich zwischen den Muschelnschalen, Schneckengehäusen und Feuersteinen plötzlich ein graues Gebilde findet, das ebenfalls wie eine Muschel aussieht. Seltsamerweise aber lassen sich die beiden Schalenhälften nicht öffnen. Kein Wunder, denn das Fundstück gehört gar nicht ins Reich der Mollusken, sondern ist der fossile Überrest eines Armfüßers oder Brachiopoden – eine Gruppe, die ihren größten Auftritt im Erdaltertum erlebte und nach dem Massenaussterben am Ende des Perm vor 250 Millionen Jahren in die hinteren Reihen verschwand, wo sie bis heute gut versteckt sitzen.
Nicht sehr, klärten nun Michal Kowalewski vom Virginia Polytechnic Institute und seine Kollegen auf. Sie hatten sich durch zahlreiche Museumssammlungen und Literaturberge gegraben und sich einen Überblick für das gesamte Paläozoikum verschafft. Demnach stieg die Bohrquote zwar im Laufe der Jahrmillionen leicht an, überstieg aber nie zwei Prozent. Und selbst heute bekommen gerade einmal acht Prozent der Armfüßer unangenehm bohrenden Besuch.
Dieses Ausmaß aber liegt um ein bis zwei Größenordnungen unter dem, was ihre im Aussehen so ähnlichen Muschel-Zeitgenossen aushalten müssen. Wie kommt's? Ganz einfach, erklärt Kowalewski: Brachiopoden wurden immer nur durch Zufall Opfer. So wirklich als Beute schätzte sie offenbar niemand. Vielleicht, so spekulieren die Forscher, waren sie schlicht nicht so nahrhaft – oder schmeckten einfach grässlich.
Außerdem erlebte die marine Lebewelt ausgerechnet in jenen Phasen, in denen Brachiopoden vermehrt gelöchert wurden, gerade zwei ihrer großen Diversifizierungsschübe. Dies führte zu mehr ökologischen Nischensuchern und neuen hungrigen Arten – kein Wunder, dass sich da gerade orientierungslose, gestresste oder sonstwie verwirrte Räuber oder Parasiten durchaus häufiger an einem Armfüßer vergriffen haben. Aus reinem Versehen, wohlgemerkt. Denn wären sie lecker gewesen, hätte die Bohrlochfrequenz deutlich zunehmen müssen.
Dementsprechend eignen sich Brachiopoden überhaupt nicht, um Rückschlüsse auf paläozoische Fress- und Schmarotzergewohnheiten zu ziehen. Eine nicht unbedeutende Hintergrundinformation aber liefern sie doch: wie stark der Räuber- und Parasitendruck generell auf die Opferwelt war. Denn da sie ja nicht zu den armen Bevorzugten gehörten, geben sie praktisch das "Hintergrundrauschen" wider.
Bleibt nur die Unsicherheit, ob die zwischenzeitlichen verstärkten Bohrattacken nicht von einer größeren Feindeszahl insgesamt, sondern daher rührten, dass Hungerleider sie in mageren Zeiten ein klein bisschen häufiger auf dem Speiseplan setzten – widerwillig zwar, aber immer noch besser, als mit knurrendem Magen schlafen zu gehen.
Und da sie in altertümlichen Zeiten so häufig waren, sollten sie einen recht guten Einblick in damalige Verhältnisse bieten. Beispielsweise beim Thema Nahrungsnetze: Gab es viele Räuber damals? Litt Tier heftig unter Parasiten? Löcher sprechen hier Bände: Wer sich an den gut verpackten Meeresbewohnern gütlich tun wollte, musste sich schon durch die Schale bohren – durch Raspeln oder säuerliches Lösen. Die Zahl der Bohrlöcher müsste also verraten, wie begehrt Brachiopodenbeute wirklich war.
Nicht sehr, klärten nun Michal Kowalewski vom Virginia Polytechnic Institute und seine Kollegen auf. Sie hatten sich durch zahlreiche Museumssammlungen und Literaturberge gegraben und sich einen Überblick für das gesamte Paläozoikum verschafft. Demnach stieg die Bohrquote zwar im Laufe der Jahrmillionen leicht an, überstieg aber nie zwei Prozent. Und selbst heute bekommen gerade einmal acht Prozent der Armfüßer unangenehm bohrenden Besuch.
Dieses Ausmaß aber liegt um ein bis zwei Größenordnungen unter dem, was ihre im Aussehen so ähnlichen Muschel-Zeitgenossen aushalten müssen. Wie kommt's? Ganz einfach, erklärt Kowalewski: Brachiopoden wurden immer nur durch Zufall Opfer. So wirklich als Beute schätzte sie offenbar niemand. Vielleicht, so spekulieren die Forscher, waren sie schlicht nicht so nahrhaft – oder schmeckten einfach grässlich.
Ihre Idee untermauern die Wissenschaftler mit guten Argumenten. So fällt auf, dass die Bohrlöcher höchst unterschiedlich groß sind – wahrlich kein Zeichen eines auf Armfüßerdiät spezialisierten Räubers oder Parasiten, sondern eher verirrten Querbeetbesuchs. Weiterhin zeigen sich keine Aufs und Abs in der Bohrlöcherrate über die Zeiten hinweg. Hätte es jedoch das klassische Rüstungswettrennen der Koevolution gegeben, müssten sich deutliche Schwankungen erfolgreicher Schutzmaßnahmen wie darauf folgender erfolgreicher Überwindung derselben erkennen lassen – keine Spur davon.
Außerdem erlebte die marine Lebewelt ausgerechnet in jenen Phasen, in denen Brachiopoden vermehrt gelöchert wurden, gerade zwei ihrer großen Diversifizierungsschübe. Dies führte zu mehr ökologischen Nischensuchern und neuen hungrigen Arten – kein Wunder, dass sich da gerade orientierungslose, gestresste oder sonstwie verwirrte Räuber oder Parasiten durchaus häufiger an einem Armfüßer vergriffen haben. Aus reinem Versehen, wohlgemerkt. Denn wären sie lecker gewesen, hätte die Bohrlochfrequenz deutlich zunehmen müssen.
Dementsprechend eignen sich Brachiopoden überhaupt nicht, um Rückschlüsse auf paläozoische Fress- und Schmarotzergewohnheiten zu ziehen. Eine nicht unbedeutende Hintergrundinformation aber liefern sie doch: wie stark der Räuber- und Parasitendruck generell auf die Opferwelt war. Denn da sie ja nicht zu den armen Bevorzugten gehörten, geben sie praktisch das "Hintergrundrauschen" wider.
Bleibt nur die Unsicherheit, ob die zwischenzeitlichen verstärkten Bohrattacken nicht von einer größeren Feindeszahl insgesamt, sondern daher rührten, dass Hungerleider sie in mageren Zeiten ein klein bisschen häufiger auf dem Speiseplan setzten – widerwillig zwar, aber immer noch besser, als mit knurrendem Magen schlafen zu gehen.
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