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Wissenschaftsgeschichte: Verzeihlicher Fehler

Galileo Galilei war seiner Zeit weit voraus, doch mitunter lag er auch daneben. So unterschätzte er die Abstände der Sterne - obwohl er völlig richtig gerechnet hatte.
Galileo Galilei
Nicht eben und gleichmäßig, sondern rau, zerklüftet, voller riesige Erhebungen und Krater – so präsentierte sich der Mond dem menschlichen Auge. Galileo Galilei (1564-1642), damals Mathematikprofessor an der Universität Padua, war tief beeindruckt von dem Anblick, den ihm zum ersten Mal eine neue technische Errungenschaft ermöglicht hatte.

Mondphasen | 1616 erstellte Galileo Galilei diese Zeichnungen der Phasen des Mondes.
1609 hatte er von der Erfindung des Fernrohres gehörte – und sofort nachgebaut. Allerdings wollte er damit nicht nur in die irdische Ferne schauen, sondern richtete es gen Himmel. Galilei sah, dass die Milchstraße aus Myriaden Sternen besteht und entdeckte vier – heute nach ihm benannte – Jupitermonde, die ihm seine Zeitgenossen oftmals als Sinnestäuschung unterstellten, weil ihre eigenen Fernrohre nicht gut genug waren.

Sehen allein genügte Galilei bald nicht mehr, und ganz Mathematiker, begann er, die Bewegungen und Entfernungen der Sterne zu berechnen. Er nahm an, dass sie alle unserer Sonne glichen, sich allerdings in einem enormen Abstand zur Erde befänden. Indem er unterstellte, je kleiner die Sterne in seinem Teleskop erschienen, umso weiter müssten sie entfernt sein, versuchte er, ihre Abstände geometrisch zu ermitteln. Als Maß wählte er die Distanz von der Erde zur Sonne, die noch heute als "Astronomische Einheit" mit ungefähr 150 Millionen Kilometern als Entfernungsangabe verwendet wird.

Galileo Galilei | Während Galileo Galilei wegen Differenzen mit der kirchlichen Lehrmeinung unter Hausarrest stand, fertigte Justus Sustermans 1636 dieses Portrait an.
So errechnete Galilei für die hellsten Sterne eine Entfernung von etwa 360 Astronomischen Einheiten. Nach weiteren Beobachtungen von nur schwach leuchtenden Sternen, kam er zu dem Schluss, alle mit bloßem Auge sichtbaren Sterne könnten höchstens einige hundert bis ein paar tausend Astronomische Einheiten entfernt sein. Wie heutige Astronomen allerdings wissen, sind die uns nächsten Sterne mit etwa 300 000 Astronomische Einheiten wesentlich weiter weg. Sollte der Meister sich hier verrechnet haben?

Natürlich lag Galilei mit seiner Hypothese falsch, alle Sterne hätten dieselbe Größe wie unsere Sonne. Aber lässt man dies außer Acht, ist der Fehler immer noch zu groß. Und seine Berechnungen bestätigten sich als richtig, wie Christopher Graney, Physiker am Jefferson Community College in Louisville nun überprüft hat. Er bestätigt damit die Vermutung von Historikern, dass die Ursache wohl in den Bildern der Sterne liegt, die Galilei vermaß.

Beugungsscheibe | Der englische Astronom George Biddell Airy entdeckte, dass sich das Bild eines Lichtstrahls in eine helle Scheibe in der Mitte und mehrere Ringe außerhalb auftrennt, weil sich das Licht an dem Rand einer Linse bricht. Das Phänomen entsteht nicht nur bei der Beobachtung von Sternen, sondern bereits, wenn man eine Taschenlampe auf eine Wand richtet.
Denn in seinem Teleskop sah der Astronom nicht die Sterne selbst, sondern nur deren Beugungsmuster. Durch die Beugung des Lichts am Rand der Linse entsteht ein Muster aus konzentrischen Kreisen mit einer hellen Scheibe in der Mitte – nach George Airy (1801-1892), dem Entdecker dieses Phänomens, auch Airy-Scheibchen genannt.

Bei schwächer leuchtenden Objekten sind die Kanten der Scheibe kaum zu erkennen, so dass die Sterne kleiner erscheinen, während helle Himmelskörper umfangreichere Beugungsmuster hervorrufen. Größere Beugungsscheiben deutete Galilei nicht als hellere, sondern als näher liegende Objekte – und lag damit um den Faktor 1000 daneben. Erst 1838 gelang es dem deutschen Astronomen Friedrich Wilhelm Bessel (1784-1846) mit der noch heute verwendeten Parallaxenmessung, die wirkliche Entfernung zu den Sternen zu bestimmten.

Graney berechnete jetzt die Größer der Beugungsscheibe, die jeder Stern in Galileis Teleskop produziert haben müsste. Die Helligkeit des Sterns aufgetragen gegen seinen wahrgenommenen Durchmesser ergab einen schönen, linearen Zusammenhang. Kein Wunder, dass sich Galilei von diesem glatten Ergebnis täuschen ließ, kommentiert Noel Swerdlow, Wissenschaftshistoriker von der Universitäty of Chicargo.

Das Phänomen der Beugung wurde erst 200 Jahre später wirklich verstanden. insofern sei Galileis Fehler verzeihlich für den Stand des Wissens im 17. Jahrhundert, meint Graney. "Er hat nichts gesehen, was seiner Sichtweise widersprach."

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