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Spieltheorie: Viele »Neider« und weniger »Optimisten«

In Konflikten entscheiden Menschen unterschiedlich: Einige kooperieren, andere sind Egoisten. Mit Hilfe der Spieltheorie wurden vier Basis-Persönlichkeiten identifiziert.
Anonyme Menschenmasse

Wie entscheiden Menschen in sozialen Konfliktsituationen? Die klassische Grundannahme der Spieltheorie, dass Menschen in solchen Fällen rational und mathematisch nachvollziehbar entscheiden, deckt sich nicht unbedingt mit den aktuellen Forschungsergebnissen. Stattdessen handeln Menschen irrational, aus dem Bauch heraus oder mit nicht klar erkennbarer Strategie. Ob sich dennoch Muster in den Entscheidungen erkennen lassen, versuchen Wissenschaftler um Angel Sánchez von der Universität Carlos III in Madrid herauszufinden. Dabei konnten sie vier grundlegende Typen von Persönlichkeiten identifizieren: den Optimisten, den Pessimisten, den Neider und den Vertrauenden – sie unterscheiden sich jeweils in ihrer Handlungsmotivation. Laut Studie sind die meisten von uns vom Typ »Neider«.

Die Wissenschaftler nutzten konstruierte Geschichten, die die Spieler vor ein Dilemma stellen: Sie mussten sich in jeder Runde entscheiden, ob sie mit ihrem Mitspieler kooperieren wollen oder nicht – allerdings ohne sich mit diesem absprechen zu können. Diese Entscheidungen hatten bei allen vier Spielvarianten unterschiedliche Konsequenzen: Wenn beispielsweise beide Spieler die Option »kooperieren« wählten, erreichten in einem Fall auch beide die höchste Gewinnausschüttung. In einem anderen Spiel gewann hingegen nur der Spieler, der sich für sein Eigeninteresse entschieden hatte – der Kooperierende bekam weniger. Jeder spielte alle Varianten mehrfach hintereinander, aber mit ständig wechselnden Partnern. Zu gewinnen gab es Lotteriescheine als Anreiz für ein ertragsorientiertes Spielen.

Wählten die Spieler nach dem Zufallsprinzip, oder folgte jeder seiner eigenen Strategie? Das sollte eine anschließende statistische Auswertung der insgesamt 8366 Entscheidungen aller 541 Versuchspersonen zeigen. Die Analyse ergab erstens, dass die allermeisten Spieler in der Regel eine einmal gewählte Strategie beibehielten, und zweitens, dass es insgesamt nur vier Basisstrategien zu geben scheint.

Der »Optimist«, wie er von den Forschern genannt wird, setzt immer auf die Option mit dem höchsten Gewinn, egal wie hoch das Risiko ist. Der »Pessimist« erwartet, dass sein Gegenspieler ihn im Stich lässt, und wählt daher nach dem Prinzip »Lieber den Spatz in der Hand …« den Gewinn mit der höchsten Wahrscheinlichkeit, selbst wenn dieser nicht viel einbringt. Der »Vertrauende« verhält sich dagegen stets kooperativ, auch in Fällen, in denen dies von Nachteil sein könnte.

Den größten Anteil machten die »Neider« aus, die laut Studie immer verhindern möchten, dass ihre Gegenspieler mehr Auszahlung als sie selbst erhalten – selbst wenn sie dadurch ihre eigenen Chancen auf den Gewinn gefährden. Dies traf auf 30 Prozent der Teilnehmer zu, während die anderen Gruppen jeweils 20 Prozent der Versuchspersonen umfassten. Bleiben noch 10 Prozent, die gar nicht zuzuordnen waren – bei ihnen ließ sich keine Strategie erkennen, möglicherweise entschieden sie schlicht per Zufall.

Die Existenz dieser letzten Gruppe legt bereits nahe, dass die Ergebnisse aus der Studie vermutlich nicht direkt auf Entscheidungsverhalten im Alltag übertragen werden können. Im echten Leben sind soziale Konfliktsituationen zumeist deutlich komplexer. Es gibt mehr Entscheidungsmöglichkeiten, die Konsequenzen sind vielfältiger, und meist sind die Menschen in einem Konflikt miteinander in Kontakt und können so einen Kompromiss aushandeln. Offen bleibt auch, ob die Teilnehmer bei späteren Wiederholungen des Experiments erneut nach derselben Strategie entscheiden würden wie zuvor. Womöglich mutiert ja der »Pessimist« zum »Optimisten«, und der »Neider« beginnt plötzlich zu kooperieren.

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