Genominvasion: Viele Virenfossile im Genom
Im Erbgut von Menschen und anderen Lebewesen finden sich viele Sequenzen, die Viren bei einer Infektion früherer Generationen vor langer Zeit eingebaut haben. Bislang hatte man solche fossilen Spuren ehemaliger Virenattacken allerdings nur der Gruppe der Retroviren zugeschrieben. Keizo Tomonaga von der Osaka University und seine Kollegen beschreiben nun, dass auch die so genannten Bornaviren sich auf Dauer im Erbgut einer Art verewigen können [1]. Diese Viren könnten durchaus eine bislang unterschätzte Quelle von schädlichen oder innovationsfördernden Mutationen sein, so die Forscher.
Eine Infektion von Bornaviren verrät sich im Erbgut durch bestimmte Sequenzrelikte, so genannten EBLN-Elemente (endogenous Borna-like Nucleoprotein), die vom Einbau eines viralen Genabschnittes herrühren, in dem ein typischer Hüllenbestandteil des Virus kodiert ist. Tomonagas Team durchsuchte nun das Genom von 234 Eukaryonten nach EBLN-Spuren und wurde dabei häufig fündig.
Offenbar haben Bornaviren sich mehrfach zu unterschiedlichen Zeiten in verschiedene Säugetierlinien eingeschlichen – so etwa vor 10 Millionen Jahren in Hörnchen und vor etwa 40 Millionen Jahren auch in Menschenaffen. RNA-Viren und Säugetiere entwickelten sich demnach über eine sehr lange Zeitspanne gemeinsam. Primatenvorfahren könnten sogar schon am Ende der Kreidezeit erstmals infiziert worden sein.
Bornaviren sind eine Gruppe von RNA-Viren mit einem Negativstrang – also einer RNA, deren Sequenz komplementär zur späteren Boten-RNA ist, die als Vorlage zur Proteinsynthese des Erregers dient. Solche Viren müssen bei einer Infektion immer zuerst ihren RNA-Strang mit einem selbst mitgebrachten Spezialenzym replizieren, um dann neue Proteine herstellen zu können. Das Bornavirus vermehrt sich ausschließlich im Kern einer infizierten Zelle; dies unterscheidet es von RNA-Retroviren mit ähnlicher negativ-einzelsträngiger Erbgutstruktur, die bekanntermaßen Sequenzspuren im Wirt hinterlassen.
Bei Bornaviren werden bei der Replikation allerdings keine Erbgutabschnitte in die Wirts-DNA integriert; das dazu nötige retrovirale Werkzeug, etwa die reverse Transkriptase zum Umkopieren von RNA in DNA, fehlt dem Virus. Trotzdem fanden die Forscher Reste der viralen EBLN-Gensequenzen in der DNA etwa in eigens infizierten Mäusen. Flankierende Abschnitte der integrierten Sequenzen deuten darauf hin, dass mobile genetische Elemente der Wirtszellen dafür verantwortlich sind: Sie kopieren sich regelmäßig selbst und reintegrieren dann an anderer Stelle erneut ins Erbgut. Bei diesem Prozess könnte der verantwortliche Apparat auch RNA der Bornaviren in DNA umgeschrieben und eingebaut haben, vermutet Cédric Feschotte von der University of Texas in Arlington [2].
Bornaviren infizieren warmblütige Säugetiere und führen hier zu Erkrankungen wie der "Hitzigen Kopfkrankheit" der Pferde. Die Krankheit hatte 1885 unter Kavalleriepferden im sächsischen Borna gewütet; die Stadt wurde daraufhin Namensgeber der Erregerfamilie. In medizinischen Fachkreisen sind Bornaviren seit einigen Jahren Gegenstand eines noch nicht entschiedenen Disputs über die mögliche Gefahr, die der Erreger für den Menschen darstellen könnte. In mehreren Studien waren zunächst Hinweise darauf gefunden worden, dass das Virus diverse neurologische Erkrankungen wie etwa das chronische Erschöpfungssyndrom, Depressionen oder Schizophrenie mit verursachen könnte. Diese Studien werden von verschiedenen anderen Forschergruppen aber als fehlinterpretiert dargestellt, ein allgemein anerkannter Beleg steht noch aus.
Feschotte ruft in einem erläuternden Kommentar nun nach weiteren Untersuchungen: Gerade im Gehirn des Menschen seien mobile Elemente wie das häufige Retrotransposon L1 sehr aktiv und könnten womöglich tatsächlich oft in DNA umgeschriebene Sequenzen der Bornaviren in das Erbgut kopieren. Dies könnte dann in der Tat verschiedenen psychischen Erkrankungen Vorschub leisten, warnt der Wissenschaftler. (jo)
Eine Infektion von Bornaviren verrät sich im Erbgut durch bestimmte Sequenzrelikte, so genannten EBLN-Elemente (endogenous Borna-like Nucleoprotein), die vom Einbau eines viralen Genabschnittes herrühren, in dem ein typischer Hüllenbestandteil des Virus kodiert ist. Tomonagas Team durchsuchte nun das Genom von 234 Eukaryonten nach EBLN-Spuren und wurde dabei häufig fündig.
Offenbar haben Bornaviren sich mehrfach zu unterschiedlichen Zeiten in verschiedene Säugetierlinien eingeschlichen – so etwa vor 10 Millionen Jahren in Hörnchen und vor etwa 40 Millionen Jahren auch in Menschenaffen. RNA-Viren und Säugetiere entwickelten sich demnach über eine sehr lange Zeitspanne gemeinsam. Primatenvorfahren könnten sogar schon am Ende der Kreidezeit erstmals infiziert worden sein.
Bornaviren sind eine Gruppe von RNA-Viren mit einem Negativstrang – also einer RNA, deren Sequenz komplementär zur späteren Boten-RNA ist, die als Vorlage zur Proteinsynthese des Erregers dient. Solche Viren müssen bei einer Infektion immer zuerst ihren RNA-Strang mit einem selbst mitgebrachten Spezialenzym replizieren, um dann neue Proteine herstellen zu können. Das Bornavirus vermehrt sich ausschließlich im Kern einer infizierten Zelle; dies unterscheidet es von RNA-Retroviren mit ähnlicher negativ-einzelsträngiger Erbgutstruktur, die bekanntermaßen Sequenzspuren im Wirt hinterlassen.
Bei Bornaviren werden bei der Replikation allerdings keine Erbgutabschnitte in die Wirts-DNA integriert; das dazu nötige retrovirale Werkzeug, etwa die reverse Transkriptase zum Umkopieren von RNA in DNA, fehlt dem Virus. Trotzdem fanden die Forscher Reste der viralen EBLN-Gensequenzen in der DNA etwa in eigens infizierten Mäusen. Flankierende Abschnitte der integrierten Sequenzen deuten darauf hin, dass mobile genetische Elemente der Wirtszellen dafür verantwortlich sind: Sie kopieren sich regelmäßig selbst und reintegrieren dann an anderer Stelle erneut ins Erbgut. Bei diesem Prozess könnte der verantwortliche Apparat auch RNA der Bornaviren in DNA umgeschrieben und eingebaut haben, vermutet Cédric Feschotte von der University of Texas in Arlington [2].
Bornaviren infizieren warmblütige Säugetiere und führen hier zu Erkrankungen wie der "Hitzigen Kopfkrankheit" der Pferde. Die Krankheit hatte 1885 unter Kavalleriepferden im sächsischen Borna gewütet; die Stadt wurde daraufhin Namensgeber der Erregerfamilie. In medizinischen Fachkreisen sind Bornaviren seit einigen Jahren Gegenstand eines noch nicht entschiedenen Disputs über die mögliche Gefahr, die der Erreger für den Menschen darstellen könnte. In mehreren Studien waren zunächst Hinweise darauf gefunden worden, dass das Virus diverse neurologische Erkrankungen wie etwa das chronische Erschöpfungssyndrom, Depressionen oder Schizophrenie mit verursachen könnte. Diese Studien werden von verschiedenen anderen Forschergruppen aber als fehlinterpretiert dargestellt, ein allgemein anerkannter Beleg steht noch aus.
Feschotte ruft in einem erläuternden Kommentar nun nach weiteren Untersuchungen: Gerade im Gehirn des Menschen seien mobile Elemente wie das häufige Retrotransposon L1 sehr aktiv und könnten womöglich tatsächlich oft in DNA umgeschriebene Sequenzen der Bornaviren in das Erbgut kopieren. Dies könnte dann in der Tat verschiedenen psychischen Erkrankungen Vorschub leisten, warnt der Wissenschaftler. (jo)
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