News: Viraler Fluchtweg
Doch wie gelangen die Krankheitserreger wieder ins Freie, nachdem sie sich im Wirt ihrer Wahl erst eingenistet und dann dort vermehrt haben? Schließlich will das nächste Opfer erobert werden. Dieser interessanten Fragestellung haben sich Robert Walters und seine Kollegen von der University of Iowa zugewendet.
Sie beobachteten ein verbreitetes Erkältungsvirus – ein Adenovirus –, das sich auf den Schleimhäuten von Nase und Mund niederlässt, um anschließend die oberste Zellschicht des Respirationstrakts zu infizieren. Dabei stellt sich den Mikroorganismen sowohl beim Eindringen wie bei der Flucht aber eine physikalische Barriere in den Weg: die abschließende Zellschicht aus Epithelzellen, die das Körperinnere gegenüber seiner Umwelt abgrenzt.
Für eine lückenlosen Zusammenhalt der Zellen sorgen bestimmte Proteine auf der Oberfläche der Zellen. Diese so genannten Adhäsionsmoleküle halten die Epithelzellen zusammen, indem Proteine auf der Zelloberfläche wie ein Reißverschluss ineinander greifen. So schließen sie den zwischen beiden Zellen bestehenden Spalt, und selbst winzige Organismen können nun nicht mehr hinein oder heraus. Einer der wichtigsten Bestandteile des molekularen Reißverschlusses ist nach Erkenntnis der Forscher um Walters ein Zelladhäsionsprotein namens CAR.
Die Untersuchungen der Forscher haben nun gezeigt, dass der Reißverschluss in Gegenwart von Adenoviren durchlässig wird und nicht mehr lückenlos schließt. So schlüpfen die Viren durch Lücken, die sich selbst geschaffen haben. Schuld an diesem Dilemma ist das Protein Fiber der Virenhülle des Erregers. Bindet das Molekül an die Schlüsselkomponente des Reißverschlusses – an CAR –, dann öffnet sich der Verschluss und Löcher in der ansonsten undurchdringlichen Zellschicht werden sichtbar.
Das Virus bereitet seine Flucht sogar gezielt vor, indem es große Mengen des Fiber-Proteins herstellt. Platzt schließlich die infiziert Zelle, werden die angrenzenden Epithelzellen damit regelrecht überschwemmt und die Barriere öffnet sich an vielen Stellen gleichzeitig.
Besonders interessant für Walters ist die Beobachtung, dass das untersuchte Adenovirus zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt. So entert es den Wirt über denselben Weg, mit dem es den unfreiwilligen Gastgeber auch wieder verlässt. "Offensichtlich hat sich das Virus so entwickelte, dass es ein und dasselbe Werkzeug für zwei unterschiedliche Aufgaben einsetzt", beschreibt Walters das virale Enter- und Fluchtprogramm.
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