Gentherapie: Virentaxis auf Erfolgskurs
Das Wort "Gentherapie" löst immer noch Unbehagen aus. Tatsächlich sind etliche Versuche beim Menschen gescheitert, doch jetzt gelang bei einer unheilbaren Krankheit ein Teilerfolg.
Sechs kleine Löcher bohrten die Ärzte in die Schädeldecken von zehn Kindern. Dann führten sie winzige Glasröhrchen durch die Öffnungen ein und pumpten über eine Stunde mehr als eine Milliarde Viruspartikel in das Gehirn.
Der Eingriff, der im ersten Moment an einen schlechten Horrorfilm zu erinnern scheint, diente jedoch einem guten Zweck: Die Kinder litten an einer unheilbaren Stoffwechselkrankheit, der spätinfantilen neuronalen Ceroidlipofuscinose (late infantile neuronal ceroid lipofuscinosis; LINCL). Bei dieser Erbkrankheit lagern sich Abfallstoffe in den Nervenzellen der Betroffenen ab – die Erkrankten kämpfen bereits im frühen Kindesalter von etwa drei Jahren mit einer gestörten Motorik und Sprachproblemen. Nach wenigen Jahren erblinden sie und sind von da an an den Rollstuhl gefesselt. Die meisten sterben schon mit 12 Jahren, weil sie nicht mehr selbstständig atmen können.
Abfallhaufen in der Zelle
Ausgelöst wird die Krankheit durch eine Mutation im Gen CLN2. Dadurch fällt ein Enzym aus, das normalerweise nicht mehr benötigte Proteine in den Nervenzellen entsorgt. "Ein Müllmann, der seiner Arbeit nicht mehr nachgeht, würde eine ähnliche Situation verursachen," erklärt Ronald Crystal vom Weill Cornell Medical College in New York. "Der Abfall stapelt sich solange in der Zelle, bis diese stirbt."
Die untergegangenen Neuronen können er und seine Kollegen zwar nicht wieder zurückholen, doch sie können versuchen, den Krankheitsverlauf zu verzögern, um den Kindern ein längeres Leben zu ermöglichen. Eine funktionstüchtige Variante des CLN2-Gens soll dieses Ziel in greifbare Nähe rücken.
Ethisches Dilemma
Eine Therapiestudie mit Kindern, die an einer solch seltenen und schweren Krankheit leiden, erfordert allerdings gesonderte Versuchsregeln. Standardmäßig durchgeführte Kontrollgruppen entfallen. Da es aus ethischen Gründen unzumutbar ist, sterbenskranken Kindern die Chance auf eine eventuelle Verbesserung ihres Zustandes vorzuenthalten, führten die Mediziner die Gentherapie bei allen Betroffenen durch, die sich weltweit für den Therapieversuch gemeldet hatten.
Als Gentaxi diente ein umgewandeltes Adenovirus, der Erreger meist harmloser Atemwegserkrankungen. Die Forscher hatten das Virus entschärft, indem sie ihm zwei Gene entnommen hatten. Anschließend ersetzten sie die Lücke durch die korrekte DNA-Sequenz des CLN2-Gens. Diese veränderten Viren injizierten sie dann durch Glaskatheter direkt in die betroffenen Hirnregionen ihrer Patienten. Die Viren sollten sich in den Nervenzellen vermehren und das von CLN2 kodierte Enzym Tripeptidylpeptidase 1 (TTP1) produzieren.
Erster Hoffnungsschimmer?
Achtzehn Monate nach der Gentherapie hatte sich der Verlauf der Krankheit bei acht von zehn Kindern deutlich verlangsamt. Untersuchungen mit Magnetresonanztomografen deuteten einen leichten Trend an, nach dem die Anzahl der Nervenzellen weniger stark zurückging – ein Funken Hoffnung für eine Krankheit, bei der zuvor keine Therapie Erfolg versprach, urteilt Crystal.
Ein Junge starb jedoch ein Jahr nach dem Eingriff. Die Todesursache ist noch rätselhaft, doch die Viren scheint keine Schuld zu treffen, da eine virale Entzündung des zentralen Nervensystems nicht nachweisbar war. Crystal vermutet, dass ein Epilepsieanfall des Jungen indirekt von der Gentherapie verursacht wurde. Eventuell war das Glasröhrchen der Auslöser für die krampfartigen Anfälle.
Die Gentherapie dürfte daher auch weiterhin ein kontrovers diskutiertes Forschungsfeld bleiben. Zu viele Zwischenfälle führten in der Vergangenheit zu negativen Schlagzeilen, strengen Kontrollen und eingeschränkten Studien an Menschen. Nach Ansicht der Wissenschaftler sollten aber auch die Erfolgsmeldungen, die in den letzten Jahren zunahmen, nicht in Vergessenheit geraten: Sobald die Ursachen einzelner Fehlschläge bekannt seien, könnte die Therapie mit den viralen Genfähren eine sichere Option darstellen.
Der Eingriff, der im ersten Moment an einen schlechten Horrorfilm zu erinnern scheint, diente jedoch einem guten Zweck: Die Kinder litten an einer unheilbaren Stoffwechselkrankheit, der spätinfantilen neuronalen Ceroidlipofuscinose (late infantile neuronal ceroid lipofuscinosis; LINCL). Bei dieser Erbkrankheit lagern sich Abfallstoffe in den Nervenzellen der Betroffenen ab – die Erkrankten kämpfen bereits im frühen Kindesalter von etwa drei Jahren mit einer gestörten Motorik und Sprachproblemen. Nach wenigen Jahren erblinden sie und sind von da an an den Rollstuhl gefesselt. Die meisten sterben schon mit 12 Jahren, weil sie nicht mehr selbstständig atmen können.
Abfallhaufen in der Zelle
Ausgelöst wird die Krankheit durch eine Mutation im Gen CLN2. Dadurch fällt ein Enzym aus, das normalerweise nicht mehr benötigte Proteine in den Nervenzellen entsorgt. "Ein Müllmann, der seiner Arbeit nicht mehr nachgeht, würde eine ähnliche Situation verursachen," erklärt Ronald Crystal vom Weill Cornell Medical College in New York. "Der Abfall stapelt sich solange in der Zelle, bis diese stirbt."
Die untergegangenen Neuronen können er und seine Kollegen zwar nicht wieder zurückholen, doch sie können versuchen, den Krankheitsverlauf zu verzögern, um den Kindern ein längeres Leben zu ermöglichen. Eine funktionstüchtige Variante des CLN2-Gens soll dieses Ziel in greifbare Nähe rücken.
Um fremde Gene wie dieses in eine Körperzelle zu überführen, stehen verschiedene Möglichkeiten zur Wahl: Sie können mit einer Mikronadel injiziert werden, mit Hilfe von Stromstößen die zeitweise durchlässige Zelloberfläche durchdringen oder an Goldkügelchen gekoppelt in die Zellen geschossen werden. Bei den LINCL-Patienten entschieden sich die Forscher für eine Methode, die in den letzten Jahren immer wieder Erfolge verzeichnete: die virale Gentherapie. Virentaxen liefern das therapeutische Gen direkt am Zielort ab.
Ethisches Dilemma
Eine Therapiestudie mit Kindern, die an einer solch seltenen und schweren Krankheit leiden, erfordert allerdings gesonderte Versuchsregeln. Standardmäßig durchgeführte Kontrollgruppen entfallen. Da es aus ethischen Gründen unzumutbar ist, sterbenskranken Kindern die Chance auf eine eventuelle Verbesserung ihres Zustandes vorzuenthalten, führten die Mediziner die Gentherapie bei allen Betroffenen durch, die sich weltweit für den Therapieversuch gemeldet hatten.
Als Gentaxi diente ein umgewandeltes Adenovirus, der Erreger meist harmloser Atemwegserkrankungen. Die Forscher hatten das Virus entschärft, indem sie ihm zwei Gene entnommen hatten. Anschließend ersetzten sie die Lücke durch die korrekte DNA-Sequenz des CLN2-Gens. Diese veränderten Viren injizierten sie dann durch Glaskatheter direkt in die betroffenen Hirnregionen ihrer Patienten. Die Viren sollten sich in den Nervenzellen vermehren und das von CLN2 kodierte Enzym Tripeptidylpeptidase 1 (TTP1) produzieren.
Erster Hoffnungsschimmer?
Achtzehn Monate nach der Gentherapie hatte sich der Verlauf der Krankheit bei acht von zehn Kindern deutlich verlangsamt. Untersuchungen mit Magnetresonanztomografen deuteten einen leichten Trend an, nach dem die Anzahl der Nervenzellen weniger stark zurückging – ein Funken Hoffnung für eine Krankheit, bei der zuvor keine Therapie Erfolg versprach, urteilt Crystal.
Ein Junge starb jedoch ein Jahr nach dem Eingriff. Die Todesursache ist noch rätselhaft, doch die Viren scheint keine Schuld zu treffen, da eine virale Entzündung des zentralen Nervensystems nicht nachweisbar war. Crystal vermutet, dass ein Epilepsieanfall des Jungen indirekt von der Gentherapie verursacht wurde. Eventuell war das Glasröhrchen der Auslöser für die krampfartigen Anfälle.
Die Gentherapie dürfte daher auch weiterhin ein kontrovers diskutiertes Forschungsfeld bleiben. Zu viele Zwischenfälle führten in der Vergangenheit zu negativen Schlagzeilen, strengen Kontrollen und eingeschränkten Studien an Menschen. Nach Ansicht der Wissenschaftler sollten aber auch die Erfolgsmeldungen, die in den letzten Jahren zunahmen, nicht in Vergessenheit geraten: Sobald die Ursachen einzelner Fehlschläge bekannt seien, könnte die Therapie mit den viralen Genfähren eine sichere Option darstellen.
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