Direkt zum Inhalt

Infrarot-Astronomie: Vom frühen und späten Leben der Sterne

Seit rund 35 Monaten können Astronomen an Europas Südsternwarte schärfer und tiefer ins All blicken als je zuvor: sie schalteten, mit Hilfe des Neueinbaus AMBER, die Einzelbestandteile des Very Large Teleskopes zu einem größeren Ganzen zusammen. Das Zwischenfazit des produktiven Kombi-Infrarotspähers fällt nach den ersten Beobachtungsjahren viel versprechend aus.
Sternwind um Eta Carinae
Die Idee liegt nahe und funktioniert auch auf den Bergen der chilenischen Wüste: aus drei sehr großen mach ein riesiges. Am Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte auf dem Cerro Paranal in Chile ist das Prinzip umgesetzt, seit das Instrument AMBER (Astronomical Multi-Beam Recombiner) im März 2004 erfolgreich installiert wurde. Es überlagert das infrarote Licht von drei Teleskopen, wodurch man eine sehr hohe Bildschärfe erreichen kann – ein als Infrarot-Interferometrie bekanntes Verfahren. Nun ziehen die ersten Benutzer des jungen Instrumentes, darunter unter anderem Forscher des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie, eine erste wissenschaftliche Bilanz in einem knappen Dutzend gleichzeitig veröffentlichter Arbeiten.

Astronomische Messungen mit AMBER und drei Teleskopen des VLT-Interferometers (VLTI) liefern eine etwa 16-fach höhere Auflösung als jedes einzelne Teleskope mit seinen 8,2 Metern Spiegeldurchmesser. Das VLTI hat dadurch eine gesamte Spiegeloberfläche von mehr als 150  Quadratmetern und einem maximalen Abstand von mehr als 130 Metern zwischen den Einzelteleskopen.
AMBER (Astronomical Multi-Beam Recombiner) ist eines von zwei wissenschaftlichen Instrumenten des Very Large Telescope Interferometers (VLTI) der Europäischen Südsternwarte am Cerro Paranal in Chile. Es handelt sich dabei um ein im nahinfraroten Wellenlängenbereich (von 1.0 bis 2.5 Mikrometern) operierendes Strahlvereinigungsinstrument.
Damit ist es das weltweit größte Teleskop und Interferometer im optischen und infraroten Wellenlängenbereich mit einer räumlichen Auflösung von wenigen Milli-Bogensekunden – sie würde es theoretisch möglich machen, Details von nur 2 Metern Ausdehnung auf dem Mond zu erkennen. Zusätzlich liefert AMBER den Astronomen auch spektroskopische Informationen mit hoher spektraler Auflösung, mit denen wichtige Absorptions- und Emissionslinien von Sternen detailliert unter die Lupe genommen werden können.

"Das AMBER/VLTI-Instrument eröffnet den Astronomen eine Fülle von völlig neuartigen Erkenntnissen auf den unterschiedlichsten Gebieten der stellaren Astrophysik", meint Max-Planck-Forscher Gerd Weigelt, dessen Team für den Bau des Infrarot-Detektors zuständig war. "Das geht von den sehr frühen Phasen im Leben eines Sterns, in denen noch Materie aus der Umgebung auf den Stern einströmt, bis hin zu den sehr späten Entwicklungsstadien, in denen große Materiemengen wieder vom Stern abgestoßen werden." Ein breites Themenspektrum also, das durch die nun präsentierten ersten Ergebnisse aber schon recht vollständig abgedeckt wird.

Zirkumstellare Scheibe um MWC 297 | Die AMBER-Beobachtungen des jungen stellaren Objektes MWC 297. Wie die künstlerische Darstellung verdeutlicht, ist MWC 297 in der Äquatorebene von einer dichten Gas- und Staubscheibe umgeben, die möglicherweise immer noch umgebende Materie anzieht und später einmal Planeten hervorbringen kann. Darüber hinaus lassen die AMBER- Messungen auf einen nach außen gerichteten Sternwind ober- und unterhalb der äquatorialen Scheibe schließen.
Die unmittelbare Umgebung sehr junger Sterne – so genannter Herbig Ae/Be-Sternen mit Massen zwischen dem zwei- und fünffachen der Sonne und einem Alter von weniger als 10 Millionen Jahren – beobachtete AMBER etwa am Beispiel des des aktiven Objektes MWC 297 und des massearmen, weniger aktiven HD 104237. Die Studien enthüllen völlig neue Details über die windartigen Ausströmungen und die Geometrie der zirkumstellaren Gas- und Staubscheiben, in denen sich neue Planeten bilden können.

Mit Hilfe von AMBER sind auch sehr heiße, aktive Sterne untersucht worden, die das besondere Interesse der Astronomen schon seit geraumer Zeit auf sich gezogen haben. Paradebeispiele sind Alpha Arae, einer der nächstgelegenen so genannten Be-Sterne, Kappa Canis Majoris, einer der hellsten bekannten Be-Sterne, und CPD -57°2874, ein heißer Stern mit einem ungewöhnlichen Emissionslinienspektrum. Die Messungen dieser drei Sterne lieferten neuartige Erkenntnissen über die rotierenden Gashüllen von Sternen dieser Objektklasse.

Sternenwind um Eta Carinae | AMBER-Beobachtungen des länglichen Sternwindes von Eta Carinae. Die künstlerische Darstellung verdeutlicht die mit AMBER gefundene Geometrie des Sternwindes in der innersten Region von Eta Carinae bei verschiedenen Wellenlängen. Zu sehen sind die längliche Windregion im Kontinuumslicht (blaue Zone) sowie die ausgedehntere, ebenfalls nicht kugelsymmetrische Region, aus der die Strahlung einer charakteristischen Emissionslinie von Wasserstoff stammt (rot). Der Sternwind von Eta Carinae ist so dicht, dass er den darunter liegenden Zentralstern vollständig verhüllt.
Zu den massereichen Sternen, die bereits mit AMBER beobachtet wurden, zählt auch der extrem massereiche und leuchtkräftige Veränderliche Eta Carinae. Dieses gleichermaßen rätselhafte wie faszinierende Objekt, das vor rund 160 Jahren einen gewaltigen Materieausbruch hatte, ist einer der leuchtkräftigsten und vermutlich auch massereichsten bislang bekannten Sterne. Seine Masse wird auf etwa das Hundertfache der Masse unserer Sonne geschätzt. Die Ursachen für den gewaltigen Ausbruch vor 160 Jahren, der zur Bildung des so genannten Homunculus-Nebels führte, sowie die Natur der zentralen Quelle von Eta Carinae sind bis heute nicht zweifelsfrei geklärt.

Mit AMBER und seiner hohen räumlichen und spektralen Auflösung ist es nun gelungen, einen Blick in das Zentrum von Eta Carinae zu werfen. In dieser innersten Region wird die Beobachtung durch einen sehr dichten Sternwind dominiert, der den darunter liegenden Zentralstern vollständig verhüllt. Die AMBER-Beobachtungen von Eta Carinae zeigen, dass dieser dichte Sternwind nicht kugelförmig ist, sondern eine eindeutig längliche Struktur besitzt.

Wie die AMBER-Daten belegen, zeigt sich eine solche auffällige Abweichung von der Kugelsymmetrie sowohl bei Beobachtungen im Kontinuumslicht als auch bei Messungen im Licht einer charakteristischen Wasserstoff-Emissionslinie. Die Ausdehnung der beiden Regionen, aus denen die Kontinuums- und die Linienstrahlung stammen, unterscheidet sich dabei merklich voneinander. Während der dichte Sternwind im Kontinuum eine Ausdehnung von 10 Astronomischen Einheiten aufweist (dies entspricht rund 1,5 Milliarden Kilometer), konnte mit AMBER für die Zone der Linienemission eine etwa doppelt so große Ausdehnung gemessen werden. Insgesamt bestätigen die AMBER-Beobachtungen, dass die extrem hohe Massenabströmung des massereichen Zentralsterns von Eta Carinae nicht sphärisch symmetrisch ist und an den Polen deutlich stärker ausfällt als in der Äquatorebene. Dies ist im Einklang mit theoretischen Modellen, die für sehr schnell rotierende Sterne eine erhöhte Massenabströmung in polarer Richtung vorhersagen.

Einige der weiteren AMBER-Studien konzentrieren sich auf die Erforschung der späten Entwicklungsphasen von Einzelsternen und wechselwirkenden Doppelsternen. Beispiele hierfür sind der Doppelstern Gamma-2-Velorum und die wiederkehrende Nova RS Ophiuchi. Bei Gamma-2-Velorum handelt es sich um ein Doppelsternsystem bestehend aus einem so genannten Wolf-Rayet-Stern und einem heißen Stern vom Spektraltyp O. Die Messungen dieses Systems zeigen, dass die beobachteten Emissionslinien aus einer Zone stammen, in der die mächtigen Winde beider Sterne kollidieren. Die berühmte wiederkehrende Nova RS Ophiuchi, die am 12. Februar 2006 erstmals nach 21 Jahren wieder einen Ausbruch hatte, wurde mit AMBER nur fünf Tage nach der Entdeckung beobachtet. Dabei gelang es, die Geometrie und die Kinematik dieses Ausbruchs in einer sehr frühen Phase unmittelbar nach dem Ereignis zu untersuchen.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.