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News: Von A bis Theta

Unser Gehirn hat kein zentrales Navigationssystem. Es ist daher unmöglich, haargenau festzulegen, wo unser Orientierungssinn liegt. In bekannten Umgebungen nutzen wir visuelle Reize und die Sprache, um uns zurechtzufinden. Und eine Reise durch virtuelle Labyrinthe erzeugte bei Jugendlichen mit Epilepsie ein charakteristisches Muster von Gehirnaktivität, das Theta-Oszillation genannt wird. Wissenschaftler halten es für den elektrischen Ausdruck des räumlichen Vorstellungsvermögens.
Aus früheren Untersuchungen war bekannt, daß im Gehirn von Ratten, die nach einem Weg suchen, langsame, rhythmische Theta-Oszillationen auftreten. Es war jedoch bisher schwierig, diesen Zusammenhang auch beim Menschen nachzuweisen. Methoden, die das Gehirn in seiner Funktion nicht beeinträchtigen – wie zum Beispiel die Magnet-Resonanz-Tomographie und die Positronen-Emissions-Tomographie – reagieren nicht auf Gehirnwellen. Michael Kahana, Robert Sekuler, Jeremy B. Caplan und Matthew Kirschen von der Brandeis University, und Joseph R. Madsen vom Boston's Children's Hospital suchten sich daher die Hilfe von drei Jugendlichen. In der Nature-Ausgabe vom 24. Juni 1999 berichteten sie ihre Ergebnisse.

Die Jugendlichen litten unter einer besonders schweren Form von Epilepsie, die auch mit Medikamenten nicht behandelt werden konnte. Daher sollten ihnen demnächst diejenigen Teile des Gehirns entfernt werden, in denen die Anfälle entstehen. Damit keine gesunden oder lebenswichtigen Regionen geschädigt werden, überwachen Ärzte solche Patienten zunächst mit Elektroden, die sie direkt auf dem Gehirn befestigen. Diese Elektroden erlaubten es Kahana und seinen Mitarbeitern, die Theta-Wellen aufzuzeichnen.

Um das räumliche Vorstellungsvermögen anzuregen, ließen die Forscher die drei Jugendlichen Videospiele machen – im wesentlichen sollten sie sich in dreidimensionalen virtuellen Labyrinthen zurechtfinden.

Bei den ersten vier Durchgängen wiesen Pfeile den Weg. Danach sollten sie das Spiel ohne Hilfe solange wiederholen, bis sie die Labyrinthe dreimal nacheinander ohne Fehler durchqueren konnten. Die Labyrinthe waren so gestaltet, daß in der Ansicht keine Unterschiede zwischen verschiedenen Kreuzungen zu erkennen waren.

Bei allen drei Versuchspersonen führte die Aufgabe zu starken Theta-Wellen in unterschiedlichen Gehirnregionen. Auch der temporale Cortex – eine Region, die beim Gedächtnis und auch bei Epilepsie eine Rolle spielt – war betroffen. Je länger das Labyrinth war, umso öfter traten Theta-Oszillationen auf.

Obwohl es keine Kontrollgruppe gibt – die Forscher also nicht sicher sein können, daß diese Muster auch bei Nicht-Epileptikern auftreten – ist es doch sehr wahrscheinlich, daß die Ergebnisse übertragbar sind. Bei einem Jugendlichen war die Gehirnregion mit starken Theta-Oszillationen völlig von erkranktem Gewebe getrennt.

Die Studie zeigt nicht nur, daß bei Ratten und Menschen ähnliche Gehirnaktivität auftritt, wenn sie versuchen, sich in Labyrinthen zurechtzufinden. Sie eröffnet vor allem auch neue Möglichkeiten, Epilepsie und Behandlungsmethoden zu erforschen. "Mit weiterer Arbeit werden wir vielleicht eines Tages verstehen, warum die rhythmische Gehirnaktivität manchmal außer Kontrolle gerät. Unser langfristiges Ziel ist es, eine Heilung für Epilepsie zu finden", sagt Sekuler.

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