Verhaltensforschung: Von Ehrenamt, Eiern und Eigennutz
Kooperatives Brutverhalten gibt es bei zahlreichen Vogelarten. Unvorhersehbare Umweltbedingungen bilden wahrscheinlich den entscheidenden Grund für die Entstehung dieses Helfertums. Doch es scheint paradox, dass die Küken unterstützter Mütter nicht kräftiger sind, obwohl sie zusätzliche Versorger haben.
Die Vogelmutter bringt eine saftige Raupe, die im bettelnd gereckten Schnabel des Nachwuchses verschwindet. Unmittelbar nachdem sie das kugelige Nest aus Gräsern und Zweigen verlassen hat, kommt ein zweiter Versorger angeflogen und liefert den nächsten Imbiss ab, und so geht es weiter und weiter – die Küken scheinen mehr als zwei Eltern zu haben.
Eine grundlegende Erklärung fehlte
Zwischen 400 und 500 Vogelarten zeigen zumindest phasenweise kooperatives Brutverhalten. Oftmals unterstützen Geschwister oder Jungtiere aus einer älteren Brut die Eltern bei der Kükenaufzucht und tragen damit indirekt zur erfolgreichen Weitergabe ihres eigenen Erbgutes bei – ein schon lange bekanntes Verhalten, das als Verwandtenselektion bezeichnet wird. Doch dies allein ist keine befriedigende Erklärung für das Auftreten von Bruthilfe, ist es doch immer noch die beste Variante, sich selbst fortzupflanzen. Außerdem gibt es auch Zusammenarbeit zwischen nicht-verwandten Individuen, die sich so nicht erklären lässt.
45 Arten, 47 Länder, 147 Jahre
Um ihre Vermutung zu überprüfen und dabei phylogenetische Effekte auszuschließen, untersuchten die Ornithologen das Brutverhalten 45 afrikanischer Starenarten (Sturnidae) in Abhängigkeit von Lebensraum – Wüste, Savanne, tropischer Wald – und klimatischen Bedingungen. Dafür verglichen sie unter anderem die Regenverteilung in 47 afrikanischen Ländern über die vergangenen 147 Jahre. Und tatsächlich: Der Großteil der kooperativen Stare lebt in Savannengebieten, in denen die Niederschläge am stärksten variieren. Anscheinend haben die Arten das gemeinsame Brüten evolutiv unabhängig voneinander bei der Besiedlung der wechselhaften Gebiete entwickelt.
Was passiert mit den Extra-Kalorien?
Doch mit dieser Erkenntnis sind nicht alle Geheimnisse der Bruthilfe gelüftet: Seit langem zerbrachen sich Wissenschaftler den Kopf darüber, warum die Küken mit zusätzlichen Versorgern nicht größer sind, schneller wachsen und eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit haben als ihre nur von zwei Betreuern abhängigen Artgenossen – und dies obwohl die Jungtiere in kooperativen Gruppen insgesamt eindeutig mehr Nahrung bekommen. Was also passiert mit den Extra-Kalorien?
Mama profitiert
Die eigentlichen Nutznießer der Helfer sind also nicht die Küken, die die Unterstützung der anderen Vögel dringend brauchen, um die Sparmaßnahmen ihrer Erzeugerin zu kompensieren, sondern die Vogelmütter. Diese sparen Energie, leben dadurch länger und können sich öfter fortpflanzen.
Ob dieses Phänomen auch bei anderen kooperativen Arten verbreitet ist – beispielsweise beim Dreifarben-Glanzstar – muss noch erforscht werden. Sicher ist nach diesen Erkenntnissen jedenfalls, dass Kosten und Nutzen im System Bruthilfe mitunter anders verteilt sind, als bislang angenommen: Mama profitiert.
Und genau so ist es – zumindest was die Aufzucht junger Dreifarben-Glanzstare (Lamprotornis superbus) betrifft: Mehrere erwachsene Tiere kümmern sich sozusagen ehrenamtlich um den fremden Nachwuchs und verzichten dabei auf die eigene Fortpflanzung. Unter biologischen Gesichtspunkten erscheint dieses Verhalten unsinnig: Wieso opfern sich die Bruthelfer derart selbstlos auf?
Eine grundlegende Erklärung fehlte
Zwischen 400 und 500 Vogelarten zeigen zumindest phasenweise kooperatives Brutverhalten. Oftmals unterstützen Geschwister oder Jungtiere aus einer älteren Brut die Eltern bei der Kükenaufzucht und tragen damit indirekt zur erfolgreichen Weitergabe ihres eigenen Erbgutes bei – ein schon lange bekanntes Verhalten, das als Verwandtenselektion bezeichnet wird. Doch dies allein ist keine befriedigende Erklärung für das Auftreten von Bruthilfe, ist es doch immer noch die beste Variante, sich selbst fortzupflanzen. Außerdem gibt es auch Zusammenarbeit zwischen nicht-verwandten Individuen, die sich so nicht erklären lässt.
Dustin Rubenstein und Irby Lovette von der Universität von Kalifornien in Berkeley glauben nun eine Erklärung dafür gefunden zu haben, warum einige Arten kooperativ brüten und andere nicht [1]: Entscheidend ist ihrer Vorstellung nach die jeweilige Wandelbarkeit des Umfelds. "Ist die Unvorhersehbarkeit Deines Lebensraumes hoch, weißt Du nicht im Voraus, mit welchen Bedingungen Du es in der nächsten Brutsaison zu tun hast", beschreibt es Rubenstein. "Konfrontiert mit dieser Unsicherheit, zahlt es sich evolutionär aus, in kooperativen Gruppen zu leben, die gemeinsam schlechte Zeiten meistern." Daher sei zu erwarten, dass die meisten Arten mit Bruthilfe in halbtrockenen Gebieten mit sehr unregelmäßigen Niederschlägen lebten.
45 Arten, 47 Länder, 147 Jahre
Um ihre Vermutung zu überprüfen und dabei phylogenetische Effekte auszuschließen, untersuchten die Ornithologen das Brutverhalten 45 afrikanischer Starenarten (Sturnidae) in Abhängigkeit von Lebensraum – Wüste, Savanne, tropischer Wald – und klimatischen Bedingungen. Dafür verglichen sie unter anderem die Regenverteilung in 47 afrikanischen Ländern über die vergangenen 147 Jahre. Und tatsächlich: Der Großteil der kooperativen Stare lebt in Savannengebieten, in denen die Niederschläge am stärksten variieren. Anscheinend haben die Arten das gemeinsame Brüten evolutiv unabhängig voneinander bei der Besiedlung der wechselhaften Gebiete entwickelt.
Die gemeinschaftliche Fürsorge gewährleistet also ursprünglich wohl das Überleben der sozialen Gruppe auch in Dürrezeiten. Somit lässt sich auch erklären, warum überdurchschnittlich viele kooperative Brüter in Afrika und Australien heimisch sind: Die beiden Kontinente weisen global die größten Savannen auf.
Was passiert mit den Extra-Kalorien?
Doch mit dieser Erkenntnis sind nicht alle Geheimnisse der Bruthilfe gelüftet: Seit langem zerbrachen sich Wissenschaftler den Kopf darüber, warum die Küken mit zusätzlichen Versorgern nicht größer sind, schneller wachsen und eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit haben als ihre nur von zwei Betreuern abhängigen Artgenossen – und dies obwohl die Jungtiere in kooperativen Gruppen insgesamt eindeutig mehr Nahrung bekommen. Was also passiert mit den Extra-Kalorien?
Eine kleine Vogelart aus dem australischen Südosten – der Prachtstaffelschwanz (Malurus cyaneus) – scheint nun auch dieses Geheimnis preisgegeben zu haben [2]: Ein Team um Andrew Russell von der Universität Sheffield und weiteren englischen, australischen und südafrikanischen Universitäten fand heraus, dass die Vogelmütter, denen Söhne aus früheren Bruten helfen, ihre Investitionen in den neuen Nachwuchs bereits früh drastisch reduzieren: Ihre Eier enthalten weniger energiereiches Dotter, sind insgesamt kleiner, und aus ihnen schlüpfen leichtere, schwächere Jungtiere.
Mama profitiert
Die eigentlichen Nutznießer der Helfer sind also nicht die Küken, die die Unterstützung der anderen Vögel dringend brauchen, um die Sparmaßnahmen ihrer Erzeugerin zu kompensieren, sondern die Vogelmütter. Diese sparen Energie, leben dadurch länger und können sich öfter fortpflanzen.
Ob dieses Phänomen auch bei anderen kooperativen Arten verbreitet ist – beispielsweise beim Dreifarben-Glanzstar – muss noch erforscht werden. Sicher ist nach diesen Erkenntnissen jedenfalls, dass Kosten und Nutzen im System Bruthilfe mitunter anders verteilt sind, als bislang angenommen: Mama profitiert.
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