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News: Von Fliegen, Menschen und Würmern

Vor wenigen Jahren versuchten einige Biologen die zoologische Systematik zu revolutionieren. Aufgrund von Ähnlichkeiten bestimmter Gene schlugen sie die neue Gruppe der "Ecdysozoa" vor. Doch andere Wissenschaftler kommen nun zu der Überzeugung: Die Ecdysozoa gibt es nicht.
Wissenschaftliche Theorien sind langlebig – oft sterben sie erst mit ihren Vertretern aus. Und genauso sollte es der Coelomtheorie ergehen, welche die Verwandtschaftsverhältnisse im Tierreich nach der Existenz einer Leibeshöhle – dem Coelom – gliedert. Demnach werden alle Tiere, die in ihrem Inneren eine echte, von einer Epithelschicht umgrenzte Leibeshöhle haben, als "Coelomata" bezeichnet. Dazu gehören die meisten Gruppen des Tierreiches, einschließlich der Arthropoden, wozu auch die Insekten zählen, und der Wirbeltiere.

Bestimmte Würmer, wie die Nematoden, haben jedoch kein echtes Coelom, sondern ein so genanntes Pseudecoel, das den Raum zwischen Körperwand und Darm auskleidet. Die Systematiker stellten daher den Stamm der Nematoda an die Basis der Coelomata. Und mit dieser systematischen Einordnung wuchsen Generationen von Biologiestudenten auf.

Völlig falsch, behaupteten vor wenigen Jahren findige Zoologen. Denn ihnen fiel eine besondere Gemeinsamkeit von Nematoden und Arthropoden auf: Sie häuten sich. Und diese Häutung steuert in beiden Tiergruppen die gleiche Gen-Gruppe, die so genannten HOX-Gene, die für die Embryonalentwicklung verantwortlich sind. Die Forscher schlugen daher vor, diese Tiergruppen zu den "Ecdysozoa" (ekdysis, griech.: das Herauskriechen) zusammenzufassen. Demnach wären Nematoden und Arthropoden untereinander enger verwandt, denen die Wirbeltieren wiederum gegenüberstünden. Und diese neue Hypothese fand bereits ihren Niederschlag in einigen modernen Lehrbüchern.

Wieder falsch, sagt jetzt eine amerikanisch-japanische Forschergruppe. Denn Jaime Blair von der Pennsylvania State University hatte sich zusammen mit seinen Kollegen die drei Tiergruppen noch einmal angeschaut. Den Wissenschaftlern kam dabei zugute, dass das Genom von jeweils einer Art dieser Gruppen nahezu vollständig entziffert ist: Caenorhabditis elegans vertritt die Nematoden, die Taufliege Drosophila melanogaster repräsentiert die Arthropoden, und bei den Wirbeltieren übernimmt diesen Part Homo sapiens – der Mensch.

Aufgrund dieser Datenbasis konnten die Wissenschaftler bei den drei Arten Gen für Gen miteinander vergleichen. Ihre statistische Analyse könnte sich als Todesstoß für die Ecdysozoa-Hypothese erweisen und der Coelomata-Hypothese zu neuem Glanz verhelfen. Zeigt sie doch, dass Fliegen und Menschen untereinander näher verwandt sind, als diese zu den Würmern. Insbesondere die Gene, die sich in der Evolution nur sehr wenig verändert haben – und sich daher gut für Stammbaumanalysen eignen –, bestätigen die Verwandtschaftsverhältnisse der Coelomata-Hypothese.

Arbeitsgruppenleiter Blair Hedges hielt nie sehr viel von den Ecdysozoa: "Selbst die wichtigste Eigenschaft der Ecdysozoa führt in die Irre, denn die Häutung von Arthropoden und Nematoden unterscheidet sich völlig voneinander, und einige Wirbeltiere wie Schlangen häuten sich auch." Dennoch gibt er sich vorsichtig: "Wir können völlig daneben liegen. Ich würde unser Ergebnis eher als einen entscheidenden Hinweis und weniger als bewiesene Tatsache betrachten. Man sollte für neue Ideen offen sein, nicht an einer Hypothese kleben und die Daten für sich sprechen lassen."

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