Jahresrückblick: Von göttlichen Teilchen und erstaunlichen Blitzen
In diesem Jahr ist die Welt wieder etwas kleiner, schneller und bunter geworden, aber zum Glück nicht untergegangen. Denn der Large Hadron Collider machte schlapp, bevor es überhaupt dazu hätte kommen können. Physiker kamen den Atomen und ihren Bestandteilen aber auch auf andere Weise auf die Schliche.
Die Wissenschaft schickt sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts an, unsere gewohnte klassische Welt auf den Kopf zu stellen. Und schuld daran ist die Physik. Wo Einstein, Heisenberg und Schrödinger dereinst nur über kleinste Teilchen und schnellste Informationen sinnierten, bauen ihre geistigen Erben längst experimentelle Apparaturen auf und basteln emsig an Verschränkungen, Nanobots und Quantenpunkten fürs Wohnzimmer. Mag es 2008 auch noch keine ihrer Schöpfungen über die Schwelle geschafft haben – die Tür ist wieder ein Stückchen weiter aufgestoßen.
Und die Blicke in die Zukunft des Wissens sind auch in diesem Jahr wieder um einiges kürzer geworden. Inzwischen dauern sie nur noch 0,000 000 000 000 000 08 Sekunden, oder wissenschaftlicher ausgedrückt: 80 Attosekunden. So kurz ist der Laserpuls, den Forscher mit einem längeren Blitz aus schwingenden Elektronen herausgekitzelt haben.
Ein Jahr, in dem viele es eilig hatten
Außer den Rekord halten die Physiker damit auch eine Lichtquelle in den Händen, die schnell genug ist, um der Natur bei ihren geheimsten Vorgängen über die Schulter zu sehen. Ob Elektronen von einem Atom zum anderen springen oder Moleküle sich anschicken, ihre Vibration zu ändern – mit Attosekundenblitzen können die Prozesse endlich zeitlich aufgelöst und verfolgt werden. Wenigstens sobald der ultrafixe Laser den Sprung vom Prototypen zum robusten Laborgerät geschafft hat.
Folglich setzen Physiker für die Zukunft auf Photonen statt Elektronen, weil bekanntermaßen nichts schneller ist als das Licht. Und selbst das legt in einer Pikosekunde gerade 0,3 Millimeter zurück. Das reichte Wissenschaftlern aber aus, um die Photonen in einer Art Zeitlinse mit nichtlinearen optischen Effekten zu verzögern und so einen Zeitraum von 100 Pikosekunden gewissermaßen in Zeitlupe zu verfolgen. Die kleinsten Änderungen, die sich dabei erkennen ließen, dauerten nur 0,22 Pikosekunden an.
In Pikosekunden könnten sich auch die Prozesse in einem zukünftigen Quantencomputer, der mit den Spinzuständen von Elektronen arbeitet, abspielen: Forscher ließen mit Laserpulsen einzelne Elektronen in ultrakalten Quantenpunkten zwischen ihren Spinzuständen hin- und herspringen. Knappe 38 Pikosekunden dauerte so ein Wechsel. Genug, um theoretisch etwa 100 000 Operationen auszuführen, bevor die Regeln der Quantenphysik den mühsam eingespeicherten Spin verwischen würden.
Überhaupt die Quantenphysik ... Sie verdarb bei der Jagd auf Geschwindigkeitsrekorde allen anderen Teilnehmern mal wieder den Spaß. Oder wie soll man mit jemandem mithalten, der jede beliebige Strecke "sofort" überbrückt? Denn laut Theorie erfahren verschränkte Teilchen unabhängig von ihrem Abstand just im selben Moment, was ihrem weit entfernten Zwilling zustößt.
Womit zwar nicht bewiesen wäre, dass die spukhafte Fernwirkung "sofort" eintritt. Aber falls es einen verborgenen Kurier geben sollte, dann müsste er wenigstens 10 000-mal schneller als das Licht sein. Im Vergleich dazu klingen die Erklärungen der Quantenphysik, die verschränkte Teilchen in gewisser Weise als ein einzelnes langgestrecktes Teilchen ansehen, irgendwie doch plausibler.
Ziehen, zerren und messen auf kleinster Ebene
Statt um die Kommunikation von Atomen ging es anderen Physikern mehr um deren Standfestigkeit. In ihrem Rasterkraftmikroskop fuhren sie nicht einfach mit der hauchdünnen Nadel über die Oberflächen metallischer Landschaften, sondern legten ganz praktisch Hand, Verzeihung: Spitze, an einzelne Atome, die locker auf den Ebenen saßen.
Altbekannte und in jedem Schulbuch präsente Messwerte sind dagegen die Massen von Protonen und Neutronen. Seit diesem Jahr sind sie auch theoretisch abgesegnet. Es dauerte so lange, weil die Gleichungen der zuständigen Quantenchromodynamik gigantisch kompliziert sind. So kompliziert, dass auch moderne Computer sich mit ihnen schwertun.
Die Lösung ist nur in einem Näherungsverfahren zu finden, bei dem die Maschen des Gleichungsnetzes immer enger werden. Darin gefangen sind neben den Quarks, die es in drei verschiedenen "Farben" gibt, noch deren Antiteilchen mit Antifarben und die masselosen Gluonen mitsamt deren Farben, die als Klebstoff für die Kernbausteine fungieren.
Sie alle wechselwirken nach den Regeln der Quantenchromodynamik, die verrät, wie viel Energie einem Teilchen unterm Strich zusteht – und damit seine Masse festlegt. Und die stimmt nach etlichen Computerstunden tatsächlich mit den Angaben im Schulbuch überein.
Ähnliches geschieht mit B-Mesonen. Obwohl doch in beiden Fällen eigentlich in einem perfekt symmetrischen Universum kein Unterschied zwischen Materie und Antimaterie bestehen dürfte. Es gibt ihn aber – und die Natur ist darum offenbar nicht bis ins Detail symmetrisch. Zum Glück, denn nur weil sich aus irgendeinem unbekannten Grund am Beginn des Universums die Materie gegen die Antimaterie durchgestezt hat, ist überhaupt etwas übrig geblieben, aus dem sich Sterne, Planeten, Lebewesen und auch Schokoladenweihnachtsmänner bilden konnten.
Der Herbst, in dem die Welt doch nicht unterging
Was genau in diesen ersten Momenten des Universums geschehen ist, das soll der Large Hadron Collider (LHC) klären – der stärkste Teilchenbeschleuniger der Welt, der im Herbst seine Arbeit aufnehmen sollte ... und die Erde mit einem künstlichen Schwarzen Loch verschluckt hätte. So geisterte es jedenfalls panisch durch die Medien, weil Weltuntergänge selbst dann verkaufsträchtig sind, wenn ihr Eintreten extrem, extrem, extrem unwahrscheinlich ist.
Dort sorgt es dafür, dass Materie überhaupt Masse hat und erlaubt der Gravitationskraft dadurch erst, Sonne, Mond und Sterne zu schaffen. Ein Job, der in den Mythen und Religionen der Völker traditionsgemäß den jeweiligen Gottheiten vorbehalten ist. Kein Wunder also, wenn auf höherer Ebene jemand sauer ist und ein klein wenig Sabotage übt.
Vor einem Schwarzen Loch im Labormaßstab hat uns die LHC-Panne dennoch nicht bewahrt. Obgleich das Löchlein nun wirklich niemandem Angst einjagen kann. Schließlich besteht es nur aus Licht in einem Glasfaserleiter: Durch gezielte Laserpulse werden weitere Lichtwellen darin derart verformt, dass sie die optische Situation am Rand eines Schwarzen Lochs nachahmen. Außerdem entstand in unmittelbarer Nähe ein Weißes Loch – eine Region, in der nicht alles gefangen ist, sondern in welche nichts hineingelangt. Mit den harmlosen Plagiaten hoffen Forscher, vielleicht ein paar der Geheimnisse der echten Schwarzen Massemonster zu lüften.
Und wieder war der Alltag voller Überraschungen
Für jene, die bei all der vergeblichen Aufregung um Schwarze Löcher und verpasste Armagedden (ein Wort, das es unverständlicherweise eigentlich nur im Singular gibt) die Wand hochgehen möchten, hält der wissenschaftliche Fortschritt gleich zwei neue Erkenntnisse parat. So haben Wissenschaftler herausgefunden, warum Käfer beim selben Versuch nicht einfach von der Decke fallen.
Das gleiche Prinzip ist bereits von den Füßen der Geckos bekannt. Dort ist die Wissenschaft aber schon einen Schritt weiter und hält als zweiten Tipp für ambitionierte Fassadengeher sogar ein bionisches Produkt bereit – den Nanoklebefilm. Unter dem Elektronenmikroskop erinnert dieser an einen dichten, langflorigen Teppich. Die Fädchen bestehen aus Kohlenstoff-Nanoröhrchen, die besonders reißfest sind und ausgesprochen gerne van-der-Waals-Kräfte zu anderen Materialien aufbauen.
Dazu muss man den Film nur ein wenig schräg gegen einen Untergrund drücken – und schon hält er pro Quadratzentimeter volle 100 Newton. Das reicht aus, um mit einer DIN-A5-Seite einen Kompaktwagen platzsparend an die Garagenwand zu hängen oder mit der doppelten Fläche einen Elefanten. Nur darf man nicht versuchen, einen von beiden an der Decke zu befestigen, denn die Nanoröhrchen haben nur dann maximalen Kontakt zum Untergrund, wenn sie seitwärts plattgezogen werden.
Leider gibt es den Superkleber noch nicht zu kaufen. Ist aber nicht so schlimm, denn mit handelsüblichem Klebefilm lässt sich ebenfalls interessante Wissenschaft betreiben. Wie wäre es beispielsweise mit einem Röntgenbild Ihres Fingers? Direkt von der Tesarolle? Das geht tatsächlich, wie Forscher dieses Jahr nachgewiesen haben.
Die dabei ausgesandte Bremsstrahlung ist so energiereich, dass sie bis in den Röntgenbereich leuchtet. Die Intensität reicht sogar aus, um wirklich kleine Röntgenaufnahmen zu erstellen. Vorausgesetzt, der Klebefilm wird in einem Vakuum abgerollt, denn sonst kollidieren die Elektronen mit den Molekülen der Luft, und es gibt allenfalls kleine Blitze von sichtbarem Licht.
Für den forscherbeseelten Geist bietet sich am Ende des Jahres darum eine Silvesterfeier im Dunkeln an, bei dem Kleberollen sowohl Luftschlangen als auch Feuerwerk ersetzen. In einem solchen Ambiente entspringt vielleicht noch der ein oder andere Geistesblitz, worum es sich bei der nach wie vor geheimnisvollen Dunklen Materie und Dunklen Energie handeln könnte. Denn diese beiden Fragen sind auch 2008 wieder nicht gelöst worden. Es gibt also für das Jahr 2009 genug zu forschen und zu entdecken zwischen himmlischen Teilchen und fundamentalen Kräften.
Und die Blicke in die Zukunft des Wissens sind auch in diesem Jahr wieder um einiges kürzer geworden. Inzwischen dauern sie nur noch 0,000 000 000 000 000 08 Sekunden, oder wissenschaftlicher ausgedrückt: 80 Attosekunden. So kurz ist der Laserpuls, den Forscher mit einem längeren Blitz aus schwingenden Elektronen herausgekitzelt haben.
Ein Jahr, in dem viele es eilig hatten
Außer den Rekord halten die Physiker damit auch eine Lichtquelle in den Händen, die schnell genug ist, um der Natur bei ihren geheimsten Vorgängen über die Schulter zu sehen. Ob Elektronen von einem Atom zum anderen springen oder Moleküle sich anschicken, ihre Vibration zu ändern – mit Attosekundenblitzen können die Prozesse endlich zeitlich aufgelöst und verfolgt werden. Wenigstens sobald der ultrafixe Laser den Sprung vom Prototypen zum robusten Laborgerät geschafft hat.
Dann wird die Wissenschaft nicht mehr vor dem Problem stehen, dass ihren Hochgeschwindigkeits"kameras" hinreichend schnelle Blitze fehlen, sondern es wird an Messgeräten mangeln, die in so knapper Zeit Informationen aufnehmen können. Denn auf diesem Gebiet hat sich die Forschung in diesem Jahr erst an einen Bereich knapp unterhalb der Pikosekunde angenähert – rund eine Million mal langsamer als eine Attosekunde, aber immer noch zu rasant für die behäbige Elektronik der Gegenwart.
Folglich setzen Physiker für die Zukunft auf Photonen statt Elektronen, weil bekanntermaßen nichts schneller ist als das Licht. Und selbst das legt in einer Pikosekunde gerade 0,3 Millimeter zurück. Das reichte Wissenschaftlern aber aus, um die Photonen in einer Art Zeitlinse mit nichtlinearen optischen Effekten zu verzögern und so einen Zeitraum von 100 Pikosekunden gewissermaßen in Zeitlupe zu verfolgen. Die kleinsten Änderungen, die sich dabei erkennen ließen, dauerten nur 0,22 Pikosekunden an.
In Pikosekunden könnten sich auch die Prozesse in einem zukünftigen Quantencomputer, der mit den Spinzuständen von Elektronen arbeitet, abspielen: Forscher ließen mit Laserpulsen einzelne Elektronen in ultrakalten Quantenpunkten zwischen ihren Spinzuständen hin- und herspringen. Knappe 38 Pikosekunden dauerte so ein Wechsel. Genug, um theoretisch etwa 100 000 Operationen auszuführen, bevor die Regeln der Quantenphysik den mühsam eingespeicherten Spin verwischen würden.
Überhaupt die Quantenphysik ... Sie verdarb bei der Jagd auf Geschwindigkeitsrekorde allen anderen Teilnehmern mal wieder den Spaß. Oder wie soll man mit jemandem mithalten, der jede beliebige Strecke "sofort" überbrückt? Denn laut Theorie erfahren verschränkte Teilchen unabhängig von ihrem Abstand just im selben Moment, was ihrem weit entfernten Zwilling zustößt.
Und auch die Praxis hat dies bereits mehrfach bestätigt. In diesem Jahr zeigten Forscher, dass durch Verschränkung gekoppelte Photonen noch im Abstand von 18 Kilometern wissen, wenn bei ihrem Partner die Polarisation gemessen wird und was dabei herauskommt. Und zwar ohne Verzögerung, oder zumindest so ungeheuer rasch, dass die Präzisionsinstrumente keinen zeitlichen Abstand feststellen konnten.
Womit zwar nicht bewiesen wäre, dass die spukhafte Fernwirkung "sofort" eintritt. Aber falls es einen verborgenen Kurier geben sollte, dann müsste er wenigstens 10 000-mal schneller als das Licht sein. Im Vergleich dazu klingen die Erklärungen der Quantenphysik, die verschränkte Teilchen in gewisser Weise als ein einzelnes langgestrecktes Teilchen ansehen, irgendwie doch plausibler.
Ziehen, zerren und messen auf kleinster Ebene
Statt um die Kommunikation von Atomen ging es anderen Physikern mehr um deren Standfestigkeit. In ihrem Rasterkraftmikroskop fuhren sie nicht einfach mit der hauchdünnen Nadel über die Oberflächen metallischer Landschaften, sondern legten ganz praktisch Hand, Verzeihung: Spitze, an einzelne Atome, die locker auf den Ebenen saßen.
Sobald der Abstand klein genug war, bildeten sich ausreichend starke Bindungskräfte aus, um das Atom ein Stückchen zu ziehen. Über einen schwingenden Quarzkristall bestimmten die Forscher dabei, welcher Kraftaufwand nötig war, um das Atom in die Höhe oder seitlich zu bewegen. Immerhin einige Pikonewton sind dafür einzusetzen. Wie viel genau, hing von der Art der Oberfläche sowie von dem einzelnen Atom oder Molekül ab.
Altbekannte und in jedem Schulbuch präsente Messwerte sind dagegen die Massen von Protonen und Neutronen. Seit diesem Jahr sind sie auch theoretisch abgesegnet. Es dauerte so lange, weil die Gleichungen der zuständigen Quantenchromodynamik gigantisch kompliziert sind. So kompliziert, dass auch moderne Computer sich mit ihnen schwertun.
Die Lösung ist nur in einem Näherungsverfahren zu finden, bei dem die Maschen des Gleichungsnetzes immer enger werden. Darin gefangen sind neben den Quarks, die es in drei verschiedenen "Farben" gibt, noch deren Antiteilchen mit Antifarben und die masselosen Gluonen mitsamt deren Farben, die als Klebstoff für die Kernbausteine fungieren.
Sie alle wechselwirken nach den Regeln der Quantenchromodynamik, die verrät, wie viel Energie einem Teilchen unterm Strich zusteht – und damit seine Masse festlegt. Und die stimmt nach etlichen Computerstunden tatsächlich mit den Angaben im Schulbuch überein.
Warum bei den Quarks und ihren Verwandten "so gut wie gleich" nicht das Gleiche ist wie "gleich", erklärten einst Yoichiro Nambu, Makoto Kobayashi und Toshihide Maskawa und wurden dafür 2008 mit dem Nobelpreis geehrt. Bestimmte Kombinationen aus Quarks und Antiquarks, die Kaonen genannt werden, zerfallen beispielsweise anders als die entsprechenden Antiteilchen.
Ähnliches geschieht mit B-Mesonen. Obwohl doch in beiden Fällen eigentlich in einem perfekt symmetrischen Universum kein Unterschied zwischen Materie und Antimaterie bestehen dürfte. Es gibt ihn aber – und die Natur ist darum offenbar nicht bis ins Detail symmetrisch. Zum Glück, denn nur weil sich aus irgendeinem unbekannten Grund am Beginn des Universums die Materie gegen die Antimaterie durchgestezt hat, ist überhaupt etwas übrig geblieben, aus dem sich Sterne, Planeten, Lebewesen und auch Schokoladenweihnachtsmänner bilden konnten.
Der Herbst, in dem die Welt doch nicht unterging
Was genau in diesen ersten Momenten des Universums geschehen ist, das soll der Large Hadron Collider (LHC) klären – der stärkste Teilchenbeschleuniger der Welt, der im Herbst seine Arbeit aufnehmen sollte ... und die Erde mit einem künstlichen Schwarzen Loch verschluckt hätte. So geisterte es jedenfalls panisch durch die Medien, weil Weltuntergänge selbst dann verkaufsträchtig sind, wenn ihr Eintreten extrem, extrem, extrem unwahrscheinlich ist.
Aber anscheinend ist die Zeit der Welt noch nicht ganz abgelaufen, denn durch eine technische Panne am Kühlsystem ist die Anlage zunächst bis weit ins kommende Jahr außer Betrieb. Ob da wohl "die Hand Gottes" im Spiel war? Schließlich will die Wissenschaft mit dem LHC ergründen, was es mit dem "Teilchen Gottes" auf sich hat, das in der Physik viel profaner "Higgs-Teilchen" heißt und bislang nur in der Theorie auftaucht.
Dort sorgt es dafür, dass Materie überhaupt Masse hat und erlaubt der Gravitationskraft dadurch erst, Sonne, Mond und Sterne zu schaffen. Ein Job, der in den Mythen und Religionen der Völker traditionsgemäß den jeweiligen Gottheiten vorbehalten ist. Kein Wunder also, wenn auf höherer Ebene jemand sauer ist und ein klein wenig Sabotage übt.
Vor einem Schwarzen Loch im Labormaßstab hat uns die LHC-Panne dennoch nicht bewahrt. Obgleich das Löchlein nun wirklich niemandem Angst einjagen kann. Schließlich besteht es nur aus Licht in einem Glasfaserleiter: Durch gezielte Laserpulse werden weitere Lichtwellen darin derart verformt, dass sie die optische Situation am Rand eines Schwarzen Lochs nachahmen. Außerdem entstand in unmittelbarer Nähe ein Weißes Loch – eine Region, in der nicht alles gefangen ist, sondern in welche nichts hineingelangt. Mit den harmlosen Plagiaten hoffen Forscher, vielleicht ein paar der Geheimnisse der echten Schwarzen Massemonster zu lüften.
Und wieder war der Alltag voller Überraschungen
Für jene, die bei all der vergeblichen Aufregung um Schwarze Löcher und verpasste Armagedden (ein Wort, das es unverständlicherweise eigentlich nur im Singular gibt) die Wand hochgehen möchten, hält der wissenschaftliche Fortschritt gleich zwei neue Erkenntnisse parat. So haben Wissenschaftler herausgefunden, warum Käfer beim selben Versuch nicht einfach von der Decke fallen.
Der Trick besteht darin, mit den bis in die submikroskopisch feine Ebene zerfaserten Kerbtierfußhärchen möglichst viel Kontakt zum Untergrund herzustellen. Dazu verschieben sich die Setae genannten Filamente ganz ähnlich wie eine Flüssigkeit, die auf dem Untergrund zerfließt. Funktionell betrachtet haften Käfer also über einen dünnen Film, der die maximale Anzahl schwacher Bindungen garantiert, an der Wand.
Das gleiche Prinzip ist bereits von den Füßen der Geckos bekannt. Dort ist die Wissenschaft aber schon einen Schritt weiter und hält als zweiten Tipp für ambitionierte Fassadengeher sogar ein bionisches Produkt bereit – den Nanoklebefilm. Unter dem Elektronenmikroskop erinnert dieser an einen dichten, langflorigen Teppich. Die Fädchen bestehen aus Kohlenstoff-Nanoröhrchen, die besonders reißfest sind und ausgesprochen gerne van-der-Waals-Kräfte zu anderen Materialien aufbauen.
Dazu muss man den Film nur ein wenig schräg gegen einen Untergrund drücken – und schon hält er pro Quadratzentimeter volle 100 Newton. Das reicht aus, um mit einer DIN-A5-Seite einen Kompaktwagen platzsparend an die Garagenwand zu hängen oder mit der doppelten Fläche einen Elefanten. Nur darf man nicht versuchen, einen von beiden an der Decke zu befestigen, denn die Nanoröhrchen haben nur dann maximalen Kontakt zum Untergrund, wenn sie seitwärts plattgezogen werden.
Leider gibt es den Superkleber noch nicht zu kaufen. Ist aber nicht so schlimm, denn mit handelsüblichem Klebefilm lässt sich ebenfalls interessante Wissenschaft betreiben. Wie wäre es beispielsweise mit einem Röntgenbild Ihres Fingers? Direkt von der Tesarolle? Das geht tatsächlich, wie Forscher dieses Jahr nachgewiesen haben.
Wenn sich beim Abziehen des Films von der Rolle die Schichten trennen, verpassen nämlich einige Elektronen den richtigen Zeitpunkt und finden sich als Überschussladung auf der falschen Seite wieder. In ihrem Bestreben, eiligst zu ihren Mutteratomen zurückzukehren, springen sie einfach in die Lücke, werden in der Flugphase durch das elektrische Feld auf sehr hohe Geschwindigkeiten beschleunigt und am anderen Ende im Kunststoff des Films jäh zum Halten gebracht.
Die dabei ausgesandte Bremsstrahlung ist so energiereich, dass sie bis in den Röntgenbereich leuchtet. Die Intensität reicht sogar aus, um wirklich kleine Röntgenaufnahmen zu erstellen. Vorausgesetzt, der Klebefilm wird in einem Vakuum abgerollt, denn sonst kollidieren die Elektronen mit den Molekülen der Luft, und es gibt allenfalls kleine Blitze von sichtbarem Licht.
Für den forscherbeseelten Geist bietet sich am Ende des Jahres darum eine Silvesterfeier im Dunkeln an, bei dem Kleberollen sowohl Luftschlangen als auch Feuerwerk ersetzen. In einem solchen Ambiente entspringt vielleicht noch der ein oder andere Geistesblitz, worum es sich bei der nach wie vor geheimnisvollen Dunklen Materie und Dunklen Energie handeln könnte. Denn diese beiden Fragen sind auch 2008 wieder nicht gelöst worden. Es gibt also für das Jahr 2009 genug zu forschen und zu entdecken zwischen himmlischen Teilchen und fundamentalen Kräften.
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