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Himmelsbeobachtung: Von großen und kleinen Sensationen

Der Sloan Digital Sky Survey vermisst die Positionen und Helligkeiten von mehr als hundert Millionen bekannten und unbekannten Objekten im Universum. Mitte Juli 2008 beendetet er nach rund drei Jahren seine zweite Etappe. Auch wenn die endgültigen Ergebnisse noch auf sich warten lassen, gibt es schon jetzt einen ersten Vorgeschmack.
Galaxienverteilung
Wer bei seiner Digitalkamera stolz auf ein gutes Dutzend Megapixel ist, der wird bei derjenigen des Sloan Digital Sky Surveys (SDSS) vor Neid erblassen: Hier sind es immerhin 125. Herzstück des Projekts ist dennoch ein 2,5-Meter-Teleskop, an dem neben dem fortschrittlichen Fotoapparat auch ein Spektrograf installiert ist, der bis zu 640 Sterne und Galaxien gleichzeitig im Auge haben kann. Mit diesem Rüstzeug versuchen Astronomen seit nunmehr acht Jahren farbige Aufnahmen von einem Viertel des Nachthimmels sowie Abstandsbestimmungen zu fast einer Million Galaxien und mehr als 100 000 Quasaren zu erstellen. Auf diese Weise soll die bislang größte dreidimensionale Karte kosmischer Strukturen entstehen.

Teleskop des Sloan Digital Sky Surveys | Das Teleskop des Sloan Digital Sky Surveys befindet sich am Apache Point Observatorium (APO) in New Mexico.
Ursprünglich lag das Ziel zwar ausschließlich darin die Verteilung der Galaxien zu vermessen, aber im Lauf der Jahre zeigte sich das Vorhaben auch durchaus qualifiziert, beispielsweise Sterne, die Struktur unserer eigenen Galaxie oder sogar Objekte im Sonnensystem zu untersuchen. Die unerwartete Bandbreite präsentierten die Astronomen vom 15. bis zum 18. August 2008 auf einem Symposium mit dem passenden Titel "Sloan Digital Sky Survey: Von Asteroiden bis hin zur Kosmologie" in Chicago.

Fangen wir gleich mal mit dem Größten an – der Struktur des Universums. Eine mit Hilfe der SDSS-Daten erstellte Karte zeigt die Galaxienverteilung in einem kleinen Ausschnitt des Himmels und damit zunächst nichts Neues: Die Galaxien sind in Klumpen und Fäden angeordnet, durchzogen von Blasen und Tunneln mit nur wenigen oder gar keinen hellen Galaxien. Der neuen Studie zufolge sind diese mehrere zehn Millionen Lichtjahre großen Hohlräume oder Voids tatsächlich absolut leer. Nicht einmal Halos aus der unsichtbaren Dunklen Materie, in der sich gewöhnlich Galaxien einnisten, verbergen sich darin [1].

Kosmische Struktur | Eine Karte der Galaxienverteilung in einem kleinen Ausschnitt des Himmels. Die Erde liegt hierbei im Scheitelpunkt des Keils und die am weitesten entfernten Objekte sind 1,3 Milliarden Lichtjahre weit weg. Rote Punkte stellen Galaxien dar, die von alten Sternen dominiert werden, während blaue Punkte solche mit jüngeren Sternpopulationen zeigen. Die Galaxien sind in Klumpen und Fäden angeordnet, durchzogen von Blasen und Tunneln – die kosmischen Voids oder einfach Hohlräume.
"Sie sind exakt so groß und leer wie es das Standardmodell der Kosmologie fordert", freut sich Jeremy Tinker von der University of Chicago. Nach diesem bestehen rund achtzig Prozent der Masse im Universum aus diesem mysteriösen Stoff. Im frühen Universum noch gleichmäßig verteilt, klumpte die Dunkle Materie unter dem Einfluss der Gravitation allmählich in die heute beobachteten Strukturen zusammen. Mit einer aufwendigen Computersimulation spielten sie das Standard-Szenario nach und konnten so die erwartete Anzahl und Größe der Hohlräume vorhersagen.

Etwas kleineren Dimensionen widmete sich ein Team um Kevin Schlaufman von der University of California in Santa Cruz. Das Halo von Sternen, das die Milchstraße umhüllt, ist ihnen zufolge wie ein Flussdelta aus großen und kleinen stellaren Flüssen beschaffen [2]. Während die größten Sternströme bereits über die vergangenen zehn Jahre kartiert wurden, entdeckten die Astronomen mit Hilfe der neuen Daten nun auch kleinere und lichtschwächere.

In ausgewählten Bereichen des Himmels verfolgten sie die Bewegungen von nahezu 250 000 Gestirnen. Darin suchten sie nach Gruppen, die mit derselben Geschwindigkeit um die Galaxis wirbelten und kamen so insgesamt 14 unterschiedlichen Strukturen auf die Spur – elf davon bislang unbekannt. Da die Wissenschaftler nur einen kleinen Bruchteil der Milchstraße analysierten, erwarten sie für den Rest eine Vielzahl an weiteren Sternbögen.

Stern-Spaghetti | Ein theoretisches Modell einer milchstraßenähnlichen Galaxie zeigt zahlreiche Sternstränge, die aus einst von Gezeitenkräften zerrissenen Satellitengalaxien stammen. Die hier abgebildete Region ist etwa eine Million Lichtjahre breit. Die Sonne liegt nur 25 000 Lichtjahre vom Zentrum der Galaxis entfernt und würde hier etwa mit der Bildmitte zusammenfallen.
Als ein "Durcheinander von Pasta" bezeichnet Kathryn Johnston von der Columbia University in New York das, was ihre theoretischen Modelle über das stellare Halo der Milchstraße ausspucken [3]. Sie macht dafür Zwerggalaxien verantwortlich, die der Milchstraße zu nahe kamen, daraufhin durch Gezeitenkräfte in spagettiähnliche Stränge gedehnt wurden und fortan als Sterngürtel um die Galaxis ziehen. Sie glaubt, dass die vermeintlichen Flüsse von Schlaufman und seinen Kollegen entweder aus kleineren Zwerggalaxien hervorgingen oder aus solchen, die bereits vor langer, langer Zeit aus der Form gerieten.

Aber nicht alles in ihrer Nähe hat die Gravitation der Milchstraße schon zerstört. Neben den stellaren Spagetti fanden die Astronomen in den SDSS-Daten bisher auch 14 überlebende Zwerggalaxien. Darunter zwei neue Funde, die Gerard Gilmore von der Cambridge University nun auf der Konferenz vorstellte [4]. Die unversehrten Begleiter umrunden die Galaxis innerhalb des Halos aus unsichtbarer, dunkler Materie, deren Schwerkraft die Milchstraße selbst zusammenhält, berichten die Wissenschaftler.

Derweil wird unsere Sonne seit Jahr und Tag unbemerkt von einem Klumpen aus Stein und Eis umkreist. Eigentlich nichts Ungewöhnliches in einem Planetensystem, doch "2006 SQ372" tut dies in rund 22 500 Jahren auf einem extrem langgestreckten Orbit, wie Andrew Becker von der University of Washington nun berichtete. Momentan ist er zwar etwa so weit entfernt wie Neptun, seine Umlaufbahn trägt ihn aber über 240 Milliarden Kilometer ins All hinaus – das entspricht etwa dem 1600-fachen Weg von der Erde zur Sonne.

Orbit von SQ372 | Die Umlaufbahn des neu entdeckten Sonnensystemobjekts SQ372 (blau) im Vergleich zu den Bahnen von Neptun, Pluto und Sedna (weiß, grün, rot). Die Sonne ist durch den gelben Punkt in der Mitte gekennzeichnet.
Während die großen Planeten auf nahezu kreisförmigen Bahnen laufen, bewegt sich SQ372 auf einer Ellipse, die vier Mal länger als breit ist. An diese Maße kommt bislang nur der Zwergplanet Sedna heran. Das neue Objekt ist allerdings viel kleiner als die tausend Kilometer breite Sedna, wahrscheinlich 30 bis 60 Kilometer. "Im Grunde ist es ein Komet, aber er kommt der Sonne nie nahe genug, um einen langen, hellen Schweif aus verdunstetem Gas und Staub zu entwickeln," erklärt Becker.

Sein Team fand den bemerkenswerten Himmelskörper mit Hilfe eines speziellen Computeralgorithmus in Daten, die eigentlich für einen völlig anderen Zweck bestimmt waren – dem Auffinden von Milliarden von Lichtjahren entfernten Supernovae. Anhand von Simulationen wollten die Forscher verstehen, wie SQ372 eine so exzentrische Umlaufbahn erworben hatte. Danach stammt der Ausreißer wahrscheinlich aus dem inneren Rand der Oortschen Wolke – einem hypothetischen Sammelplatz für eisige Geröllhaufen, die zu Anbeginn des Sonnensystems durch die Schwerkraft der größeren Planeten in die weite Ferne geschleudert wurden.

Becker und Kollegen sind überzeugt davon, dass noch unzählige Verwandte von SQ372 um die Sonne schwirren. Ob neue Asteroiden oder Sternbögen, seltsam verteilte Dunkle Materie oder Galaxien – auch die dritte Phase des Sloan Digital Sky Surveys SDSS-III, die nun begonnen hat, wird sicherlich wieder jede Menge Spannendes hervorbringen. Im Oktober 2008 werden aber erst einmal die alten neuen Daten zur Schau gestellt.

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