Erbkrankheiten: Von Kindergreisen und Mondscheinkindern
Drei Erkrankungen mit sehr unterschiedlichen Symptomen haben den gleichen molekularen Ursprung: Sie beruhen auf Defekten an ein und demselben Gen. Wie aber können die Mutationen so verschiedene Krankheitsbilder auslösen?
"Mondscheinkinder" werden sie auch genannt, die Menschen, die sich aufgrund eines geerbten Gendefekts nicht dem Sonnenlicht aussetzen dürfen. Ihr Hautkrebsrisiko liegt um ein Tausendfaches höher als das von Gesunden. Die Haut der Betroffenen ist oft trocken und unregelmäßig fleckig pigmentiert, was der Krankheit ihren Namen einbrachte: Xeroderma pimentosum (XP). Eines der Gene, deren Mutation diese Krankheit auslösen, wurde nach ihr "XPD" benannt.
Zwei weitere Erbkrankheiten beruhen ebenfalls auf Fehlern in diesem Gen: die Trichothiodystrophie (TTD) und das Cockayne-Syndrom (CS), das in Kombination mit XP auftreten kann. TTD-Patienten haben charakteristisch kurzes, brüchiges Haar und leiden oft an gehemmtem Wachstum und Minderbegabung. Auch Patienten mit CS sind in ihrer Entwicklung stark beeinträchtigt und kommen bereits mit schwerer geistiger Retardation zur Welt.
Die Symptome scheinen im krassen Gegensatz zu stehen: Das unkontrollierte Zellwachstum bei Hautkrebs und die verfrühte Alterung durch mangelhafte Zellerneuerung. Wie aber können Mutationen in nur einem Gen zu so unterschiedlichen Symptomen führen? Mit diesem Thema beschäftigten sich Forscher um John Tainer vom Scripps Research Institute in Kalifornien und um Malcolm White von der University of St. Andrews in Schottland.
Ihr Augenmerk lag darauf, wie genau sich die Mutationen auf die Struktur und Funktionen des Proteins auswirken. Sie untersuchten zu diesem Zweck das XPD aus den einzelligen Organismen Sulfolobus tokadaii und S. acidocaldarius. Dank seiner zentralen Rolle für den Zellstoffwechsel ist das Protein im Laufe der Evolution fast unverändert geblieben, so dass die Erkenntnisse direkt auf das menschliche XPD übertragbar sind.
Normalerweise dient XPD dazu, die Doppelhelix-Struktur unseres Erbguts an bestimmten Stellen in die beiden Einzelstränge aufzutrennen. Proteine mit dieser Funktion bezeichnet man als Helikasen.
Nur wenn der Doppelstrang entwirrt ist, kann die DNA in RNA umgeschrieben werden. Dieser als Transkription bezeichnete Vorgang ist ein zentraler Prozess, ohne den Zellen nicht lange überleben und sich teilen können. Zu Beginn der Transkription muss sich ein Komplex aus mehreren Proteinen an die DNA anlagern. XPD ist ein Bestandteil dieses Konglomerats, des "Transkriptionsfaktors IIH" (TFIIH).
Das Aufschmelzen der Doppelhelix ist jedoch auch nötig, wenn Reparaturproteine einen fehlerhaften Baustein in unserem Erbgut entdecken. Bevor die DNA vervielfältigt wird und die Zelle sich teilt, muss der Fehler ausgeschnitten und durch den richtigen Baustein ersetzt werden, da er sonst als Mutation im Erbgut verbleibt. TFIIH – und somit auch XPD – wirkt bei diesem Prozess mit und ist folglich selbst Teil der Reparaturartillerie.
Obwohl die so mutierte Helikase nicht mehr als solche funktionieren kann, bleibt ihre dreidimensionale Gestalt relativ unverändert. Schwerwiegendere Auswirkungen auf die Struktur haben dagegen die Mutationen, welche mit TTD in Zusammenhang stehen. Diese behindern das Zusammenspiel der Helikase mit anderen Proteinen und somit auch die Funktion des Transkriptionsfaktors TFIIH. Die Folge ist ein gestörter Zellstoffwechsel, was sich negativ auf die Zellteilung und somit die Erneuerung von Gewebe auswirkt. Diese Ausfälle sind unter anderem für das frühzeitig gealterte Erscheinungsbild der Betroffenen verantwortlich.
Noch stärker haben die Patienten mit Coackayne-Syndrom unter den Symptomen zu leiden. Sie altern nicht nur vorzeitig, sondern kommen schon mit schweren Defekten des Nervensystems zur Welt. Die Mutationen, die das Syndrom auslösen, lassen die Helikase vermutlich im Reparaturmodus einrasten, meinen die Forscher. So wird die DNA dort repariert, wo sie eigentlich nur in RNA umgeschrieben werden sollte. Wie genau das so fehlgeleitete Protein die Symptome verursacht, ist allerdings noch unbekannt.
So ist es letztendlich das Gesamtbild – Struktur und Funktion eines Proteins – das in Betracht gezogen werden muss, um solch unterschiedliche Symptome wie die der "Mondscheinkinder" und der "Kindergreise" zu erklären.
Zwei weitere Erbkrankheiten beruhen ebenfalls auf Fehlern in diesem Gen: die Trichothiodystrophie (TTD) und das Cockayne-Syndrom (CS), das in Kombination mit XP auftreten kann. TTD-Patienten haben charakteristisch kurzes, brüchiges Haar und leiden oft an gehemmtem Wachstum und Minderbegabung. Auch Patienten mit CS sind in ihrer Entwicklung stark beeinträchtigt und kommen bereits mit schwerer geistiger Retardation zur Welt.
Anders als bei XP ist eine Erkrankung mit CS oder TTD nicht mit einem erhöhten Hautkrebsrisiko verbunden. Stattdessen haben Betroffene mit frühzeitigen Alterungserscheinungen zu kämpfen. Obwohl erst wenige Jahre alt, gleichen sie schon Greisen.
Die Symptome scheinen im krassen Gegensatz zu stehen: Das unkontrollierte Zellwachstum bei Hautkrebs und die verfrühte Alterung durch mangelhafte Zellerneuerung. Wie aber können Mutationen in nur einem Gen zu so unterschiedlichen Symptomen führen? Mit diesem Thema beschäftigten sich Forscher um John Tainer vom Scripps Research Institute in Kalifornien und um Malcolm White von der University of St. Andrews in Schottland.
Ihr Augenmerk lag darauf, wie genau sich die Mutationen auf die Struktur und Funktionen des Proteins auswirken. Sie untersuchten zu diesem Zweck das XPD aus den einzelligen Organismen Sulfolobus tokadaii und S. acidocaldarius. Dank seiner zentralen Rolle für den Zellstoffwechsel ist das Protein im Laufe der Evolution fast unverändert geblieben, so dass die Erkenntnisse direkt auf das menschliche XPD übertragbar sind.
Normalerweise dient XPD dazu, die Doppelhelix-Struktur unseres Erbguts an bestimmten Stellen in die beiden Einzelstränge aufzutrennen. Proteine mit dieser Funktion bezeichnet man als Helikasen.
Nur wenn der Doppelstrang entwirrt ist, kann die DNA in RNA umgeschrieben werden. Dieser als Transkription bezeichnete Vorgang ist ein zentraler Prozess, ohne den Zellen nicht lange überleben und sich teilen können. Zu Beginn der Transkription muss sich ein Komplex aus mehreren Proteinen an die DNA anlagern. XPD ist ein Bestandteil dieses Konglomerats, des "Transkriptionsfaktors IIH" (TFIIH).
Das Aufschmelzen der Doppelhelix ist jedoch auch nötig, wenn Reparaturproteine einen fehlerhaften Baustein in unserem Erbgut entdecken. Bevor die DNA vervielfältigt wird und die Zelle sich teilt, muss der Fehler ausgeschnitten und durch den richtigen Baustein ersetzt werden, da er sonst als Mutation im Erbgut verbleibt. TFIIH – und somit auch XPD – wirkt bei diesem Prozess mit und ist folglich selbst Teil der Reparaturartillerie.
Der Reparaturmechanismus, an dem die Helikase beteiligt ist, greift besonders bei solchen Fehlern in der DNA ein, wie sie beispielsweise durch UV-Strahlen in unseren Hautzellen sehr leicht enstehen und im schlimmsten Fall zu Krebs führen können. Damit klärt sich auch die Symptomatik der "Mondscheinkinder": Alle Mutationen, die XP auslösen, verhindern entweder, dass die Helikase an DNA bindet, oder dass sie die nötige Energie gewinnt, um die Einzelstränge aufzutrennen. Ohne diese Fähigkeiten fällt XPD in Sachen DNA-Reparatur aus. Dies erklärt, warum Betroffene so empfindlich auf UV-Licht reagieren und häufiger an Hautkrebs erkranken.
Obwohl die so mutierte Helikase nicht mehr als solche funktionieren kann, bleibt ihre dreidimensionale Gestalt relativ unverändert. Schwerwiegendere Auswirkungen auf die Struktur haben dagegen die Mutationen, welche mit TTD in Zusammenhang stehen. Diese behindern das Zusammenspiel der Helikase mit anderen Proteinen und somit auch die Funktion des Transkriptionsfaktors TFIIH. Die Folge ist ein gestörter Zellstoffwechsel, was sich negativ auf die Zellteilung und somit die Erneuerung von Gewebe auswirkt. Diese Ausfälle sind unter anderem für das frühzeitig gealterte Erscheinungsbild der Betroffenen verantwortlich.
Noch stärker haben die Patienten mit Coackayne-Syndrom unter den Symptomen zu leiden. Sie altern nicht nur vorzeitig, sondern kommen schon mit schweren Defekten des Nervensystems zur Welt. Die Mutationen, die das Syndrom auslösen, lassen die Helikase vermutlich im Reparaturmodus einrasten, meinen die Forscher. So wird die DNA dort repariert, wo sie eigentlich nur in RNA umgeschrieben werden sollte. Wie genau das so fehlgeleitete Protein die Symptome verursacht, ist allerdings noch unbekannt.
So ist es letztendlich das Gesamtbild – Struktur und Funktion eines Proteins – das in Betracht gezogen werden muss, um solch unterschiedliche Symptome wie die der "Mondscheinkinder" und der "Kindergreise" zu erklären.
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