Räuber-Beute-Beziehungen: Von Vielfältigen und Vielfraßen
Beeinflusst ein Jäger die Evolution der Gejagten? Oder umgekehrt? Bisherige Studien behandelten nur einzelne Arten und zu kurze Zeitspannen, um Langzeittrends aufzudecken. Jetzt haben Forscher anhand tausender Fossilien nach einer Antwort gefahndet.
Stellen Sie sich vor, Sie müssten 2292 muschelartige Schalen von Armfüßern und Kalkskelette von Stachelhäutern – zum Beispiel Seeigel – auf Bohrlöcher von Raubfeinden hin untersuchen. Kein Interesse? Verständlich.
John Warren Huntley und Michal Kowalewski von der Virginia Polytechnic Institute and State University in Blacksburg haben sich genau diese Mühe gemacht. Mit ihrem weit gehend fossilen Schalenmaterial deckten die Wissenschaftler den Zeitraum vom Kambrium bis zur Gegenwart ab, also fast das gesamte Erdzeitalter des vielzelligen Tierlebens.
Armfüßer (Brachiopoda) – meereslebende, muschelähnlichen Tiere mit armförmigen Tentakeln am Mund – erschienen bereits vor etwa 530 Millionen Jahren auf der Weltbühne, und bis heute wurden Fossilien von mehr als 30 000 Spezies aus 4000 Gattungen gefunden. Heute leben noch an die 300 Brachiopodenarten in den Weltmeeren. Auch die Stachelhäuter (Echinodermata) sind eine erdgeschichtlich sehr alte Tiergruppe: Erste Funde stammen aus dem frühen Kambrium vor über 540 Millionen Jahren. Es gibt sogar präkambrische Fossilien, die ihnen zugeordnet werden. Rezent sind etwa 6300 Arten bekannt, fast allesamt marine Bodenbewohner.
Huntley untersuchte die kalkigen Überreste der Wirbellosen akribisch auf Bohrlöcher – Anzeichen für den geglückten Überfall eines marinen Prädators, etwa einer räuberischen Schnecke – und Vernarbungen, die die überlebenden Opfer einer Attacke ausbildeten. Die so ermittelten Zahlen, die ein Maß für die Intensität des Räuberdruckes darstellen sollten, verglichen die Geologen mit Daten zur Artenvielfalt über die Zeit.
Wie lässt sich der beobachtete Zusammenhang zwischen Jägeraufkommen und Diversität erklären? Eine Möglichkeit ist, dass Räuberdichte und Artenvielfalt tatsächlich miteinander gekoppelt sind. Eine solche Kopplung könnte auftreten, weil Räuber bevorzugt diverse und auch zahlreich auftretende Beutetiergruppen angreifen. Eine Zunahme in der Armfüßervielfalt würde somit die zunehmende Angriffsrate begründen.
Ein zweiter Erklärungsansatz hebt darauf ab, dass eine zunehmende Diversität rein statistisch auch die Komplexität der Räuberstrategien erhöht: Je mehr unterschiedliche Organismen vorhanden sind, desto vielgestaltiger sind wahrscheinlich auch die Jäger. Die beobachtete Zunahme an Bohrlöchern und -narben könnte also darauf zurückzuführen sein, dass bei höherer Artenvielfalt mehr Räuber aufkamen, die diese Technik einsetzten.
Schließlich könnte das Ergebnis auch ein simples Artefakt sein: Die Menge von fossilen Funden variiert mit der Zeit, das heißt für bestimmte Perioden liegen zahlreiche verschiedene Schalen vor, für andere nur wenige. Dazu kommt, dass die Qualität – und damit die Erkennbarkeit von Bohrlöchern – der Fossilien aus den erdgeschichtlichen Abschnitten häufig besser ist, aus denen auch viele Funde stammen. Zusammengefasst: Diversität und Räuberspuren scheinen gleichzeitig anzusteigen, dabei wurden phasenweise einfach mehr und besser erhaltene Fossilien gefunden.
Bleibt zu hoffen, dass eine der ersten beiden Interpretationen zutrifft. Denn nach der Analyse von knapp 3000 Schalen festzustellen, dass man die Zeit auch anders hätte nutzen können, ist kein schönes Ende für eine 540 Millionen Jahre alte Geschichte.
John Warren Huntley und Michal Kowalewski von der Virginia Polytechnic Institute and State University in Blacksburg haben sich genau diese Mühe gemacht. Mit ihrem weit gehend fossilen Schalenmaterial deckten die Wissenschaftler den Zeitraum vom Kambrium bis zur Gegenwart ab, also fast das gesamte Erdzeitalter des vielzelligen Tierlebens.
Armfüßer (Brachiopoda) – meereslebende, muschelähnlichen Tiere mit armförmigen Tentakeln am Mund – erschienen bereits vor etwa 530 Millionen Jahren auf der Weltbühne, und bis heute wurden Fossilien von mehr als 30 000 Spezies aus 4000 Gattungen gefunden. Heute leben noch an die 300 Brachiopodenarten in den Weltmeeren. Auch die Stachelhäuter (Echinodermata) sind eine erdgeschichtlich sehr alte Tiergruppe: Erste Funde stammen aus dem frühen Kambrium vor über 540 Millionen Jahren. Es gibt sogar präkambrische Fossilien, die ihnen zugeordnet werden. Rezent sind etwa 6300 Arten bekannt, fast allesamt marine Bodenbewohner.
Huntley untersuchte die kalkigen Überreste der Wirbellosen akribisch auf Bohrlöcher – Anzeichen für den geglückten Überfall eines marinen Prädators, etwa einer räuberischen Schnecke – und Vernarbungen, die die überlebenden Opfer einer Attacke ausbildeten. Die so ermittelten Zahlen, die ein Maß für die Intensität des Räuberdruckes darstellen sollten, verglichen die Geologen mit Daten zur Artenvielfalt über die Zeit.
Es zeigte sich, dass die Werte für Prädationsdruck und globale Diversität für das marine Modell über die gesamte untersuchte Dauer korrelierten, auch als die Forscher verschiedene Korrekturmethoden an der Datenbasis ausprobierten. In zwei Zeitintervallen scheint die Räuberintensität besonders zugenommen zu haben: einmal an der Grenze vom Ordovizium zum Silur (vor etwa 444 Millionen Jahren) – und damit siebzig Millionen Jahre früher als bislang anhand anderer Studien angenommen – und ein zweites Mal im späten Mesozoikum.
Wie lässt sich der beobachtete Zusammenhang zwischen Jägeraufkommen und Diversität erklären? Eine Möglichkeit ist, dass Räuberdichte und Artenvielfalt tatsächlich miteinander gekoppelt sind. Eine solche Kopplung könnte auftreten, weil Räuber bevorzugt diverse und auch zahlreich auftretende Beutetiergruppen angreifen. Eine Zunahme in der Armfüßervielfalt würde somit die zunehmende Angriffsrate begründen.
Ein zweiter Erklärungsansatz hebt darauf ab, dass eine zunehmende Diversität rein statistisch auch die Komplexität der Räuberstrategien erhöht: Je mehr unterschiedliche Organismen vorhanden sind, desto vielgestaltiger sind wahrscheinlich auch die Jäger. Die beobachtete Zunahme an Bohrlöchern und -narben könnte also darauf zurückzuführen sein, dass bei höherer Artenvielfalt mehr Räuber aufkamen, die diese Technik einsetzten.
Schließlich könnte das Ergebnis auch ein simples Artefakt sein: Die Menge von fossilen Funden variiert mit der Zeit, das heißt für bestimmte Perioden liegen zahlreiche verschiedene Schalen vor, für andere nur wenige. Dazu kommt, dass die Qualität – und damit die Erkennbarkeit von Bohrlöchern – der Fossilien aus den erdgeschichtlichen Abschnitten häufig besser ist, aus denen auch viele Funde stammen. Zusammengefasst: Diversität und Räuberspuren scheinen gleichzeitig anzusteigen, dabei wurden phasenweise einfach mehr und besser erhaltene Fossilien gefunden.
Bleibt zu hoffen, dass eine der ersten beiden Interpretationen zutrifft. Denn nach der Analyse von knapp 3000 Schalen festzustellen, dass man die Zeit auch anders hätte nutzen können, ist kein schönes Ende für eine 540 Millionen Jahre alte Geschichte.
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