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Sinne: Von wegen Naschkatze

Bonbons, ein Stückchen Schokolade, Vanilleeis - was kleine Kinder mögen, lassen auch Hund, Maus und Co nicht links liegen. Katzen schon: Ihnen fehlt buchstäblich der Sinn fürs Süße.
Mensch und Katze
So verschieden Hund, Katze, Maus und Mensch auch sein mögen, was den Geschmack betrifft, zeigt sich denn doch die enge Säugerverwandtschaft: Salz, sauer und bitter gehören bei allen zur Sinneswelt. Süß allerdings, so hatten schon früher neurologische und Verhaltensstudien gezeigt, lässt Katzen – vom Stuben- bis zum richtigen Tiger – kalt. Für die obligaten Fleischfresser vielleicht kein wirklicher Verlust, nur – warum sind die Tiere süßblind?

Die Antwort dürfte in den Genen liegen, folgerten Xia Li vom Monell-Forschungsinstitut für chemische Wahrnehmung und ihre Kollegen. Schließlich benutzen Säugetiere allgemein dieselben Rezeptorfamilien, weshalb sich die im Erbgut festgelegten Bauanleitungen stark ähneln. Der Sinn fürs Süße beruht dabei auf zwei miteinander verknüpften Proteinbausteinen, T1R2 und T1R3, die in jeweils eigenen DNA-Sequenzen kodiert sind.

Also ermittelten Li und ihre Mitarbeiter die Basenabfolge der beiden Gene an Proben aus mehreren Katzen, einem Tiger und einem Geparden und leiteten daraus die Aminosäuresequenzen der Proteine ab. Und dabei stolperten sie über einen Schreibfehler: Während das Gen für T1R3 ganz normal aussah, fehlten in seinem Gegenstück für T1R2 247 Basenpaare. Kein riesiger Verlust zwar, aber trotzdem mit dramatischen Folgen: Durch die Verkürzung rutschte ein Stoppsignal mitten hinein in die noch informationstragenden Abschnitte.

Der abgeschriebenen Bauanleitung fehlen damit einige Kapitel, und das resultierende Protein dürfte, wenn überhaupt, nur fehlerhaft funktionieren. Offenbar wird es darum nicht einmal mehr hergestellt oder sofort wieder abgebaut, wie die Forscher weiterhin feststellten: Sie konnten in den Zellen der Geschmacksknospen bei Katzen weder Spuren von Boten-RNA noch des Proteinrezeptors selbst finden. Damit ist klar: Das Gen für T1R2 gehört zu den so genannten Pseudogenen, die zwar in Resten noch vorhanden sind, jedoch nicht mehr benötigt werden. Diese Ausschusssequenzen sind gar nicht mal selten: Während bei der Maus beispielsweise etwa ein Fünftel der Gene für Geruchsrezeptoren in diese Kategorie fallen, sind es beim Menschen über sechzig Prozent. Eine übermäßig feine Nase, so scheint es, lohnte sich nicht im Laufe der Homo-Entwicklung. Im Sinne des "Augentieres" Mensch legte die Selektion offenbar mehr Wert auf ordentliches Dreifarbensehen, das sich parallel zum Verlust des guten Geruchssinns ausbildete.

Und was ist mit dem zweiten Rezeptor, T1R3, den die Katzen in ganz normaler Weise herstellen? Pure Verschwendung? Mitnichten: Den Sinn fürs Süße kann er im Alleingang zwar nicht retten, aber arbeitslos ist er deshalb noch lange nicht. Er sichert zusammen mit dem dritten Familienmitglied T1R1 den Geschmack für umami, den auch Katzen schon unter Beweis stellten. Während menschliche Naschkatzen also für Süßes schwärmen, lassen sich ihre felligen Gegenstücke wohl eher vom Geschmacksverstärker Glutamat beeindrucken – kein Wunder eigentlich, steht das japanische Wort doch für die Hauptkomponente des Fleischgeschmacks.

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