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Verhaltensforschung: Vorsicht, Dungfalle!

Um die eigenen vier Wände und den Garten auszuschmücken, schleppen Kanincheneulen außergewöhnliches Dekor herbei: Tierdung. Und diese geruchsintensiven Verzierungen am Bau sind mit Hinterlist gewählt.
<i>Athene cunicularia</i>
Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Dennoch mutet es ein wenig skurril an, dass die Kanincheneule (Athene cunicularia) ihr unterirdisches Domizil, das zugleich als Brutkammer dient, ausgerechnet mit dem gesammelten Kot von Säugetieren pflastert und jene Hinterlassenschaften auch in der unmittelbaren Umgebung ihres Erdbaus verstreut. Werden diese stinkenden "Schmuckstücke" durch äußeres Einwirken entfernt, so kann der tagaktive Jäger sie schleunigst durch neue ersetzen. Offensichtlich häufen sich die tierischen Ablagerungen keineswegs rein zufällig an, sondern dem Arrangement wohnt ein tieferer Sinn inne. Doch welcher?

Athene cunicularia | Eine Kanincheneule (Athene cunicularia) harrt vor dem Eingang zu ihrer mit Dung verzierten Erdhöhle aus. Mit dem Säugetierkot lockt sie erfolgreich Mistkäfer – ihre Lieblingsspeise – an.
Möglicherweise – vermuteten Douglas Levey von der Universität von Florida und seine Kollegen – locken die lange Zeit bewegungslos neben dem Bau ausharrenden Eulen mit dem Säugerdung ihr "Leibgericht" an. Denn mit Vorliebe verspeisen die Vögel Mistkäfer: In zwanzig analysierten Gewöllen machten die Vertreter der zwei Zentimeter langen Art Phanaeus igneus allein 65 Prozent der konsumierten Käfer aus. Alternativ könnten die stinkenden Ausscheidungen auch den Duft des Nestes übertünchen und es somit vor Räubern schützen – vorausgesetzt, dass die Eulen-Behausungen einem weiten Kreis von bodenlebenden Feinden zugänglich sind und ihnen viele der Schlaf- und Bruthöhlen zum Opfer fallen.

Um die These der geruchlichen Tarnung zu überprüfen, gruben die Wissenschaftler fünfzig unterirdische Nester im Abstand von jeweils fünfzig Meter und bestückten jedes mit fünf Wachteleiern. Abwechselnd verzierten sie die Gelege mit Kuhfladen oder ließen sie "schmucklos". Über dreieinhalb Wochen – einer typischen Brutzeit – verfolgten sie jeden zweiten Tag das Schicksal der Eier.

Wie sie feststellten, hatten Räuber alle Nester bis auf ein einziges aufgespürt und geplündert – ohne zeitlichen Unterschied zwischen den Gelegen mit oder ohne Tierdung. Demnach vermag der Säugerkot den Eigeruch nicht effektiv zu maskieren. Ob er den verräterischen Duft von Küken überdecken kann, testeten die Forscher aus ethischen Gründen nicht.

In weiteren Versuchen untersuchten sie die "Köderthese": Zunächst entfernten sie sämtlichen Dung, ausgewürgte Gewölle und die Reste von Käfermahlzeiten um die Höhleneingänge von zwei Populationen der Kanincheneule. Anschließend präparierten sie die Hälfte der Behausungen mit frischen Kuhfladen von ungefähr 231 Gramm Trockengewicht, der für die Erdwohnungen typischen Menge. Die übrigen Bauten blieben indes unbehandelt. Nach vier Tagen sammelten die Wissenschaftler alle Überbleibsel von Beutetieren sowie die Ausscheidungen der Vögel ein und wiederholten das Experiment – diesmal allerdings mit vertauschten Versuchs- und Kontrollnestern.

Anhand der Deckflügel der Käfer, welche die Eulen gewöhnlich vor dem Verzehr ausrangieren oder in den Gewöllen erbrechen, identifizierten die Forscher die verspeisten Insekten. Und siehe da: Lagen vor den Wohnhöhlen Kuhfladen aus, hatten die Vögel zehnmal mehr Mistkäfer und sechsmal mehr Mistkäferarten konsumiert als ihre Artgenossen in "kahlen" Eigenheimen.

Offenbar sammeln die Kanincheneulen den Tierdung absichtlich und platzieren ihn gezielt als Lockmittel zum Beutefang vor ihren Behausungen, sind die Wissenschaftler um Levey überzeugt. "Unsere kontrollierte Untersuchung liefert eine eindeutige Einschätzung von der Wichtigkeit des Werkzeuggebrauchs eines Wildtieres."

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