Verhaltenstheorie: Vorurteil vor Vernunft
Unternehmen tun gut daran, sich einen makellosen Ruf zuzulegen. Denn auch bei wirtschaftlichen Entscheidungen scheint zu gelten: Moral zählt mehr als rationales Denken.
Kandidat A ist ein dufter Typ. Er lehrt ehrenamtlich in New York City, und vor kurzem erst hat er einen Freund aus einem gefährlichen Feuer gerettet. Das steht zumindest in dem Lebenslauf, den die Teilnehmer einer Studie des Zentrums für Neurowissenschaften über den fiktiven Charakter zu lesen bekamen. Kandidaten B und C kommen im Vergleich dazu deutlich schlechter weg. Während B in seinem Lebenslauf merkwürdig neutral, wenn nicht gar nichtssagend bleibt, entpuppt sich Person C gar kriminell: Via Internet hat er versucht, Diebesgut unter das nichtsahnende Volk zu bringen. Keine guten Voraussetzungen für eine Zusammenarbeit – insbesondere, wenn es um Geld geht.
Denn Elisabeth Phelps und ihre Kollegen von der Universität New York hatten zwölf Probanden zu einem Geldspiel eingeladen – mit den drei fiktiven Charakteren als Partner. Anders als in üblichen Spielszenarien, in denen man grundsätzlich gegeneinander spielt, wurden die Teilnehmer belohnt, wenn sie ihrem Mitspieler vertrauten. So konnte seinen Gewinn steigern, wer mit dem anderen teilte. Die Frage war nur: Wem konnte man trauen?
Für einen Theoretiker der Spieltheorie ist der Versuchsaufbau klar: Rational entscheiden die Probanden beim Vertrauensspiel nach dem "Trial-and-Error"-Verfahren, welchem Partner sie trauen können und welchem eher nicht. Sie verändern ihr Spielverhalten anhand der positiven oder negativen Erfahrungen, die sie mit dem gegnerischen Spieler machen.
Das Spiel könnte also ganz einfach sein – hätten wir nicht hin und wieder den Drang, uns ein klein wenig irrational zu verhalten. Gründe für irrationales Verhalten gibt es schließlich genug: Liebeskummer, persönliche Animositäten – und auch die Moral. Wie also, fragten sich die Forscher der Universität New York, verändert sich wohl das Verhalten unserer Probanden angesichts der recht morallastigen Lebensläufe?
Um das herauszufinden, beobachteten die Wissenschaftler das Verhalten und die Hirnaktivität der Probanden. Dazu nutzten sie unter anderem Magnetresonanzbilder, mit denen sie zum einen den Entscheidungszeitraum der Teilnehmer aufzeichneten und zum anderen die Ergebnisphase, in der diese sehen konnten, wie ihr Partner auf die eigene Wahl reagiert.
Die Resultate der Untersuchung sind ein herber Schlag für die vielgerühmte menschliche Rationalität. Denn entscheidend dafür, ob die Probanden das Geld behielten oder es teilten, war allein das moralische Urteil, das sie über die drei Kandidaten getroffen hatten. Bei dem selbstlosen Lebensretter fühlten sie sich überdurchschnittlich häufig dazu animiert, das Geld zu teilen – während sie dem kleinkriminellen Partner ihren Dollar zumeist nicht anvertrauen wollten. Bei der neutralen Person C hielt sich indes auch Geben und Nehmen die Waage. Das Verblüffende ist: Die Teilnehmer ließen sich von ihren moralischen Urteilen auch nicht abbringen, als diese sich als schlichte Vorurteile erwiesen – denn die Partnercharaktere verhielten sich alle gleich.
Auch im Gehirn machte sich das moralische Vorurteil bemerkbar: Der Nucleus caudatus war weit weniger aktiv, als es die Wissenschaftler vermutet hatten. Nur bei der neutral dargestellten Person B kam es zu deutlich unterscheidbaren Reaktionen auf positive und negative Spielerfahrungen, die auf einen feedbackorientierten Abwägungsprozess schließen lassen. Der negativ dargestellte Charakter löste zwar auch leicht unterschiedliche Aktivitäten im Nucleus caudatus aus, doch waren diese viel geringer. Bei dem als Gutmensch eingeführten Charakter A hingegen waren die Aktivitäten ähnlich – ein Abgleich nach Versuch und Irrtum fand nicht statt. Die Entscheidung, ihm zu vertrauen, hatten die Testpersonen schon beim Lesen seines Lebenslaufes gefällt.
Ein guter Leumund, so lernen wir daraus, kann nicht nur positive Vorurteile auslösen, die andere uns gegenüber wohlgesonnen werden lassen. Er ist auch in der Lage, die enttäuschende Wirklichkeit zu überstrahlen.
Denn Elisabeth Phelps und ihre Kollegen von der Universität New York hatten zwölf Probanden zu einem Geldspiel eingeladen – mit den drei fiktiven Charakteren als Partner. Anders als in üblichen Spielszenarien, in denen man grundsätzlich gegeneinander spielt, wurden die Teilnehmer belohnt, wenn sie ihrem Mitspieler vertrauten. So konnte seinen Gewinn steigern, wer mit dem anderen teilte. Die Frage war nur: Wem konnte man trauen?
Pro Spielrunde bekam jeder Versuchsteilnehmer einen Dollar. Diesen konnte er behalten oder an seinen virtuell angezeigten Mitspieler abtreten – der dann zwei Dollar dazubekam. Nun hatte der fiktive Partner die Wahl: wenn er das Geld behielt, ging der Versuchsteilnehmer leer aus, teilte er, hatten beide etwas davon. Für die Versuchsteilnehmer war das Teilen daher die lukrativste Methode, an ihr Geld zu kommen – allerdings auch die riskanteste.
Für einen Theoretiker der Spieltheorie ist der Versuchsaufbau klar: Rational entscheiden die Probanden beim Vertrauensspiel nach dem "Trial-and-Error"-Verfahren, welchem Partner sie trauen können und welchem eher nicht. Sie verändern ihr Spielverhalten anhand der positiven oder negativen Erfahrungen, die sie mit dem gegnerischen Spieler machen.
Genau dieses feedbackorientierte Lernen konnte in früheren Untersuchungen auch nachgewiesen werden, und zwar sowohl im Verhalten als auch im Gehirn, genauer gesagt im Nucleus caudatus, einer kleinen Region im Kernbereich nahe des Thalamus.
Das Spiel könnte also ganz einfach sein – hätten wir nicht hin und wieder den Drang, uns ein klein wenig irrational zu verhalten. Gründe für irrationales Verhalten gibt es schließlich genug: Liebeskummer, persönliche Animositäten – und auch die Moral. Wie also, fragten sich die Forscher der Universität New York, verändert sich wohl das Verhalten unserer Probanden angesichts der recht morallastigen Lebensläufe?
Um das herauszufinden, beobachteten die Wissenschaftler das Verhalten und die Hirnaktivität der Probanden. Dazu nutzten sie unter anderem Magnetresonanzbilder, mit denen sie zum einen den Entscheidungszeitraum der Teilnehmer aufzeichneten und zum anderen die Ergebnisphase, in der diese sehen konnten, wie ihr Partner auf die eigene Wahl reagiert.
Die Resultate der Untersuchung sind ein herber Schlag für die vielgerühmte menschliche Rationalität. Denn entscheidend dafür, ob die Probanden das Geld behielten oder es teilten, war allein das moralische Urteil, das sie über die drei Kandidaten getroffen hatten. Bei dem selbstlosen Lebensretter fühlten sie sich überdurchschnittlich häufig dazu animiert, das Geld zu teilen – während sie dem kleinkriminellen Partner ihren Dollar zumeist nicht anvertrauen wollten. Bei der neutralen Person C hielt sich indes auch Geben und Nehmen die Waage. Das Verblüffende ist: Die Teilnehmer ließen sich von ihren moralischen Urteilen auch nicht abbringen, als diese sich als schlichte Vorurteile erwiesen – denn die Partnercharaktere verhielten sich alle gleich.
Auch im Gehirn machte sich das moralische Vorurteil bemerkbar: Der Nucleus caudatus war weit weniger aktiv, als es die Wissenschaftler vermutet hatten. Nur bei der neutral dargestellten Person B kam es zu deutlich unterscheidbaren Reaktionen auf positive und negative Spielerfahrungen, die auf einen feedbackorientierten Abwägungsprozess schließen lassen. Der negativ dargestellte Charakter löste zwar auch leicht unterschiedliche Aktivitäten im Nucleus caudatus aus, doch waren diese viel geringer. Bei dem als Gutmensch eingeführten Charakter A hingegen waren die Aktivitäten ähnlich – ein Abgleich nach Versuch und Irrtum fand nicht statt. Die Entscheidung, ihm zu vertrauen, hatten die Testpersonen schon beim Lesen seines Lebenslaufes gefällt.
Ein guter Leumund, so lernen wir daraus, kann nicht nur positive Vorurteile auslösen, die andere uns gegenüber wohlgesonnen werden lassen. Er ist auch in der Lage, die enttäuschende Wirklichkeit zu überstrahlen.
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