VUI-202012/01: Neue, ansteckendere Corona-Variante in Großbritannien
Ein an bedeutenden Stellen verändertes Coronavirus treibt möglicherweise Infektionen im Südosten Großbritanniens voran. Der Name: VUI-202012/01, für die erste »Variant Under Investigation« im Dezember 2020. Oder B.1.1.7.-Cluster. Die Form zeichnet sich durch 17 Mutationen aus (PDF).
Als eine der wichtigsten gilt eine N501Y-Mutation im Spike-Protein, welches das Virus zur Bindung an den ACE-2-Rezeptor nutzt. Weitere Mutationen im Spike-Protein sind die Deletion 69-70, Deletion 144, N501Y, A570D, D614G, P681H, T716I, S982A, D1118H. Veränderungen in diesem Protein können den Erreger theoretisch ansteckender machen, so dass er sich rascher von Mensch zu Mensch überträgt.
Wie unter anderem das »British Medical Journal« (BMJ) berichtet, wurden in Großbritannien bis zum 13. Dezember 1108 Fälle mit dieser Variante bei fast 60 verschiedenen lokalen Behörden identifiziert. Die tatsächliche Zahl dürfte höher sein. Laut dem BMJ-Bericht traten die Fälle vor allem im Südosten Englands auf, zudem in weiter entfernten Gebieten wie Wales und Schottland.
Es ist nicht unüblich, dass RNA-Viren wie Sars-CoV-2 sich mit der Zeit verändern. Die Mutationen entstehen, wenn sich die Erreger vervielfältigen. Im September waren bereits mehr als 12 000 Mutation bekannt. Rund 4000 betreffen nach jetziger Kenntnis das Spike-Protein. Den Verlauf der Pandemie hat bisher keine der Veränderungen maßgeblich beeinflusst.
Zwischen der Variante aus Großbritannien, die derzeit unter genauer Beobachtung steht, und anderen Sars-CoV-2-Formen, die in der Sequenzdatenbank GISAID registriert sind, gibt es kaum Zwischenformen. Das legen erste phylogenetische Analysen nahe.
Diese Form des Coronavirus sei um bis zu 70 Prozent ansteckender als die bisher bekannte, sagte Premierminister Boris Johnson am Samstag vor Journalisten in London. Es gebe aber keine Hinweise darauf, dass Impfstoffe gegen die Mutation weniger effektiv seien.
Corona-Variante VUI-202012/01 nach jetziger Kenntnis nicht tödlicher
Ebenfalls unklar ist, ob die neue Variante gefährlicher ist als bisherige Formen. Eine höhere Sterblichkeit habe man noch nicht festgestellt, wie Johnson mitgeteilt hat. Die britische Behörde Public Health England (PHE) arbeitet derzeit daran, herauszufinden, ob VUI-202012/01 den Schweregrad der Erkrankung erhöht oder verringert. Bislang gibt es jedoch »keine Hinweise darauf, dass der Stamm einen Einfluss auf die Schwere der Erkrankung, die Antikörperreaktion oder die Wirksamkeit des Impfstoffs hat«, heißt es in einer PHE-Pressemitteilung.
Ob sich die Variante wirklich explosiv verbreitet, ist zurzeit noch unklar. Der oberste wissenschaftliche Regierungsberater Patrick Vallance hat betont, dass im Dezember 60 Prozent der Neuinfektionen in London die neue Variante betroffen hätten. »Sie breitet sich rasch aus und ist dabei, die dominierende Variante zu werden«, sagte er. Das PHE wiederum will noch keinen direkten Zusammenhang herstellen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden »in den kommenden Tagen und Wochen überwachen«, ob und wie sich die Variante auf das Pandemie-Geschehen auswirkt. Genauere epidemiologische Daten sollen diese Woche in betroffenen Regionen im Vereinigten Königreich erhoben werden, schreiben Experten der New and Emerging Respiratory Virus Threats Advisory Group (NERVTAG) in Großbritannien.
Die Europäische Seuchenbehörde ECDC hat ebenfalls erste Erkenntnisse über die neue Virusvariante zusammengetragen. Demnach berichten neben dem Vereinigten Königreich etwa Dänemark, die Niederlande und Australien über vereinzelte Nachweise des Erregers. Medienberichten zufolge gibt es auch Fälle in Belgien. Laut der Datenbank in Deutschland gab es bis zum 21. Dezember keine Nachweise von B.1.1.7.-Viren.
Weil sich die neue Variante rasch ausbreitet, hat die britische Regierung die Corona-Restriktionen verschärft und etwa einen neuen Shutdown für die Hauptstadt London verhängt. »Wenn das Virus seine Angriffsmethode ändert, müssen wir unsere Verteidigungsmethode ändern«, sagte Johnson. »Ohne diese Maßnahmen, darauf deuten die Zeichen hin, werden die Infektionszahlen in die Höhe schnellen, Krankenhäuser würden überfordert sein, und weitere tausende Menschen werden ihr Leben verlieren.«
In Großbritannien wurden am Samstag etwa 27 000 neue Corona-Fälle gezählt, damit gab es bisher mehr als zwei Millionen Infektionen in dem Land. Etwa 83 000 Menschen sind bisher mit oder an der Lungenkrankheit Covid-19 gestorben. Die Regierung hatte vor gut zehn Tagen mit einer Massenimpfung begonnen. Bislang haben landesweit etwa 350 000 Menschen das Mittel des Mainzer Pharmaunternehmens Biontech und dessen US-Partners Pfizer erhalten, wie Johnson sagte.
Deutschland hat weitere Impfstoff-Dosen gekauft
In Europa steht die Zulassung der ersten Impfstoffkandidaten bevor. Kurz vor dem geplanten Start von Impfungen gegen das Coronavirus hier zu Lande sind mehr Dosen der aussichtsreichen Impfstoffe für Deutschland gesichert. Für die zwei Präparate der Mainzer Firma Biontech und des US-Herstellers Moderna sind dem Ministerium zufolge nun insgesamt 136,3 Millionen Dosen sicher, die nahezu alle 2021 geliefert werden könnten. Mit je zwei nötigen Dosen ließen sich so rechnerisch 68,2 Millionen Bürger impfen – bei 83 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern.
In Deutschland gab es laut dem Robert Koch-Institut 31 300 Neuinfektionen binnen eines Tages. Insgesamt haben sich hier zu Lande offiziell damit 1 471 238 Menschen mit Sars-CoV-2 angesteckt.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.